Röntgenspäher liefert erste Bilder
Beobachtungen mit eRosita versprechen einen Durchbruch beim Verständnis des energiereichen Universums
Die Wissenschaftler sind begeistert: Die ersten Bilder des im Juli gestarteten Teleskops eRosita verraten eine beeindruckende Leistung. Nach einer verlängerten Inbetriebnahme beobachten seit dem 13. Oktober alle sieben Module des Röntgenspähers gleichzeitig den Himmel mit ihren maßgeschneiderten CCD-Kameras. Die ersten zusammengesetzten Aufnahmen zeigen unsere Nachbargalaxie, die Große Magellansche Wolke, und zwei wechselwirkende Galaxienhaufen in einer Entfernung von etwa 800 Millionen Lichtjahren mit bemerkenswerten Details.

Ferne Nebel: Diese beiden eRosita-Bilder zeigen die wechselwirkenden Galaxienhaufen A3391 und A3395 und demonstrieren die hervorragende Sicht des Teleskops auf das ferne Universum. Die rund 800 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernten Galaxienhaufen wurden mit allen sieben eRosita-Spiegelmodulen am 17. Und 18. Oktober 2019 beobachtet. Die Forscher haben die einzelnen Bilder verschiedener Analysetechniken unterzogen und dann unterschiedlich eingefärbt, um Strukturen hervorzuheben. Im linken Bild beziehen sich die Farben Rot, Grün und Blau auf die drei verschiedenen Energiebänder von eRosita. Man sieht die beiden Haufen deutlich als neblige Strukturen, bei denen das Millionen Grad heiße Gas im Raum zwischen den Galaxien hell im Röntgenlicht leuchtet. Das rechte Bild hebt die „Brücke“ zwischen den beiden Haufen hervor und bestätigt den Verdacht, dass diese beiden riesigen Strukturen tatsächlich dynamisch interagieren. Die Beobachtungen zeigen auch Hunderte von punktförmigen Quellen, die entweder entfernte supermassive schwarze Löcher oder heiße Sterne in der Milchstraße markieren.
„Jetzt ernten wir die Früchte von mehr als zehn Jahren Arbeit. Wir alle sind beeindruckt von den wunderschönen ersten Bildern unseres Teleskops“, sagt eRosita-Projektleiter Peter Predehl vom Garchinger Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Dort wurden die Aufnahmen am 22. Oktober der Öffentlichkeit präsentiert. „Um unsere wissenschaftlichen Ziele zu erreichen, brauchen wir eine hohe Empfindlichkeit. Denn nur so können wir auch weit entfernte Galaxienhaufen im Röntgenuniversum entdecken und im Detail darstellen“, so Predehl.
Nach den Worten des Max-Planck-Wissenschaftlers zeigen diese ersten Bilder, dass sich die gesteckten Erwartungen erfüllen werden. Aber die Forscher wollen noch viel mehr. Dazu Predehl: „Die CCD-Kameras sind auf dem neuesten Stand der Technik und bieten eine hervorragende Kombination aus spektraler und zeitlicher Auflösung. Das Potenzial für neue Entdeckungen ist immens.“
Die Astronomen haben die ersten eRosita-Bilder aus einer Reihe von Aufnahmen aller sieben Teleskopmodule erstellt. Dabei betrug die kombinierte Integrationszeit etwa einen Tag – sowohl für die Große Magellansche Wolke (LMC), als auch für das rund 800 Millionen Lichtjahre entfernte System A3391/3395 mit zwei interagierenden Galaxienhaufen.
In unserer Nachbargalaxie, der LMC, zeigt eRosita nicht nur die Verteilung des diffusen, heißen Gases, sondern auch viele bemerkenswerte Details wie die Überreste von Supernova-Explosionen mit und ohne pulsierendem Neutronenstern im Zentrum. So bestätigen die Beobachtungen etwa, dass die Supernova SN 1987A langsam schwächer wird, während sich die Schockwelle der Sternexplosion, welche die Astronomen im Jahr 1987 beobachtet hatten, immer weiter im interstellaren Medium ausdehnt.
Neben vielen anderen heißen Objekten in der Großen Magellanschen Wolke zeigt das eRosita-Bild auch einige Vordergrundsterne aus unserer eigenen Milchstraße sowie weit entfernte aktive Galaxienkerne (AGNs), die durch die diffuse Emission des heißen Gases in unserer Nachbargalaxie hindurchscheinen.

Nachbar im All: Dieses Bild zeigt die Große Magellansche Wolke (LMC), beobachtet in mehreren Einzelaufnahmen mit allen sieben eRosita-Teleskopmodulen am 18. und 19. Oktober 2019. Die diffuse Emission stammt von dem heißen Gas zwischen den Sternen der Galaxie. Die kompakten, nebulösen Strukturen im Bild sind hauptsächlich Supernova-Überreste – Gasatmosphären, die am Lebensende eines massereichen Sterns in einer riesigen Explosion ausgestoßen wurden. Die prominenteste Supernova, SN1987A, befindet sich ungefähr in der Bildmitte als sehr helle Struktur. Eine Vielzahl weiterer Quellen in der LMC sind unter anderem Röntgendoppelsterne oder Sternhaufen mit sehr massereichen jungen Sternen mit bis zu 100 Sonnenmassen und mehr. Daneben sind auch viele Punktquellen zu sehen, entweder Vordergrundsterne aus unserer Heimatgalaxie oder weit entfernte aktive galaktische Kerne.
„Röntgenstrahlen erlauben uns einen einzigartigen Blick auf das Universum“, sagt Kirpal Nandra, Direktor für Hochenergieastrophysik am Garchinger Max-Planck-Institut. „Betrachtet man einen scheinbar normalen Stern, so sehen wir im Röntgenlicht möglicherweise einen umkreisenden Weißen Zwerg oder Neutronenstern, der gerade dabei ist, seinen Begleiter zu verschlingen.“ Im sichtbaren Licht erscheine die Struktur einer Galaxie mit ihren Sternen, während die Röntgenstrahlen von supermassereichen schwarzen Löchern dominiert würden, die in deren Zentren wachsen.
Und wo optische Teleskope einen Haufen von Galaxien zeigten, offenbarten Röntgenstrahlen die riesigen Gasreservoire, die den Raum dazwischen ausfüllen und der Struktur der Dunklen Materie folgen. „Mit der jetzt demonstrierten Leistung können wir sicher sein, dass eRosita zu einem Durchbruch in unserem Verständnis der Entwicklung des energiereichen Alls führen wird“, so Nandra.
Das eRosita-Bild der beiden interagierenden Galaxienhaufen A3391 und A3395 macht die dynamischen Prozesse deutlich, die zur Entstehung gigantischer Strukturen im Universum führen. Die beiden Haufen, die in den Aufnahmen als große, elliptische Nebel erscheinen, erstrecken sich über viele Millionen Lichtjahre und enthalten jeweils Tausende von Galaxien. Solche Galaxienhaufen sind eines der wissenschaftlichen Hauptziele für eRosita. Die Astronomen nehmen an, dass das Teleskop bei seiner vierjährigen Himmelsdurchmusterung im weichen und harten Röntgenbereich rund 100.000 Galaxienhaufen sowie mehrere Millionen aktive schwarze Löcher in den Zentren der Galaxien finden wird.
„Ein Traum ist für uns wahr geworden. Wir wissen jetzt, dass eRosita die Erwartungen erfüllen wird und eine Karte des gesamten Röntgenhimmels erstellen kann – so detailliert wie nie zuvor“, sagt eRosita-Projektwissenschaftler Andrea Merloni. „Neben so schönen Bildern, wie wir sie heute zeigen, werden die Astronomen auf Jahre hinaus unsere Kataloge nutzen, um Millionen von exotischen Objekten wie schwarze Löcher, Galaxienhaufen, Neutronensterne, Supernovae und aktive Sterne zu analysieren.“
Gestartet am 13. Juli 2019 im Rahmen der russisch-deutschen Raumfahrtmission Spektrum-Roentgen-Gamma (SRG), zu der auch das russische ART-XC-Teleskop gehört, absolvierte eRosita bis Ende September seine 1,5 Millionen Kilometer lange Reise zum zweiten Lagrange-Punkt (L2) des Erde-Sonne-Systems und trat 100 Tage nach dem Start in eine Umlaufbahn um L2 ein. Die Inbetriebnahme des Teleskops wurde am 13. Oktober offiziell abgeschlossen.
Doch auch wenn die wissenschaftliche Leistung des Systems hervorragend ist, verlief diese erste Phase nicht ohne Probleme. „Die Inbetriebnahme dauerte länger als erwartet, nachdem wir einige Anomalien in der elektronischen Steuerung der Kameras festgestellt hatten“, sagt Peter Predehl. „Eine sorgfältige Analyse ergab jedoch, dass die Probleme nicht kritisch sind. Wir arbeiten weiter daran, aber in der Zwischenzeit kann das Programm normal fortgeführt werden.“
Das Teleskop ist nun in die „Phase der Kalibrierung und Leistungsüberwachung“ eingetreten, in welcher die Forscher bereits astronomische Beobachtungen ausführen. Damit wollen sie das Instrument besser verstehen und sein Potenzial überprüfen. Am Ende dieser Phase und nach einer abschließenden Prüfung sollen dann SRG und eRosita mit ihrer Hauptaufgabe beginnen: der vollständigen Himmelsdurchmusterung über vier Jahre hinweg.
HAE / HOR
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Entwicklung und Bau des Röntgenteleskops eRosita wurde vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) geleitet mit Beiträgen des Instituts für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen, des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP), des Universitätsobservatoriums Hamburg und der Dr. Karl Remeis-Sternwarte Bamberg mit Unterstützung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Ludwig-Maximilians-Universität München und das Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn sind zudem an der Vorbereitung der Wissenschaft mit eRosita beteiligt. Das russische Partner-Institut ist das Space Research Institute IKI, Moskau. Technisch verantwortlich für die gesamte Mission ist die Firma NPOL, Lavochkin Association, in Khimky bei Moskau, wobei SRG ein gemeinsames Projekt der russischen und deutschen Raumfahrtagenturen, Roskosmos und DLR, ist.