In der Sprache von Mikroben
Manche Archaeen kommunizieren untereinander mit Hilfe von RNA-Molekülen
Bremer Forschende untersuchen die Kommunikation zwischen Mikroorganismen in extrem salzhaltigen Lebensräumen und erlangen Einblicke in die Ursprünge des komplexen Lebens.
Einzellige Organismen, wie Bakterien und Archaeen, kommunizieren miteinander auf vielfältige Weise. Sie nutzen beispielweise winzige, sogenannte extrazelluläre Vesikel – membranumhüllte Pakete mit einem Durchmesser von weniger als 200 Nanometern (0,0002 mm). Die Organismen bilden sie als Ausknospungen ihrer Membran in den umgebenden Raum. Diese Vesikel können eine Vielzahl von Molekülen enthalten, zum Beispiel Enzyme, Nährstoffe, RNA und sogar DNA-Fragmente. Obwohl sie vermutlich eine Schlüsselrolle in mikrobiellen Gemeinschaften spielen, ist wenig über ihre Entstehung und Funktion bekannt.
In einer Studie untersuchte Susanne Erdmann mit ihrem Team am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie und Mitarbeitenden anderer Einrichtungen in Deutschland und Australien extrazelluläre Vesikel von Mikroben, die in extrem salzhaltigen Umgebungen wie dem Toten Meer leben und als halophile Archaeen oder Haloarchaeen bezeichnet werden. Die Forschenden entdeckten, dass die Vesikel RNA zwischen den Zellen transportieren. „Offensichtlich können EVs als RNA-Kommunikationssystem zwischen Haloarchaea dienen“, erklärt Erdmann. Insbesondere transportierten die extrazellulären Vesikel spezifische RNAs, die in der Empfängerzelle Prozesse regulieren können. „Wir vermuten, dass dies ein Kommunikationsmechanismus ist, um die Genexpression in einer ganzen mikrobiellen Population zu regeln. Die RNA ist sozusagen die gemeinsame Sprache, und die Vesikel sind die Sprechblasen.“
Eine GTPase aus eukaryotischen Zellen
Das Team um Erdmann untersuchte auch, wie die Haloarchaea diese Vesikel produzieren. „Wir fanden eine kleine GTPase – ein Enzym, das als molekularer Schalter oder Zeitgeber in vielen grundlegenden zellulären Prozessen dient –, die einer GTPase in komplexeren Zellen sehr ähnlich ist“, berichtet Erstautor Joshua Mills, der die Studie im Rahmen seiner Doktorarbeit durchgeführt hat. „Das ist ziemlich erstaunlich, da man bisher dachte, dass sich GTPase-abhängige Vesikelbildung nicht zwischen verschiedenen Zellen, sondern nur innerhalb eukaryotischer Zellen zwischen den intrazellulären membrangebundenen Kompartimenten abspielt. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass sich Komponenten des eukaryotischen intrazellulären Vesikeltransports viel früher in der Evolutionsgeschichte entwickelt haben könnten als bisher angenommen.“
„Bislang gibt es nur wenige Studien, die die Rolle extrazellulärer Vesikel innerhalb der Domäne der Archaeen untersucht haben“, so Erdmann weiter. „Hier zeigen wir, dass diese Vesikel in salzliebenden Archaeen eine RNA-Fracht transportieren können und damit Zellen helfen, miteinander zu kommunizieren. Außerdem liefern wir neue Erkenntnisse über die evolutionäre Entwicklung dieser Kommunikationsstrategie. Unsere Studie liefert die Grundlage für weitere Untersuchungen über die evolutionären Beziehungen zwischen prokaryotischer und eukaryotischer Vesikelbildung und könnte dazu beitragen, das Rätsel der Evolution der eukaryotischen Zelle zu lösen.“