Zellulärer Stress fördert Entzündungen über Sphingosin-1-Phosphat
Der Sphingolipid-Metabolit Sphingosin-1-Phosphat aktiviert NOD-Rezeptoren bei Störungen der zellulären Homöostase
Ein Forschungsteam unter Leitung von Stefan H.E. Kaufmann am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie hat entdeckt, wie Veränderungen im zellulären Gleichgewicht die Zelle alarmieren. Die Forschenden konnten zeigen, dass zellulärer Stress die Bildung eines Sphingolipids stimuliert, das von intrazellulären mustererkennenden Rezeptoren erkannt wird und so Entzündungsreaktionen in Gang setzt. Die Vorgänge ähneln denen bei chronischen Entzündungskrankheiten wie entzündlichen Darmerkrankungen. Die Ergebnisse bieten tiefere Einsichten in die schädlichen Mechanismen bei chronischen entzündlichen Erkrankungen und zeigen mögliche Zielstrukturen für neue Behandlungsstrategien auf.
Bei chronischen Krankheiten sind verschiedene zelluläre Stressreaktionen mit Entzündungen verbunden. Die Gruppe von Stefan H.E. Kaufman hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen vom Friedrich-Loeffler-Institut und der Universität Hohenheim herausgefunden, dass mehrere Stressauslöser die Bildung des körpereigenen Metaboliten S1P erhöhen, der an NOD1/2-vermittelte Entzündungsreaktionen bindet und diese aktiviert.
Die NOD-Proteine sind intrazelluläre Mustererkennungsrezeptoren, die bakterielle Peptidoglykane erkennen, um angeborene Immunreaktionen zu aktivieren. Nachdem diese Rezeptoren ihre Liganden erkannt haben, stimulieren sie über eine komplexe Signalkaskade, die Expression entzündungsfördernder und antimikrobieller Gene. Werden die Proteine aktiviert, können sie die Expression entzündungsfördernder und antimikrobieller Gene stimulieren. Zusätzlich zu ihrer bekannten Rolle bei der Erkennung von Bakterien werden die NOD-Moleküle nicht nur durch verschiedene peptidoglykanfreie Viren und Parasiten aktiviert, sondern auch durch Störungen des Aktin-Skeletts und Stress im endoplasmatischen Retikulum. Ob diese Rezeptoren auch andere Arten von zellulärem Stress erkennen und wie sie durch diese Stimuli aktiviert werden, ist noch nicht bekannt.
Wie spüren die Zellen intrazellulären Stress auf?
„Um diese Fragen zu beantworten, haben wir genetisch modifizierte Zellen genutzt und so festgestellt, dass verschiedene Stressreize NOD-abhängige Entzündungsreaktionen auslösen“, sagt Gang Pei, Erstautor der Studie. Um den Mechanismus aufzuklären, hat das Team die Genaktivität analysiert und entdeckt, dass Schlüsselenzyme des Sphingolipid-Stoffwechselwegs durch verschiedene Stressoren aktiviert werden.
In der Tat war die Produktion von Sphingosin-1-Phosphat (S1P) im Zellinneren unter Stress deutlich erhöht. Daraufhin setzten sie pharmakologische Hemmstoffe des Sphingolipid-Signalwegs ein und identifizierten S1P als Aktivator der NOD-Moleküle. „Wir fanden heraus, dass S1P spezifisch und direkt an einer bestimmten Stelle des NOD-Proteins bindet“, sagt Anca Dorhoi, die jetzt am Friedrich-Loeffler-Institut forscht. Die Gabe von S1P in das Zellinnere löste eine NOD-abhängige entzündliche Reaktion aus. „Auf diese Weise haben wir die zentrale Rolle von S1P bei der Aktivierung von NOD-abhängigen Entzündungsreaktionen auf Störungen der zellulären Homöostase identifiziert“, sagt Thomas Kufer von der Universität Hohenheim.
Grundlage für neuartige Behandlung autoinflammatorischer Erkrankungen?
Dieser Befund enthüllt eine bisher unbekannte Rolle von NOD-Molekülen bei der Überwachung der zellulären Homöostase durch die Erkennung des zytosolischen Metaboliten S1P. Diese Art der Erkennung eines Sphingolipids durch NOD-Moleküle stellt ein Warnsignal für Infektionen dar, dass die NOD-Aktivierung durch peptidoglykanfreie Viren und Parasiten erklären könnte. „Sphingolipid-Werte sind bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen stark erhöht, und zahlreiche NOD-Mutationen stehen mit verschiedenen autoinflammatorischen Erkrankungen in Verbindung. Somit liefert unsere Forschung neue Einblicke in die Mechanismen der Entzündung, die mit chronisch entzündlichen Erkrankungen einhergehen. Die Erkennung des Sphingolipids S1P durch NOD-Rezeptoren könnte somit eine Zielstruktur für neuartige therapeutische Strategien darstellen“, erklärt Stefan Kaufmann, Seniorautor der Studie.