Teilchenbeschleunigung über Tausende von Lichtjahren

H.E.S.S.-Beobachtungen zeigen den Jet von Centaurus A als ausgedehnte Quelle sehr hochenergetischen Gammalichts

Eine internationale Kollaboration von mehr als 200 Wissenschaftlern aus 13 Ländern hat gezeigt, dass die von Radiogalaxien ausgehende Emission sehr hochenergetischer Gammastrahlung nicht auf die Region nahe dem zentralen schwarzen Loch konzentriert ist, sondern sich über mehrere Tausend Lichtjahre entlang von Plasmajets erstreckt. Dies erschüttert das bisherige Verständnis maximal erreichbarer Energien bei derartiger Teilchenbeschleunigung. Die in der Zeitschrift Nature publizierte Arbeit wurde als Teil der H.E.S.S-Kollaboration durchgeführt, an der insbesondere die Max-Planck-Gesellschaft, Forschungsstätten und Universitäten in Deutschland sowie CNRS und CEA in Frankreich beteiligt sind.

Während der vergangenen Jahre haben Wissenschaftler das Universum mittels Gammastrahlung – das sind sehr hochenergetischen Photonen – beobachtet. Diese stammen aus Regionen, wo Elektronen auf extrem hohe Energien beschleunigt werden, wie sie irdische Anlagen nicht erreichen. Eine Reihe kosmische Beschleuniger, wie supermassive schwarze Löcher im Zentrum bestimmter Galaxien, die Materie aus ihrer Umgebung einsammeln und einen Teil davon in Plasmajets ausschleudern, erzeugen energiereiche Photonen in Form von Röntgen- und Gammastrahlung.

Die Intensität der aus diesen Systemen emittierten Strahlung kann innerhalb sehr kurzer Zeiten (bis zu einer Minute) variieren, was einen Ursprung nahe dem zentralen schwarzen Loch nahelegt. Zudem haben  Wissenschaftlern die Emission von Röntgenstrahlung in diesen Jets kontrovers diskutiert, wobei ein Szenario die Beschleunigung von Elektronen auf extrem hohe Energien (50 TeV) erfordert. Da Elektronen innerhalb solcher Jets rasch ihre Energie verlieren, bedürfen sie einer kontinuierlichen Energiezufuhr, um entlang des gesamten Jets mit hohen Energien aufzutreten.

Mit dem H.E.S.S.-Observatorium in Namibia hat eine internationale Kollaboration die Galaxie Centaurus A, die im Bereich von Radiowellen besonders leuchtkräftig ist, insgesamt mehr als 200 Stunden mit einer einmalig hohen Auflösung beobachtet. Als die der Erde am nächsten gelegene Radiogalaxie erlaubte es Centaurus A den H.E.S.S.-Wissenschaftlern, die Region sehr hochenergetischer Strahlungsemission zu identifizieren und zugleich den Verlauf der Plasmajets zu untersuchen. Auf Basis einer umfangreichen Analyse durch Gruppen in Innsbruck und Paris fanden die Forschenden heraus, dass sich die Quelle der Gammastrahlung über einen Bereich von mehreren Tausend Lichtjahren erststreckt. Anhand dieser ausgedehnten Emission konnten wiederum die Teams in Heidelberg und Berlin nachweisen, dass die Teilchenbeschleunigung nicht allein in der Umgebung des schwarzen Lochs geschieht, sondern auch auf der gesamten Länge des Plasmajets.

Die neuen Resultate lassen vermuten, dass sich entlang des Jets eine kontinuierliche Beschleunigung abspielt. Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass viele Radiogalaxien mit ausgedehnten Jets effizient Teilchen auf extrem hohe Energien beschleunigen können. Dies wiederum liefert entscheidende Informationen für die Debatte um den Ursprung der Röntgenstrahlung. „Diese Entdeckung revolutioniert unser Bild der großskaligen Jets und bringt unser Verständnis der kosmischen Teilchenbeschleunigung einen großen Schritt vorwärts", sagt H.E.S.S.-Wissenschaftler Frank Rieger vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik, einer der korrespondierenden Autoren der Publikation in der Zeitschrift Nature. Es sei zutiefst befriedigend zu sehen, wie sich langfristige Beobachtungsbemühungen auszahlen. "Und es ist zugleich immer wieder erstaunlich, wie uns nahe Freunde überraschen können, wenn wir sie in einem anderen Licht betrachten.“

Die Ergebnisse dieser Studie erforderten umfangreiche Beobachtungen und optimierte Analysetechniken mit dem derzeit höchstempfindlichen Observatorium für Gammastrahlung. Die nächste Teleskop-Generation (Cherenkov Telescope Array, CTA) wird es ohne Zweifel erlauben, diese Phänomene noch viel detaillierter zu untersuchen.

GH / HOR

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Das H.E.S.S. International Observatory in Namibia besteht aus fünf Teleskopen und umfasst Institutionen aus 13 Ländern: hauptsächlich Deutschland und Frankreich, sowie Namibia, Südafrika, Irland, Armenien, Polen, Australien, Österreich, Schweden, das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Japan.


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