Motor kosmischer Kilonova-Explosionen

Computersimulation erklärt, warum verdrillte Magnetfelder in verschmelzenden Neutronensternen für grelle Gammastrahlenblitze verantwortlich sind

Die Verschmelzung und Kollision von Neutronensternen verursacht gewaltige Kilonova-Explosionen und Gammastrahlenblitze. Forschende vermuten seit langem, dass ein ausgedehntes und extrem starkes Magnetfeld der Motor für diese hochenergetischen Phänomene ist. Doch der Prozess, der dieses Magnetfeld erzeugt, war bislang ein Rätsel. Forscher des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und der Universitäten in Kyoto und Toho haben nun den zugrundeliegenden Mechanismus durch eine sehr hochauflösende Computersimulation unter Berücksichtigung aller grundlegenden physikalischen Aspekte aufgeklärt: Sie zeigten, dass hochmagnetisierte Neutronensterne, auch Magnetare genannt, sehr helle Kilonova-Explosionen verursachen. Beobachtungen mit Teleskopen könnten diese Vorhersage in Zukunft überprüfen.

Neutronensterne sind kompakte Überbleibsel von Sternenexplosionen und bestehen aus extrem dichter Materie. Bei einem Durchmesser von etwa 20 Kilometern sind sie bis zu doppelt so schwer wie unsere Sonne oder fast 700.000-mal so schwer wie unsere Erde. Am 17. August 2017 beobachteten Astronominnen und Astronomen zum ersten Mal sowohl Gravitationswellen als auch Licht und Gammastrahlen von der Verschmelzung von zwei Neutronensternen. Dieses Ereignis markiert den Beginn einer neuen Art von Multi-Messenger-Astronomie, die Gravitationswellen- und elektromagnetische Beobachtungen kombiniert.

Neutronensterne am Computer verschmelzen

Die Beobachtung der während der Verschmelzung abgestrahlten Gravitationswellen und des Gammastrahlenblitzes, ergab, dass während der Verschmelzung von Neutronensternen auch schwere Elemente jenseits von Eisen entstehen, darunter auch Gold. Im Inneren von Sternen entstehen durch Kernfusion nur Elemente bis hin zu Eisen. „Nur durch eine numerische Simulation, die alle grundlegenden physikalischen Aspekte bei der Verschmelzung von Neutronensternen berücksichtigt, können wir den gesamten Prozess und die zugrundeliegenden Mechanismen vollständig verstehen“, erklärt Masaru Shibata, Direktor der Abteilung Numerische und Relativistische Astrophysik am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam. „Deshalb haben wir eine Verschmelzungssimulation durchgeführt, die alle Auswirkungen der Einstein'schen Relativitätstheorie und alle anderen physikalischen Grundlagen berücksichtigt. Und das mit höchsten bislang erreichten räumlichen Auflösung: mehr als zehnmal so hoch wie bei allen bisherigen Simulationen.“

Neue Computersimulation enthüllt den Dynamo, der großräumige Magnetfelder in verschmelzenden Neutronensternen aufbaut

Was treibt Neutronenstern-Verschmelzungen an?

Neue Computersimulation enthüllt den Dynamo, der großräumige Magnetfelder in verschmelzenden Neutronensternen aufbaut
https://www.youtube.com/watch?v=x6qb_kt41Gs

Wie in der Sonne so im Neutronenstern

Hochenergetische Phänomene wie Kilonova-Explosionen und Gammastrahlenblitze, die während der Verschmelzung von Neutronensternen auftreten, werden höchstwahrscheinlich durch magnetohydrodynamische Vorgänge angetrieben – dem Zusammenspiel von Magnetfeldern und Flüssigkeiten. Das bedeutet, dass der Überrest einer Neutronenstern-Verschmelzung über einen Dynamo-Mechanismus ein starkes, großräumiges Magnetfeld erzeugt.

„Zum ersten Mal konnten wir den physikalischen Mechanismus identifizieren, der bei der Verschmelzung von zwei Neutronensternen aus kleineren Magnetfeldern ein großräumiges Magnetfeld erzeugt“, sagt Kenta Kiuchi vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik. „Ein Teil dieses Mechanismus ist derselbe, der auch das Magnetfeld unserer Sonne antreibt. Bei einer Neutronensternverschmelzung entsteht das großräumige Magnetfeld aufgrund von Instabilitäten und Wirbeln an der Oberfläche, wo die beiden Neutronensterne zusammenstoßen.“

Das Magnetfeld wird durch zwei Mechanismen verstärkt: In einer ersten Phase steigert die sogenannte Kelvin-Helmholtz-Instabilität die Energie des Magnetfeldes innerhalb weniger Millisekunden nach der Verschmelzung um einen Faktor von mehreren Tausend. „Dieses verstärkte Magnetfeld ist jedoch noch ein kleinräumiges Feld“, erklärt Alexis Raboul-Salze, ebenfalls Teil des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik. „Aber nach einigen Millisekunden vergrößert eine andere Instabilität, die magnetische Rotationsinstabilität, das Magnetfeld weiter. Diese Instabilität wirkt wie ein Dynamo auf das nun großräumige Feld – das ist der gleiche Mechanismus wie bei der Sonne.“

Der bei der Kollision entstehende hochmagnetisierte massereiche Neutronenstern ist vermutlich ein Magnetar. Etwa 40 Millisekunden nach der Verschmelzung treiben die Magnetfelder einen starken Teilchenwind an, der mit relativistischen Geschwindigkeiten von den Polen des Magnetars ausgeht. Dieser Wind bildet einen Jet, der mit den beobachteten hochenergetischen Phänomenen in Zusammenhang steht. Die Forschergruppe zeigt zum ersten Mal, dass diese Hypothese plausibel ist.

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