Wenn schwarze Löcher erwachen
eRosita beobachtet, wie bisher unauffällige Galaxien plötzlich im Röntgenlicht leuchten
Quasare oder aktive galaktische Kerne (AGN) werden oft als die Leuchttürme des fernen Universums bezeichnet. In ihrem Zentrum verschluckt ein massereiches schwarzes Loch große Mengen an Material und leuchtet dabei bis zu tausendmal heller als eine Galaxie wie unserer Milchstraße. Doch anders als ein Leuchtturm strahlen die AGN kontinuierlich.
„In der eRosita-Himmelsdurchmusterung haben wir nun zwei bisher unauffällige Galaxien gefunden, deren Röntgenemission enorm groß ist und fast periodisch pulsiert“, sagt Riccardo Arcodia, Doktorand am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE), der Erstautor der jetzt im Fachjournal Nature veröffentlichten Studie. Diese Art von Objekten ist ziemlich neu: Nur zwei solcher Quellen waren bisher bekannt; beide wurden entweder zufällig oder in Archivdaten der letzten Jahre gefunden. „Diese neue Art von pulsierenden Quellen scheint besonders im Röntgenbereich auffällig zu sein. Deshalb haben wir uns entschlossen, eRosita gleichsam blind einzusetzen, anstatt gezielt zu suchen", so Arcodia. Bei der Datenanalyse seien dann sofort zwei weitere Quellen gefunden worden.
Das eRosita-Teleskop scannt derzeit den gesamten Himmel im Röntgenbereich ab. Der kontinuierliche Datenfluss ist gut geeignet, um veränderliche Ereignisse wie diese Eruptionen zu finden. Die beiden jetzt entdeckten Quellen zeigten innerhalb weniger Stunden eine Röntgenvariabilität mit hoher Amplitude, was durch Folgebeobachtungen mit den Röntgenteleskopen XMM-Newton und Nicer bestätigt wurde. Im Gegensatz zu den beiden bereits bekannten ähnlichen Objekten waren die von eRosita gefundenen galaktische Kerne bisher nicht aktiv.
„Es waren ganz durchschnittliche Galaxien mit einer recht kleinen Masse und inaktiven schwarzen Löchern“, sagt Andrea Merloni vom MPE, leitender Wissenschaftler bei eRosita. „Ohne diese plötzlichen, sich wiederholenden Röntgeneruptionen hätten wir sie ignoriert.“ Die Forschenden haben nun die Gelegenheit, die Umgebung der kleinsten super-massereichen schwarzen Löcher zu studieren. Diese haben 100.000- bis 10.000.000-fache Masse unserer Sonne.
Quasi-periodische Emissionen werden typischerweise mit Doppelsternsystemen in Verbindung gebracht. Wenn die Ausbrüche auch in diesem Fall durch die Anwesenheit eines umkreisenden Objekts ausgelöst werden, muss dessen Masse viel kleiner sein als die des schwarzen Lochs – in der Größenordnung eines Sterns oder eines weißen Zwerges, der bei jedem Umlauf durch die enormen Gezeitenkräfte in der Nähe des schwarzen Lochs teilweise auseinander gerissen werden könnte.
„Wir wissen immer noch nicht, was diese Röntgenausbrüche verursacht“, sagt Riccardo Arcodia. „Aber wir wissen, dass die Nachbarschaft des schwarzen Lochs bis vor kurzem ruhig war. Es braucht also keine bereits existierende Akkretionsscheibe, wie sie in aktiven Galaxien vorhanden ist, um diese Phänomene auszulösen.“ Zukünftige Röntgenbeobachtungen werden helfen, das Szenario eines um das schwarze Loch kreisenden Objektes einzuschränken oder auszuschließen und mögliche Änderungen der Umlaufzeit zu beobachten. Diese Art von Objekte könnten auch mit Gravitationswellen beobachtbar sein und neue Möglichkeiten der Multi-Messenger-Astrophysik eröffnen.