Auf Blauwasserfahrt
Lena Heins vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz überquerte an Bord der Forschungssegeljacht S/Y Eugen Seibold den Atlantik. Während der Fahrt von den Kapverden bis zur Karibikinsel Grenada sammelte sie Proben für unterschiedliche Klimaprojekte. Die Wissenschaftlerin gibt Einblick in ihre Arbeit auf dem Schiff, berichtet von Delfinen, Fliegenden Fischen und einem Klimaarchiv auf dem Meeresgrund.
Die S/Y Eugen Seibold ist eine 22 Meter lange Hochsee-Forschungsjacht, die auf das Sammeln und Analysieren von Meerwasser-, Plankton- und Luftproben ausgelegt ist. Ihr Segelantrieb ist nicht nur umweltfreundlich. Er ermöglicht es auch, Proben zu sammeln, die frei von jeglichen Verunreinigungen durch Schiffsabgase sind. Die Jacht verfügt über ein Wasser- und ein Luftlabor, sodass die Proben teilweise gleich vor Ort bearbeitet werden können. Ende November ging ich auf der Kanareninsel Lanzarote an Bord, um nach einem Zwischenstopp auf den Kapverden den Atlantik zu überqueren.
In meiner Doktorarbeit untersuche ich planktische Foraminiferen – eine Gruppe von Einzellern, die frei im Meer umhertreiben. Die meisten Arten sind mikroskopisch klein und leben in gekammerten Kalkschalen. Sterben sie, sinken die Schalen auf den Meeresgrund und bilden dort mit der Zeit ein natürliches Klimaarchiv, das sich mit Sedimentkernen erschließen lässt. Ob Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoffkonzentration oder pHWert – da die Kalkbildung in Wechselwirkung mit dem Meerwasser stattfindet, sind all diese Parameter in den Schalen konserviert. Aus diesem Grund dienen Foraminiferen als Archive, um das Klima früherer Epochen zu rekonstruieren. Ich analysiere die Kalkschalen heutiger Arten und vergleiche ihre Zusammensetzung mit der des Meerwassers. Das ist wichtig, um zu wissen, wie genau die Analysedaten den Ozean repräsentieren, und so die Paläoklima-Daten zu kalibrieren.
Auf unserer Fahrt folgten wir einer klassischen Blauwasserroute – einem von Seglern bevorzugten Seeweg, der zu einer bestimmten Jahreszeit ideale Wind-, Wetter- und Strömungsbedingungen erwarten lässt. Das Wetter war eine Mischung aus Sonne, Wolken und vereinzelten Schauern. Die Passatwinde wehten mit durchschnittlich 20 Knoten aus östlichen Richtungen, und wir konnten einen Großteil der insgesamt rund 2200 Seemeilen segelnd zurücklegen. Beeindruckend für mich war, wie allein man auf dem Atlantik ist: In zwei Wochen sind wir nur drei anderen Schiffen begegnet. Unwohl habe ich mich deswegen nicht gefühlt. Vielmehr war ich fasziniert von dem kleinen Mikrokosmos unseres Schiffes gegenüber der grenzenlosen Weite des Ozeans. Manchmal wurden wir von Delfinen begleitet, oder Fliegende Fische glitten übers Wasser. Immer wieder segelten wir durch große Teppiche von Sargassum-Algen, die sich derzeit im Atlantik stark ausbreiten. Nachts hatten wir einen grandiosen Sternenhimmel.
Unsere Besatzung bestand aus vier Crewmitgliedern und zwei Wissenschaftlerinnen: Während meine Kollegin Isabella Hrabe de Angelis für die Atmosphärenchemie zuständig war, kümmerte ich mich um die Wasser- und Planktonproben. Die Zweierkajüte, die ich mit Isabella teilte, war eng, aber gemütlich. Es gab darin zwei Schränke und ein Etagenbett. Eine geniale Erfindung ist der Flaschenzug, mit dem sich der Winkel des oberen Bettes verstellen lässt. Damit kann man sich quasi verkanten, sodass man selbst bei starkem Seegang nicht herumrollt. Begleitet vom Plätschern des Wassers an der Bordwand habe ich mitten auf dem Atlantik bestens geschlafen. Während der Fahrt zeichneten die Instrumente an Bord kontinuierlich Daten auf, und zusätzlich nahmen wir im Zwölf-Stunden-Rhythmus Wasser- und Luftproben. Dabei arbeiteten wir schichtweise, sodass immer jemand die Geräte im Auge hatte. Bei technischen Problemen, die sich nicht mit dem Gerätehandbuch lösen lassen, helfen uns unsere Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir per Internet verbunden sind. Glücklicherweise lief aber alles nach Plan, und wir sind mit unserer Ausbeute an Proben und Daten sehr zufrieden.
Nach vierzehn Tagen auf offener See liefen wir schließlich in einen Hafen auf der Karibikinsel Grenada ein. Für mich war die Reise damit fast zu Ende. Fünf Tage später flog ich von dort aus zurück nach Frankfurt – mitten im Winter ein Temperaturschock! Die S/Y Eugen Seibold segelt dagegen weiter nach Panama. In den kommenden drei Jahren wird sie im tropischen Pazifik kreuzen und hoffentlich noch viele spannende Daten liefern.