Abell 4067 zeigt die Kollision zweier Galaxienhaufen
Max-Planck-Forscher beobachten im Röntgenlicht, wie sich die beiden Systeme durchdringen
Galaxienhaufen sind die größten Bausteine des Universums, und sie wachsen immer noch weiter – vor allem durch Kollisionen mit anderen Haufen. Neben hunderten oder tausenden von Galaxien enthalten diese Objekte auch heißes Gas, das hochenergetische Röntgenstrahlung aussendet; diese Strahlung bildet die Struktur der riesigen Systeme perfekt ab. „Röntgenbeobachtungen bieten die besten Einblicke“, sagt denn auch Hans Böhringer, leitender Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik.
Mittlerweile haben die Forscher hunderte Galaxienhaufen mit den modernen Röntgenteleskopen auf Satelliten der Raumfahrtagenturen ESA (XMM-Newton) und NASA (Chandra) beobachtet. „Ungefähr in einem von 20 oder 30 Systemen finden wir klare Beweise dafür, dass diese Galaxienhaufen derzeit eine Verschmelzung erleben“, sagt Böhringer. Allerdings ergab keine der bisherigen Beobachtungen ein derart interessantes Bild einer Fusion, wie es die neuen Daten von Abell 4067 liefern.
Dieses auch RXCJ2359.5-6042 genannte Objekt hatten die Forscher bereits in den 1990er-Jahren gefunden. Es war ihnen bei einer systematischen Suche am Südhimmel der ROSAT-Himmelsdurchmusterung im Röntgenbereich ins Netz gegangen. Neue, detailliertere Röntgenbeobachtungen von Hans Böhringer und seinem Institutskollegen Gayoung Chon zeigten, dass RXCJ2359.5-6042 – der sich in einem Abstand von 1,35 Milliarden Lichtjahren befinden – Anzeichen einer Verschmelzung von einem kleinen, kompakten Haufen mit einem großen, weniger dichten System aufweist.
Der große, ausgedehntere und weniger dichte Haufen zeigt sich in der schwächeren Röntgenemission, die sich hauptsächlich in Nord-Süd-Richtung erstreckt. Eingebettet in diesen Haufen ist eine sehr kompakte Röntgenquelle mit einem Schweif durch den Haufen hindurch. „Das kann als Überbleibsel eines kleinen, dichten Galaxienhaufens interpretiert werden, der in den größeren Haupthaufen gefallen ist“, sagt Chon.
Die sehr helle Quelle ist eindeutig ausgedehnt, und ihr Röntgenspektrum stimmt mit relativ kühlem Gas bei einer Temperatur von weniger als 20 Millionen Grad (etwa 1,5 keV) überein. Demgegenüber hat das Gas des Haupthaufens eine Temperatur von rund 40 Millionen Grad (rund 3,5 keV).
Beim Eindringen des kleineren Systems in das größere wurde die äußere Gashülle abgestreift und in die Länge gezogen; die äußeren Bereiche haben sich zum Teil bereits mit dem Gas des Haupthaufens vermischt. Der kompakte, kühle Kern des einfallenden Systems – ursprünglich das Zentrum des kleinen Galaxienhaufens – hat die Kollision aber bisher überlebt. Diese Interpretation der Röntgendaten wird auch durch optische Aufnahmen gestützt: Auf ihnen ist eine große Galaxie in der Mitte des kompakten Überrests zu sehen , wie man sie bei der Mehrheit aller Galaxienhaufen findet.
„Wir können den Prozess der Verschmelzung hier sehr deutlich beobachten, da die Kollision fast in der Himmelsebene passiert. Das heißt, wir sehen das System frontal“, sagt Chon. Die Forscher glauben sogar, das wahrscheinliche Schicksal dieser Verschmelzung in den nächsten Milliarden Jahren vorhersagen zu können: Demnach sollte sich das Gas im Schweif mit dem Gas des Haupthaufens vermischen. Der kühle Kern wird schließlich durch die Schwerkraft zur Mitte des Gesamtsystems wandern, um dort das Zentrum eines noch massereicheren Galaxienhaufens zu bilden.
Weitere Einsichten dazu, wie die äußeren Bereiche des einfallenden Haufens abgestreift werden und wie sich das Gas aus den beiden Komponenten mischt, erhoffen Chon und Böhringer von deutlich detaillierteren Beobachtungen dieses Objekts, wofür ihnen bereits Zeit mit dem XMM-Newton-Observatorium gewährt wurde. Ein besseres Verständnis der Prozesse in diesem leicht durchschaubaren System wird dazu beitragen, das Wachstum von Galaxienhaufen im Allgemeinen besser zu verstehen.
HAE / HOR