Rätsel um potentielles Antibiotika-Zielprotein CydDC gelöst
Das Protein schleust Häm-Moleküle durch die Zellmembran
Was aussieht wie ein Wirrwarr aus bunten Telefonkabeln, sind die 3D-Strukturen bakterieller Proteine. Um den menschlichen Wirt zu infizieren und im Menschen zu überleben, sind sie für das Bakterium unerlässlich: Sie helfen ihm zu atmen sowie Energie zu erzeugen. Welche Funktion dabei ein Protein namens CydDC übernimmt, war jahrzehntelang ein Rätsel, das Forschende aus aller Welt beschäftigte. Denn nur wenn sie die biochemischen Vorgänge in Bakterien verstehen, können sie gezielt neue Medikamente entwickeln oder Therapien verbessern. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Biophysik, der Virje Universität Amsterdam in den Niederlanden, der Universität Gent in Belgien und der Universität Kent im Vereinigten Königreich konnten das Rätsel um CydDC nun lösen und zeigen, dass es sogenannte Häm-Moleküle durch die Membran schleust.
Zahlreiche Erkrankungen des Menschen werden ausgelöst durch Bakterien. Viele davon enden auch heute, fast 100 Jahre nach der Entdeckung des ersten Antibiotikums Penicillin, noch tödlich, allen voran die Tuberkulose. Weil die Zahl an multiresistenten Bakterienstämmen immer weiter wächst, wird die Behandlung von Infektionen mit den gängigen Antibiotika zunehmend schwieriger. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erforschen daher bakterielle Moleküle, um neue Angriffspunkte für Arzneistoffe zu identifizieren.
Wie atmen Bakterien im menschlichen Körper?
Das Forschungsteam um Schara Safarian am Max Planck Institut für Biophysik untersucht schon seit Jahren die Struktur und Funktionsweise von Cytochrom bd Oxidasen - einer Klasse von Proteinen, die in Bakterien vorkommt, unter anderem auch im Erreger der Tuberkulose. Cytochrom bd Oxidasen helfen dem Bakterium in der sauerstoffarmen Umgebung des Wirtskörpers zu atmen. Dabei wandeln sie Sauerstoff in Wasser um, um Energie aus Nährstoffen zu generieren. Für diesen Prozess benötigen Cytochrom bd Oxidasen sogenannte Häm-Moleküle, die Eisenionen „festhalten“ können. Diese Eisenionen vermitteln in Organismen den Übertrag von Elektronen zwischen verschiedenen Molekülen und helfen so, bei der Atmung Sauerstoff in Wasser umzusetzen.
Seit Jahrzehnten ist schon bekannt, dass Cytochrom bd Oxidasen auch einen Proteinkomplex namens CydDC benötigen, um ordnungsgemäß funktionieren zu können. Welche Rolle CydDC aber genau im bakteriellen Energiestoffwechsel spielt, blieb bisher undurchsichtig. Forschende spekulierten über unterschiedlichste Funktionen, bis das Team unter der Leitung von Schara Safarian nun endlich das Rätsel knackte: CydDC ist ein Häm-Transporter. Wie die Cytochrom bd Oxidasen sitzt es in der inneren Membran von Bakterien. Es transportiert Häm-Moleküle aus dem Cytoplasma durch diese Membran auf die andere Seite wie eine Schleuse. Erst dort können die Häm-Moleküle in das Gerüst der Cytochrom bd Oxidasen eingebaut werden und somit die Zellatmung aktivieren.
„Wenn man CydDC mit Medikamenten ausschalten könnte, würde die Atmung nicht mehr funktionieren und die Bakterien könnten im Menschen nicht überleben“, erklärt Di Wu, Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Biophysik und Erstautor der Studie. „Weil wir Menschen selbst kein CydDC in unseren Zellen haben, wäre es ein guter Angriffspunkt für neue Antibiotika.“
Internationale fachübergreifende Zusammenarbeit brachte das Projekt in Fahrt
Für den Erfolg bei der Aufklärung der Funktion von CydDC sorgte die fachübergreifende Zusammenarbeit von Experten und Expertinnen des Max-Planck-Instituts für Biophysik und der Universitäten in Amsterdam, Gent und Kent, die experimentelle und computerbasierte Methoden kombinierten. "Das CydDC-Projekt war ein schlafender Riese, der erst aufwachte, als sich das richtige Team um ihn herum bildete", so Projektleiter Safarian.
Einen großen Anteil am Erfolg des Projektes hatte Sonja Welsch mit ihrem Team. Sie leitet am Max-Planck-Institut für Biophysik das Elektronenmikroskopie-Zentrum und aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung und ihres Expertenwissens konnten die Forschenden die nur wenige Zehntausendstel Millimeter großen CydDC-Komplexe in einem beeindruckenden Hochdurchsatz-Ansatz mit hochauflösenden Elektronenmikroskopen in über 20 Datensätzen sichtbar machen. Leistungsstarke Computersimulationen halfen dann zu visualisieren, wie die CydDC-Transporter Häm aufnehmen und wieder freisetzen und dabei dynamisch ihre Struktur verändern.