Forschungsbericht 2021 - Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts

Licht und magnetische Materialien ebnen den Weg zu neuen Quantentechnologien 

Autoren
Jasmin Graf und Silvia Viola Kusminskiy
 
Abteilungen
Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, Erlangen
Zusammenfassung
Moderne Quantentechnologien basieren auf dem Konzept der Hybrid-Quantensysteme,  die unterschiedliche physikalische Systeme jeweils optimiert für eine bestimmte Funktion miteinander koppeln, um eine möglichst effiziente Arbeitsweise des Gesamtsystems zu erreichen. Ein Beispiel eines solchen Hybrid-Quantensystems ist die Kopplung von Licht und magnetischen Materialien, das sowohl als Speicher als auch Überträger von Informationen verwendet werden kann.
 

Licht und magnetische Materialien bilden heutzutage einen wesentlichen Bestandteil der Technologien für Kommunikation und Informationsverarbeitung. Während Licht mittels Glasfasertechnik für eine möglichst schnelle und effiziente Übertragung großer Mengen an Information verwendet wird, dienen magnetische Materialien als Informationsspeicher in Form von Speicherkassetten bis hin zu Festplatten.

Revolutioniert wird die Informationsverarbeitung in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Quantentechnologien in Form von Quantencomputern (auch als Teil eines Quantennetzwerks) (Abbildung1). Dies Technologien beruhen auf den Gesetzen der Quantenmechanik. Quantentechnologien verwenden sogenannte Quantenbits (kurz Qubits) als Informationsträger. Im Gegensatz zu klassischen Bits, die nur die Zustände 0 oder 1 annehmen können, können sie sich in einer beliebigen Überlagerung der Zustände 0 und 1 befinden (beispielsweise 46 % 0 und 54 % 1). Dadurch ist ein Qubit nicht nur auf zwei Zustände beschränkt und hat dementsprechend eine höhere Speicherkapazität als ein klassisches Bit. Dadurch lässt sich die Rechenleistung signifikant verbessern. Um solche Quantentechnologien realisieren zu können, werden  verschiedene physikalische Systeme benötigt, die jeweils für eine bestimmte Funktion, beispielsweise das Speichern oder das Übertragen von Informationen, optimiert sind. Sie lassen sich dann so miteinander koppeln, dass eine zuverlässige Informationsübertragung zwischen den Komponenten gewährleistet ist. Diese Systeme werden im Allgemeinen als hybride Quantensysteme (HQS) bezeichnet.

Unsere Gruppe am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts untersucht mit Mitteln der theoretischen Physik eine besondere Form eines HQS, basierend auf der Wechselwirkung von Licht und magnetischen Materialien auf Quantenebene (Abbildung 2). Dabei orientiert sich unsere Forschung stark an den aktuellen experimentellen Fortschritten von HQS auf Basis magnetischer Materialien. Wir versuchen folgende Fragen zu beantworten: Wie können wir robuste und ausgedehnte Quantenzustände der Magnetisierung eines Materials erzeugen? Was ist der Kopplungsmechanismus von Licht an die Magnetisierung in verschiedenen Frequenzbereichen? Können wir effizient Quanteninformationen zwischen Licht und magnetischen Materialien übertragen? Können wir den Quantenzustand eines magnetischen Materials mit Licht kontrollieren? Können wir andere Phänomene des Materials wie mechanische Schwingungen nutzen, um einen Quantenvorteil zu erhalten?

Während klar ist, dass Licht auch in zukünftigen Technologien als Informationsträger fungieren wird, stellt sich die Frage nach der Rolle der magnetischen Materialien. HQS basieren heute auf zwei physikalischen Systemen, die sehr unterschiedliche Frequenzbereiche kennzeichnen: Qubits arbeiten in der Regel im Mikrowellenbereich, während Licht eine viel höhere Frequenz besitzt. Demnach muss für die Übertragung von Information zwischen beiden Systemen ein großer Frequenzunterschied überwunden werden. Dies stellt das sogenannte Quanten-Transduktionsproblem dar. Eine denkbare Lösung sind magnetische Materialien, genauer gesagt  ihre elementaren magnetischen Anregungen, im Teilchenbild auch Magnonen genannt. Diese können sowohl an Mikrowellen als auch an optische Photonen, also Lichtteilchen, koppeln. Dadurch stellt der Einbau magnetischer Elemente in HQS einen großen Vorteil dar.

Im Allgemeinen ist diese Kopplung allerdings recht schwach, kann aber durch einen Hohlraumresonator, der die beiden wechselwirkenden Systeme umgibt, verstärkt werden. Im Mikrowellenbereich kann so bereits eine starke Wechselwirkung in Experimenten nachgewiesen werden, während die Kopplung im optischen Bereich immer noch recht schwach ist. Aus diesem Grund beschäftigen wir uns zum Beispiel mit dem Design eines opto-magnonischen Kristalls [1], also einer periodischen Struktur aus einem transparenten magnetischen Material. Dieses kann wegen seiner speziellen Geometrie Licht im Inneren einfangen und so die Wechselwirkung zwischen Photonen und Magnonen verstärken.

Ein weiterer Vorteil der Einbindung von Magnonen in HQS ist ihre Fähigkeit, neben Photonen auch an andere physikalische Phänomene koppeln zu können. Von besonderer Bedeutung hierbei ist die Wechselwirkung mit Phononen, also den Elementaranregungen mechanischer Schwingungen beispielsweise in einem Kristallgitter. In Zusammenarbeit mit John Davis’ Gruppe an der University of Alberta ist es uns theoretisch und experimentell gelungen, die Kopplung zwischen Mikrowellen-Photonen, Magnonen und Phononen zu demonstrieren [2]. Diese Multi-Kopplung könnte mithilfe der Mikrowellenansteuerung eines Resonators dazu genutzt werden, um künftig mikroskopische Magnete in ihren quantenmechanischen Grundzustand zu kühlen. Zudem ließe sich ein selbst kalibrierendes Thermometer im Subkelvin-Bereich realisieren [3].

Für die Realisierung der HQS müssen die Magnonen auf Quantenebene manipuliert werden. Für die theoretische Untersuchung dieses Vorgangs  haben wir bekannte Methoden der Quantenoptik auf die Beschreibung von Magnonen erweitert, da diese mathematisch gesehen den Photonen sehr ähneln. Mit Hilfe dieser neuen Methoden konnten wir zeigen [4], wie die Kopplung eines Magneten an einen Mikrowellenresonator dazu genutzt werden kann, einen sogenannten Cat-State (Katzenzustand, angelehnt an Schrödingers Katze) der Magnetisierung zu erzeugen, also einen Zustand in dem die Magnetisierung gleichzeitig in zwei unterschiedliche Richtungen zeigt. Diese Cat-States stellen ein modellhaftes Beispiel von Quantenzuständen dar und finden in der Quantensensorik oder in der Qubit-Implementierung Anwendung.

Literaturhinweise

Graf, J., Sharma, S., Huebl, H., Viola Kusminskiy, S.
Design of an optomagnonic crystal: Towards optimal magnon-photon mode matching at the micro
Physical Review Research 3, 013277 (2021)
Potts, C.A., Varga, E., Bittencourt, V.A.S.V., Viola Kusminskiy, S., Davis, J.P.
Dynamical Backaction Magnomechanics
Physical Review X 11, 031053 (2021)
Potts, C.A., Bittencourt, V.A.S.V., Viola Kusminskiy, S., Davis, J.P.
Magnon-Phonon Quantum Correlation Thermometry
Physical Review Applied 13, 064001 (2020)
Sharma, S., Bittencourt, V.A.S.V., Karenowska, A.D., Viola Kusminskiy, S.
Spin cat states in ferromagnetic insulators
Physical Review B Letters 103, L100403 (2021)

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