Eine heiße Super-Erde in der Nachbarschaft

An dem Himmelskörper lassen sich Atmosphärenmodelle von Gesteinsplaneten überprüfen

In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten haben Astronomen Tausende von Exoplaneten aus Gas, Eis und Gestein aufgespürt. Nur wenige von ihnen sind erdähnlich. Jetzt berichten Forschende um Trifon Trifonov vom Max-Planck-Institut für Astronomie von der Entdeckung einer heißen Super-Erde, die den 26 Lichtjahre entfernten roten Zwergstern Gliese 486 umkreist. Trotz seiner geringen Distanz zu seiner Muttersonne hat der als Gliese 486b bezeichnete Planet möglicherweise einen Teil seiner ursprünglichen Atmosphäre behalten. Daher eignet er sich besonders gut, um seine Gashülle und sein Inneres mit der kommenden Generation von weltraum- und bodengestützten Teleskopen zu untersuchen.

Mit ausgeklügelten Methoden gehen Astronomen heute auf die Jagd nach Planeten außerhalb des Sonnensystems. Dabei kombinieren die Forschenden verschiedene Beobachtungstechniken und bestimmen etwa Masse, Größe und Dichte. Aus diesen Parametern schließen sie auf die innere Zusammensetzung dieser Himmelskörper.

Eine noch größere Herausforderung besteht allerdings darin, die Atmosphären von erdähnlichen Exoplaneten zu untersuchen. Besonders bei Gesteinsplaneten wie der Erde besteht eine solche Gashülle nur aus einer dünnen Schicht – wenn sie denn überhaupt existiert. Zwar erarbeiten die Forschenden für Exoplaneten diverse theoretische Atmosphärenmodelle, viele lassen sich bisher aber in der Praxis durch Messungen nicht überprüfen.

Planetenatmosphären müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um sie mit Observatorien der nächsten Generation zu beobachten. In einer Entfernung von nur 26 Lichtjahren haben Wissenschaftler des CARMENES-Konsortiums nun einen Planeten gefunden, der den roten Zwergstern Gliese 486 umkreist und diese Anforderungen an Gesteinsplaneten perfekt erfüllt. Der neu entdeckte Planet mit der Bezeichnung Gliese 486b ist eine Super-Erde mit einer 2,8-mal so großen Masse wie die unseres Heimatplaneten; zudem ist er 30 Prozent größer als die Erde.

„Die Nähe dieses Exoplaneten ist spannend, weil wir ihn eines Tages mit leistungsstarken Teleskopen wie dem James Webb Space Telescope und dem Extremely Large Telescope genauer werden untersuchen können“, sagt Trifon Trifonov vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, der das Team leitete. Das James Webb Space Telescope soll dem Weltraumobservatorium Hubble nachfolgen und im Herbst dieses Jahres starten. Das in den chilenischen Anden im Bau befindliche Extremely Large Telescope wird nach seiner Fertigstellung in einigen Jahren mit einem Spiegeldurchmesser von gut 30 Metern das größte optische Fernrohr der Welt sein.

Gliese 486b umkreist sein Muttergestirn auf einer Kreisbahn innerhalb von 1,5 Tagen und in einem Abstand von 2,5 Millionen Kilometern. Weil eine Drehung um die eigene Achse ebenso lang dauert, wendet der Planet seiner Sonne stets dieselbe Seite zu – ähnlich wie der Mond der Erde. Obwohl der Stern Gliese 486 viel lichtschwächer und kühler als die Sonne ist, heizt er wegen der Nähe zu seinem Planeten dessen Oberfläche auf mindestens 430 Grad Celsius auf.

Daher ähnelt die Oberfläche von Gliese 486b wahrscheinlich jener der Venus, mit einer heißen und trockenen Landschaft, die von glühenden Lavaströmen durchzogen ist. Berechnungen zeigen außerdem, dass der Exoplanet eine ähnliche Zusammensetzung wie Venus und Erde besitzt, einschließlich eines metallischen Kerns. Und: Wer auf Gliese 486b steht, spürt eine Anziehungskraft, die rund 70 Prozent stärker ist als die auf unserem Heimatplaneten.

Im Gegensatz zur Venus hat Gliese 486b aber möglicherweise nur eine dünne Atmosphäre – oder gar keine. Modellrechnungen liefern beide Szenarien, da die planetaren Gashüllen unter der Einstrahlung von Sternen im Lauf der Zeit vielleicht verdampfen. Andererseits trägt die Schwerkraft des Planeten dazu bei, dass sie erhalten bleiben. Es ist schwierig, das Gleichgewicht zwischen diesen beiden genannten Faktoren zu bestimmen.

„Die Entdeckung von Gliese 486b war ein Glücksfall. Hundert Grad heißer, und die gesamte Oberfläche des Planeten wäre Lava. Seine Atmosphäre würde aus verdampftem Gestein bestehen“, sagt José A. Caballero vom Centro de Astrobiología (CSIC-INTA, Spanien) und Mitautor der in der Zeitschrift Science veröffentlichten Studie. „Wäre Gliese 486b hingegen hundert Grad kälter, wäre er für Folgebeobachtungen ungeeignet gewesen.“

Die zukünftigen Messungen, die dem CARMENES-Team vorschweben, nutzen die Bahnorientierung: Von der Erde aus gesehen, wandert Gliese 486b während seines Umlaufs vor der Oberfläche des Zentralsterns vorüber. Wann immer dies geschieht, schimmert ein winziger Bruchteil des Sternenlichts durch die dünne Hülle der Atmosphäre, bevor es die Erde erreicht.

Diese Tatsache kommt den Astronomen sehr entgegen. Denn die verschiedenen chemischen Verbindungen in der Gashülle des Planeten verschlucken das Licht bei bestimmten Wellenlängen und hinterlassen im Signal charakteristische Fingerabdrücke. Mittels Spektrografen spalten die Wissenschaftler das Licht nach Wellenlängen auf und suchen nach solchen Absorptionsmerkmalen, um daraus die Zusammensetzung und Dynamik der Atmosphäre abzuleiten. Diese Methode heißt Transitspektroskopie.

Ein zweites spektroskopisches Verfahren, die sogenannte Emissionsspektroskopie, kommt dann zum Zug, wenn Teile der beleuchteten Hemisphäre wie Mondphasen während des Umlaufs von Gliese 486b so lange sichtbar werden, bis er hinter dem Stern verschwindet. Das Spektrum enthält dann Informationen über die helle, heiße Planetenoberfläche.

„Wir können es kaum erwarten, bis die neuen Teleskope zur Verfügung stehen“, sagt Trifonov. „Die Ergebnisse werden uns dabei helfen zu verstehen, wie gut Gesteinsplaneten ihre Atmosphären halten können, woraus die Gashüllen bestehen und wie diese die Energieverteilung auf den Planeten beeinflussen.“

MN / HOR

 *************

 Sowohl Trifon Trifonov als auch José A. Caballero arbeiten im CARMENES-Projekt mit, dessen Konsortium elf Forschungseinrichtungen in Spanien und Deutschland umfasst. CARMENES steht dabei für „Calar Alto high-Resolution search for M dwarfs with Exoearths with Near-infrared and optical Échelle Spectrographs“. Ziel ist es, rund 350 rote Zwergsterne mit einem Spektrografen am 3,5-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto (Spanien) nach Anzeichen von massearmen Planeten zu untersuchen. Diese Studie beinhaltet zusätzliche spektroskopische Messungen, um Rückschlüsse auf die Masse von Gliese 486b zu ziehen. Die Forschenden haben Beobachtungen mit dem MAROON-X-Instrument am 8,1-Meter-Gemini-Nord-Teleskop (USA) vorgenommen und Archivdaten vom 10-Meter-Keck-Teleskop (USA) und dem 3,6-Meter-Teleskop der ESO (Chile) abgerufen.

 

Fotometrische Beobachtungen zur Ableitung der Planetengröße stammen unter anderem von der TESS-Sonde (Transiting Exoplanet Survey Satellite) der NASA (USA), dem MuSCAT2-Instrument (Multicolour Simultaneous Camera for studying Atmospheres of Transiting exoplanets 2) am 1,52-m-Telescopio Carlos Sánchez am Observatorio del Teide (Spanien) und dem LCOGT (Las Cumbres Observatory Global Telescope).

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht