Smarte hauchdünne Nanoblätter fischen Proteine

Schneller und einfacher zu hochaufgelösten dreidimensionalen elektronenmikroskopischen Bildern von Biomolekülen

20. Juli 2020

Eine Art Köder, um gezielt Proteinkomplexe aus Mischungen fischen zu können, hat ein interdisziplinäres Team aus Frankfurt am Main und Jena entwickelt. Dank dieses „Köders“ ist das gewünschte Protein wesentlich schneller für die weitere Untersuchung im Elektronenmikroskop verfügbar. Die dazu verwendete neuartige Schicht aus hauchdünnem molekularen Kohlenstoff taufte das Forschungsteam „smartes Nanoblatt“. Mit Hilfe der Neuentwicklung lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.

„Mit unserem Verfahren lassen sich innerhalb einer Woche neuartige Proteine aus Mischungen isolieren und charakterisieren“, erklärt Daniel Rhinow vom Max-Planck-Institut für Biophysik. „Bisher war alleine die Isolierung der reinen Proteine oft Teil einer mehrjährigen Doktorarbeit." Zusammen mit Andreas Terfort von der Goethe-Universität Frankfurt und Andrey Turchanin von der Friedrich-Schiller-Universität Jena entstand vor einigen Jahren die Idee, die gewünschten Proteine direkt aus Mischungen herauszufischen, indem man ein Nanoblatt mit Erkennungsstellen ausrüstet, an die das Zielprotein selektiv bindet. Nun ist es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen, Proteine dank eines „smarten Nanoblatts“ umgehend für eine Untersuchung im Kryo-Elektronenmikroskop zugänglich zu machen.

Die Kryo-Elektronenmikroskopie basiert auf dem Schockgefrieren einer Probe bei Temperaturen unter minus 150 Grad Celsius. Dabei behält das Protein seine Struktur, störende Fixierungs- oder Färbemittel sind nicht nötig und die Elektronen können das vereiste Objekt leicht durchstrahlen. Es entstehen hochaufgelöste dreidimensionale Aufnahmen kleinster Strukturen - etwa von Viren und Desoxyribonukleinsäure (DNA), fast bis hinab zur Dimension eines Wasserstoffatoms. 

Zur Vorbereitung werden die Proteine in einer äußerst dünnen Wasserschicht auf einem winzigen Metallnetz schockgefroren. Bislang mussten die Proben vor einer elektronenmikroskopischen Untersuchung aufwendig und oft unter großen Verlusten gereinigt werden. Nur wenn lediglich eine Sorte von Proteinen in der Wasserschicht gebunden ist, ist die elektronenmikroskopische Untersuchung erfolgreich.

Die Gruppe um Turchanin setzt nun Nanoblätter ein, die lediglich einen Nanometer dünn sind und aus einer vernetzten molekularen selbst-organisierenden Monoschicht bestehen. Dieses Nanoblatt versieht Terforts Arbeitsgruppe mit einem Gelbildner als Grundlage für den zum Gefrieren notwendigen dünnen Wasserfilm. Daran binden die Forscher eine Erkennungsgruppe (eine spezielle Nitriloessigsäure-Verbindung mit Nickelionen). Das Team um Rhinow nutzt die so präparierten „smarten Nanoblätter“, um gezielt Proteine aus einer Mischung zu fischen. Sie wurden vorab mit einer Histidin-Kette markiert, mit der sie an die Erkennungsgruppe binden; alle anderen störenden Teilchen lassen sich abspülen. Das Nanoblatt mit dem gebundenen Protein kann anschließend direkt mit dem Elektronenmikroskop untersucht werden.

„Diese smarten Nanoblätter sind besonders leistungsfähig, weil die Hydrogelschicht den notwendigen dünnen Wasserfilm stabilisiert und gleichzeitig die unspezifische Bindung störender Teilchen unterdrückt,“ erklärt Julian Scherr von der Goethe-Universität. „Damit kann die molekulare Strukturbiologie nun viel schneller Proteinstrukturen und -funktionen erforschen“. Mit daraus gewonnenen Erkenntnissen lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen. 

Das Team hat sich die neuen Nanoblätter patentieren lassen und einen Hersteller gefunden, der dieses hilfreiche Werkzeug auf den Markt bringen wird.

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