Auge um Auge
Angriff auf die Atmung von Mycobacterium tuberculosis zur Behandlung von Tuberkulose
Forschende der Universität von Otago, der Goethe-Universität Frankfurt und des Max-Planck-Instituts für Biophysik haben mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie die Struktur der Cytochrom-bd-Oxidase von Mycobacterium tuberculosis bis zu einer Auflösung von 2,5 Å bestimmt. In Verbindung mit atomistischen Molekulardynamik-Simulationen wurde eine bisher unbekannte MK-9-Bindungsstelle entdeckt sowie eine einzigartige Disulfidbindung innerhalb der Q-Loop-Domäne, die eine inaktive Konformation der kanonischen Chinol-Oxidationsstelle in Actinobakterien definiert.
Im Jahr 1882 identifizierte Robert Koch das Mycobacterium tuberculosis (M. tb) als Hauptursache der Tuberkulose - eine bahnbrechende Entdeckung, die mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet wurde. Heute, mehr als hundert Jahre später, ist die Tuberkulose immer noch die weltweit häufigste Todesursache durch eine Infektionskrankheit. Täglich sterben etwa 5000 Menschen an Tuberkulose, die Gesamtzahl der Todesfälle vor der Entdeckung der Anti-Tuberkulosemedikamente beläuft sich auf bis zu einer Milliarde Menschen. Die größte Herausforderung bei der Bekämpfung der Tuberkulose im Zeitalter der Antibiotika ist das ständig wachsende Auftreten von multiresistenten und extensiven Stämmen. Um innovative Wege zur Identifizierung neuer Angriffspunkte für Medikamente zu finden, haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Biophysik unter der Leitung von Hartmut Michel und Gerhard Hummer zusammen mit Forschenden der Universität von Otago (Neuseeland) die molekulare Struktur der Cytochrom-bd-Oxidase von M. tuberculosis aufgeklärt.
Dieses Enzym ist in die bakterielle Cytoplasmamembran eingebettet. Es ist ein entscheidender Bestandteil der adaptiven Atmungskette von M. tb und verleiht den Mycobacterien die Fähigkeit, die Atmung im menschlichen Wirtsorganismus aufrechtzuerhalten, wo freier Sauerstoff sehr begrenzt vorkommt. Die Cytochrom-bd-Oxidase ist außerdem von entscheidender Bedeutung für den Übergang von akuten Tuberkuloseinfektionen zu ruhenden Krankheitszuständen.
Diese Studie offenbart ein einzigartiges molekulares Gerüst, das sich von verwandten Enzymen unterscheidet. Sie bildet die Grundlage für den Entwurf und die Entwicklung von Medikamenten, die auf M. tb hemmend wirken sollen. Die Behandlung der Tuberkulose über diesen neuartigen Wirkmechanismus wird dazu beitragen, die bisherige Behandlungsdauer von bis zu zwölf Monaten auf wenige Wochen zu verkürzen. Darüber hinaus verringert die Hemmung wichtiger physiologischer Prozesse wie den der Atmung die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Escape-Mutationen, was besonders wichtig ist, wenn Medikamente, die auf die Atmungskette abzielen, kombiniert werden.