„Wir können versuchen, die Evolution in eine andere Richtung zu lenken.“

Im Interview erklären Luca Schulz, Georg Hochberg und Tobias Erb, warum das Wissen um die Vergangenheit von Proteinen wichtig für unsere Zukunft ist

Die Wissenschaftler haben längst ausgestorbene Enzyme im Labor wieder zum Leben erweckt. Sie haben auf diese Weise herausgefunden, wie sich die Fotosynthese an das Auftreten von Sauerstoff anpassen konnte.

Was war der Ausgangspunkt für Ihre Forschung?

Tobias Erb: Wie Enzyme Kohlendioxid binden und umwandeln können, ist das zentrale Thema in unserem Labor. Wir wollen wissen, wie die CO2-umwandelnden Enzyme entstanden sind und wie sie sich im Laufe der Jahrmilliarden an die dramatischen Veränderungen in der Umwelt angepasst haben? In der Paläontologie nutzt man versteinerte Knochen, um die Evolution von Arten wie uns Menschen zu verstehen. Wir haben jedoch keine "molekularen Fossilien" von Proteinen, die wir nutzen könnten, um etwas über ihre Entwicklung zu erfahren. Durch die Zusammenarbeit mit Georg Hochberg, einem Experten für die Rekonstruktion der Geschichte von Proteinen, eröffnete sich nun die Möglichkeit, eine Zeitreise in die Vergangenheit zu unternehmen und alte Rubisco-Versionen zu erzeugen.

Die Proteine, die Sie untersuchen, sind auf der Erde schon lange verschwunden. Warum sind sie für uns Menschen heute relevant?

Luca Schulz: Wir konnten den Einfluss einer neuen Proteinkomponente auf Rubisco nur messen, weil wir sie in den Vorläuferproteinen betrachteten. Bei existierenden Proteinen ist eine solche Analyse nahezu unmöglich, weil Rubisco nicht mehr richtig funktioniert, sobald man die neue Komponente entfernt. Die Untersuchung längst vergangener Proteine kann uns also dabei helfen, störende Faktoren auszuschalten, die die Analyse einzelner Aspekte eines Proteins erschweren.

Tobias Erb: Alles, was wir essen, ist im Grunde Kohlendioxid, das durch Rubisco gebunden wurde. Dieses Enzym ernährt buchstäblich alles Leben auf diesem Planeten. Wir haben gelernt, dass die Evolution offenbar dazu neigt, mit der Zeit immer komplexere Maschinen zu bauen. Das Verständnis der molekularen Prinzipien, die diesem Prozess zugrunde liegen, gibt uns Aufschluss über das Potenzial, aber auch über die Grenzen der Evolution als Optimierungsmechanismus.

Und es gibt noch einen weiteren Aspekt der Geschichte: Wir können versuchen, mit diesem Wissen die Evolution neu zu gestalten und in eine andere Richtung zu lenken.

Wie könnten wir dieses Wissen theoretisch nutzen, um die Fotosynthese zu verbessern?

Georg Hochberg: Die Evolution ist ein Bastelkünstler: Sie verwendet die ihr zur Verfügung stehenden Teile, um das Bestehende zu verbessern, anstatt ihre Lösungen von Grund auf neu zu entwickeln, wie es ein Ingenieur tun würde. Das bedeutet, dass ihre Lösungen nicht immer optimal sind. Dennoch können wir aus diesem unberechenbaren Prozess lernen. In diesem speziellen Fall haben wir ein neues Prinzip gelernt, dass die Eigenschaften von Rubisco durch Hinzufügen einer neuen Untereinheit verändert werden können. Ich würde darauf wetten, dass es andere Modulatoren gibt, die wir zu diesem Protein hinzufügen könnten und die die Eigenschaften von Rubisco noch drastischer verändern könnten.

Tobias Erb: Bisher haben sich die Wissenschaftler hauptsächlich darauf konzentriert, den Kern von Rubisco zu verändern, um seine Katalyse zu verbessern. Dies war jedoch nur begrenzt erfolgreich. Die überraschende Entdeckung unserer Studie ist, dass man Rubisco verbessern kann, indem man zusätzliche Proteinkomponenten hinzufügt, die ansonsten stille Mutationen in dem Protein "aktivieren".

Das eröffnet eine völlig neue Perspektive für künftige Forschungsarbeiten. Stellen Sie sich vor, dass wir nicht den Kern des Enzyms selbst verändern müssen, sondern nach neuen Modulatoren suchen, die es uns ermöglichen, die volle katalytische Kraft zu entfesseln, die bereits vorhanden, aber im Kern des Enzyms verborgen ist. Diesen völlig neuen Weg hat bisher noch niemand beschritten.

Warum ist diese Forschung im Zusammenhang mit dem Klimawandel wichtig?

Tobias Erb: Unsere Forschung hat zwei wichtige Aspekte. Wir können versuchen, Vorhersagen über künftige Szenarien zu treffen und die Frage zu beantworten, ob die derzeitigen Grenzen von Rubisco überwindbar sind. Bedenken Sie, dass das Enzym noch erstaunlich langsam ist und Sauerstoff zwar tolerieren, aber nicht vollständig ausschließen kann. Und das bringt mich auch zum zweiten Aspekt unserer Forschung, der eher die Anwendung betrifft: Es ist möglich, das Band der Evolution neu abzuspielen. Indem wir unsere Protein-Vorfahren mit völlig neuen Interaktionspartnern ausstatten, könnten wir die Leistungsfähigkeit des Enzyms zu verbessern und schließlich die natürlichen Einschränkungen überwinden.

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