Phase-2-Studie für Impfstoff gegen Tuberkulose hat begonnen

In der klinischen Studie erhalten HIV-exponierte Säuglinge den Impfstoff-Kandidaten VPM1002

8. Juli 2015

Mit der Aufnahme des ersten Säuglings startet jetzt eine klinische Phase-2-Studie für den neuen Tuberkulose-Impfstoff VPM1002. Dieser neueste Tuberkulose-Impfstoff in der klinischen Entwicklung soll dazu beitragen, die Ausbreitung der lebensbedrohlichen Tuberkulose nicht nur in endemischen Gebieten, sondern auch in Europa einzudämmen. VPM1002 wurde von Wissenschaftlern der Max-Planck-Gesellschaft und der in Hannover ansässigen Vakzine Projekt Management GmbH, einer Ausgliederung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung, gemeinsam entwickelt.

Der Impfstoffkandidat VPM1002 ist vor kurzem an das Serum Institute of India auslizenziert worden, dem nach Anzahl der verkauften Dosen weltgrößten Impfstoffhersteller. Das Unternehmen hat VPM1002 in Zusammenarbeit mit der Vakzine Projekt Management GmbH (VPM) weiterentwickelt. Adar C. Poonawalla, CEO und Executive Director des Serum Institute of India, erläutert: „Die Tuberkulose bleibt nach wie vor eines der größten Gesundheitsprobleme. Nur ein neuer und wirksamerer Impfstoff kann helfen, die Ausbreitung behandlungsresistenten Tuberkulose einzudämmen und so jedes Jahr das Leben von Millionen von Menschen retten. Wir freuen uns über diesen Studienstart. Er ist ein weiterer Schritt in unseren Bemühungen, bestehende Impfstoffe kontinuierlich zu verbessern und neue, sichere und kostengünstige Impfstoffe, speziell gegen Tuberkulose, herzustellen. Diese Zielrichtung liegt auch unseren Plänen zugrunde, große klinische Studien mit VPM1002 zu initiieren, mit denen wir die Herausforderungen der chronischen Tuberkulose bei Erwachsenen angehen.”

Stefan H. E. Kaufmann, Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie und maßgeblich für das wissenschaftliche Konzept von VPM1002 verantwortlich, ergänzt: „Seit Jahrzehnten ist der Impfstoff BCG der am häufigsten eingesetzte Impfstoff. Er schützt zwar vor bestimmten Tuberkuloseformen, aber seine Schutzwirkung reicht nicht aus. Besorgniserregend ist auch, dass bei HIV-infizierten Neugeborenen häufig schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, die möglicherweise mit BCG im Zusammenhang stehen. BCG stellt zudem für Säuglinge mit einer angeborenen Immunschwäche ein hohes Risiko dar.” Das Ziel ist es daher laut Kaufmann, „mit VPM1002 das Wirkpotenzial von BCG weiter zu verbessern und somit einen sichereren und effizienteren Impfstoff für den erfolgreichen Kampf gegen Tuberkulose einsetzen zu können.”

VPM1002 wurde auf der Grundlage eines früheren Tuberkuloseimpfstoffes mit der Bezeichnung BCG – Bacillus Calmette–Guérin – entwickelt, der 1921 eingeführt wurde und mit dem seitdem jedes Jahr Millionen Säuglinge in Regionen geimpft werden, in denen die Tuberkulose weit verbreitet ist. VPM1002 zeichnet gegenüber BCG aus, dass der Impfstoff durch zielgerichtete gentechnische Modifikationen einen wirksameren und sichereren Tuberkuloseschutz bietet.

„Der neue Impfstoff hat bereits im Rahmen der klinischen Phase-1-Studien in Europa und Afrika seine bessere Verträglichkeit und seine gezieltere Immunreaktion im Vergleich zum klassischen Impfstoff BCG unter Beweis gestellt – ein ermutigendes Signal für die stärkere Wirksamkeit. Diese vielversprechenden Ergebnisse haben sich auch in einer nachfolgenden Phase-2a-Studie bei Neugeborenen, unserer eigentlichen Zielgruppe, bestätigt”, so Bernd Eisele, CEO von VPM. „Die Aufnahme des ersten Säuglings in die laufende klinische Phase-2-Studie mit HIV-exponierten Säuglingen, also Säuglingen, die am stärksten auf einen besseren und sichereren Impfstoff angewiesen sind, stellt einen enormen Erfolg dar. Wir rücken damit unserem Ziel einen Schritt näher, den neuen Impfstoff bis zum Ende dieses Jahrzehnts in ein globales Aktionsprogramm gegen Tuberkulose aufnehmen zu können.”

Die derzeit in Südafrika – einem Tuberkulose-Brennpunkt – laufende klinische Phase-2-Studie wurde im Juni gestartet. Sie ist die erste Studie mit diesem Impfstoff bei HIV-exponierten Säuglingen, die nach einer Impfung mit dem üblichen BCG-Impfstoff in besonderem Maße unter schwerwiegenden Ereignissen leiden können und deshalb dringend auf einen sichereren und wirksameren Impfstoff angewiesen sind. Für die Studienleiter Mark Cotton und Anneke Hesseling von der Universität Stellenbosch und vom Desmond Tutu Tuberculosis Center, Angelique Luabeya von der South African Tuberculosis Vaccine Initiative und Shabir Madhi von der Respiratory and Meningeal Pathogens Research Unit ist diese Studie mit VPM1002 ebenfalls ein entscheidender Meilenstein in ihrem weltweiten Kampf gegen die tödliche Bedrohung Tuberkulose – eine Krankheit, von der heute mehr als zwei Milliarden Menschen betroffen sind.

Leander Grode, früherer Forschungsmitarbeiter von Kaufmann und Miterfinder, inzwischen Chief Scientific Officer der Vakzine Projekt Management GmbH, war maßgeblich an der Entwicklung von VPM1002 beteiligt. „Wir haben den ursprünglichen Impfstoff so verändern können, dass er das Immunsystem jetzt besser aktiviert und so einen stärkeren Schutz und eine größere Sicherheit gegen den Tuberkuloseerreger bietet”, erläutert Grode.

SK/BE/HR

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