Klimaschutz ist den Menschen nicht viel wert
Ohne weitere Anreize wird egoistisches Verhalten weiterhin dominieren
Menschen sind schlecht darin, gemeinsame Risiken in den Griff zu bekommen. Der Klimawandel ist ein gutes Beispiel dafür: Die jährlichen Klimagipfel haben bislang nicht zu konkreten Maßnahmen geführt. Grund dafür ist, dass Menschen eine sofortige materielle Belohnung als wertvoller ansehen als Investitionen in die Lebensqualität der Zukunft. Kooperatives Verhalten beim Klimaschutz muss deshalb stärker mit kurzfristigen Anreizen wie Belohnung oder gutem Ansehen verknüpft werden.
Hätten Sie lieber 40 Euro oder würden Sie lieber das Klima retten? Die Antwort auf solch eine plakative Frage ist für den gesunden Menschenverstand klar: „Klimawandel stoppen!“. Wir sind schließlich informierte Individuen, die zum Wohle der Gemeinschaft und vor allem zum Wohle der nachfolgenden Generationen handeln. Zumindest denken wir das gern von uns.
Leider funktionieren wir in Wahrheit etwas anders. Sofortige Belohnungen lassen unser Gehirn jubeln, und wenn eine solche winkt, verhalten wir uns auch gerne kooperativ. Aber wenn das Erreichen eines gemeinsamen Ziels erst in ein paar Wochen vergütet wird, sind wir etwas weniger euphorisch und weniger kooperativ. Und falls anstatt Geld ein Vorteil für zukünftige Generationen in Aussicht gestellt wird, erlahmt unsere Bereitschaft zum fairen Handeln noch mehr.
Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie hat gezeigt, wie schlecht wir mit kollektiven Risiken umgehen. „Unser Experiment baut auf einem Essay auf, den der Ökonomie-Nobelpreisträger Thomas Schelling bereits im Jahr 1995 verfasst hat“, erklärt Milinski. Darin stellt Schelling fest, dass die heutige Generation die Anstrengungen zum Klimaschutz aufbringen müsste, während künftige Generationen den Nutzen daraus ziehen würden. Die Motivation der heutigen Akteure, tatsächlich etwas zu unternehmen, sei daher gering. Hält diese düstere Theorie der experimentellen Überprüfung stand?
Um das herauszufinden, mussten die Wissenschaftler dieses Problem in eine einfache experimentelle Situation übertragen. Sie ließen die Teilnehmer ein modifiziertes „Public-Goods-Game“ spielen. Solche Spiele sind in der Verhaltensökonomie sehr verbreitet und laufen immer nach dem gleichen Schema ab. Die Teilnehmer erhalten einen gewissen Geldbetrag und werden aufgefordert, über mehrere Runden verteilt einen Teil davon zu spenden. Das gespendete Geld wird verdoppelt und davon an alle der gleiche Betrag ausgezahlt. Alles, was nicht gespendet wurde, fließt sofort in die eigene Tasche. Das gewinnbringendste Verhalten bei solchen Spielen ist, gar nichts einzuzahlen und nur am Altruismus der anderen zu verdienen.
Um das Abwenden des drohenden Klimawandels in das Spiel einzubauen, modifizierten die Wissenschaftler die Rahmenbedingungen. Jeder Spieler erhielt ein Anfangskapital von 40 Euro und konnte über zehn Runden hinweg entscheiden, wie viel davon er behalten oder spenden wollte. Das gespendete Geld wurde in eine Anzeigenkampagne über den Klimawandel investiert und stellte somit eine simulierte Investition in den Klimaschutz dar. Außerdem gab es Bonuszahlungen: Die Gruppen, die mehr als die Hälfte ihres Gesamtkapitals spendeten, konnten den Klimawandel symbolisch abwenden und erhielten zusätzlich 45 Euro pro Teilnehmer ausgezahlt. Spendete die Gruppe weniger, verloren alle Spieler ihr Vermögen mit 90 prozentiger Wahrscheinlichkeit.
Dass man von der Rettung des Klimas erst in der Zukunft profitiert, wurde durch drei verschiedene Szenarien simuliert. Spielern von erfolgreichen Gruppen wurde ihr Vermögen entweder am Tag nach dem Experiment ausgezahlt (Szenario 1) oder sieben Wochen später (Szenario 2). In Szenario 3 wurde den Spielern ihr Vermögen gar nicht ausgezahlt, sondern in die Pflanzung von Eichen und somit in den Klimaschutz investiert. Die Bäume absorbieren im Laufe ihres Lebens Kohlendioxid aus der Atmosphäre, und ihr Holz dient späteren Generationen als wertvoller Baustoff.
Doch von den elf Gruppen, denen das Pflanzen von Eichenbäumen in Aussicht gestellt worden war, erreichte keine einzige das Spendenziel. Durchschnittlich flossen statt der anvisierten 120 Euro nur 57 Euro auf das Klimakonto. Das ist weniger als die Hälfte des angepeilten Betrags. Im ersten Szenario waren sieben von zehn Gruppen erfolgreich, die Teilnehmer spendeten durchschnittlich 108 Euro, und die Mitspieler des zweiten Szenarios immerhin noch 83 Euro (vier von zehn Gruppen waren erfolgreich). „Das Ergebnis unseres Experiments zeichnet ein düsteres Bild von der Zukunft“, fasst Milinski zusammen. „Leider konnten wir Schellings Voraussage bestätigen, es ist ein Desaster.“
Der Klimawandel ist das größte Public-Goods-Game, das je gespielt worden ist: Die gesamte Menschheit macht mit. Das Problem ist, dass wir zwar jetzt einzahlen, der Nutzen unserer Anstrengungen aber erst sehr viel später eintritt und über die gesamte Menschheit verteilt wird. Wir selbst oder unsere Kinder werden also nur zu einem kleinen Anteil davon profitieren, dass wir uns heute in unserem Leben einschränken, und unsere Motivation, tatsächlich etwas zu tun, ist dementsprechend gering.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass diejenigen, die in den Klimaerhalt investieren sollen, kurzfristige Anreize haben müssen, um es zu tun. „Es reicht nicht, nur auf die Vorteile zu verweisen, die künftige Generationen haben werden“, sagt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, einer der Autoren der Studie. „Wirksamer Klimaschutz wird nur gelingen, wenn die Akteure auch kurzfristigen materiellen Gewinn aus ihm ziehen können, etwa durch den Export von klimafreundlichen Technologien.“
CS/HR