Die Entstehung von Taufliegenarten basiert auf der Variation männlicher Sexuallockstoffe
Max-Planck-Forschende entschlüsseln die Duftsprache, die der Paarung in 99 Arten der Gattung Drosophila zugrunde liegt
Mittels Genomanalysen von 99 Taufliegenarten sowie der Auswertung ihrer chemischen Duftprofile und ihres Sexualverhaltens zeigen Forschende des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie, dass sich Sexualpheromone und die entsprechenden Geruchskanäle im Insektenhirn schnell und unabhängig voneinander entwickeln. Weibchen der jeweiligen Art sind in der Lage, die Männchen der gleichen Art an ihrem speziellen Duft zu erkennen. Interessanterweise weisen gerade nahe verwandte Arten deutliche Unterschiede im Duftprofil auf, was dabei hilft, die Paarung zwischen verschiedenen Arten zu verhindern. Männchen wiederum markieren ihre Partnerinnen bei der Paarung chemisch, sodass diese für andere Männchen weniger attraktiv sind. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind eine wertvolle Grundlage, um zu verstehen, wie die Produktion von Duftstoffen, deren Wahrnehmung und Verarbeitung in Gehirn und letztlich das daraus resultierende Verhalten die Evolution neuer Arten beeinflussen.
Wie bei den meisten Tieren basiert auch die Partnerwahl bei Taufliegen in erster Linie auf chemischen Signalen. Dass die Taufliegen-Gattung sich bestens eignet, um die Evolution und Vielfalt von Sexualpheromonen zu untersuchen, hat eine ganze Reihe von Gründen. Die mehr als 1500 bekannten Taufliegenarten sind auf der ganzen Welt in unterschiedlichsten Lebensräumen zu finden: in Wüsten, im Regenwald, in Höhlen, in Sumpf- oder Bergregionen. Oft sind faulende Früchte und die für den Gärungsprozess verantwortlichen Hefen die Nahrungsquelle. Manche Arten ernähren sich aber auch von frischem Obst, Pilzen, Baumrinden, Blüten, Schleim oder Froschlaich. In vielen Arten, insbesondere im Modellorganismus Drosophila melanogaster, ist die Verarbeitung von Geruchsinformationen im Gehirn bereits gut erforscht. Die Rezeptoren für die Sexualpheromone sind dabei genau auf das Aufspüren des Partnerdufts der jeweiligen Art ausgerichtet.
In einer neuen Studie untersuchten Forschende um Mohammed Khallaf und Markus Knaden, wie sich die Sexuallockstoffe in 99 verschiedenen Arten der Gattung Drosophila entwickelt haben. „Wir identifizierten die jeweiligen Sexualpheromone und die dazugehörigen olfaktorischen Kanäle im Geruchssystem der Fliegen mit dem Ziel, die Evolution der Pheromonkommunikation im Kontext der Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Arten zu betrachten“, sagt Mohammed Khallaf, der Erstautor der Studie. 41 der untersuchten Arten waren bereits vollständig sequenziert. Mit der Gesamt-Genom-Sequenzierung weiterer 58 Arten legte die Forschungsgruppe die bislang umfangreichste stammesgeschichtliche Analyse der Gattung Drosophila vor.
Mit Hilfe der genetischen Daten war es nun möglich, Unterschiede bei den chemischen Profilen sowie bei der Geruchsentdeckung und -verarbeitung genetisch abzugleichen. Die Forschenden analysierten die Düfte einzelner Fliegen: Von jeder Art wurden jeweils fünf oder mehr Männchen, unverpaarte und verpaarte Weibchen, insgesamt also die Düfte von mehr als 1500 Fliegen, analysiert. „Während der Vergleich von Männchen und unverpaarten, also jungfräulichen weiblichen Fliegen, Auskunft über geschlechtsspezifische Düfte gab, informierte der Vergleich von jungfräulichen und verpaarten Weibchen über die männlichen Düfte, die bei der Paarung auf die Weibchen übertragen wurden“, fasst Markus Knaden, Leiter der Projektgruppe Geruchsgesteuertes Verhalten der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie, zusammen.
Der Unterschied liegt im Detail
In allen 99 untersuchten Fliegenarten wurden insgesamt 52 verschiedene Duftverbindungen identifiziert. In 81 Arten fanden die Wissenschaftler Pheromone, die nur von Fliegenmännchen abgegeben werden. Von diesen Arten wiederum produzieren die Männchen 58 verschiedene Duftmischungen, die aus bis zu sieben Einzeldüften bestehen können. Während die Männchen mit der komplizierten Chemie auf sich aufmerksam machen, scheinen die Weibchen letztendlich die Entscheidung zu treffen, ob es zur Paarung kommt oder nicht. „Interessanterweise weisen gerade nahe miteinander verwandte Fliegenarten deutliche Unterschiede im Pheromonprofil auf. Gleichzeitig tauchen die gleichen Pheromone auf allen Ebenen des Fliegenstammbaums immer wieder auf. So produzieren die Männchen von 34 der 99 untersuchten Arten das von Drosophila melanogaster bekannte Pheromon cis-Vaccenyl-Acetat (cVA). Die meisten männlichen Pheromone erfüllen dieselben Funktionen: Sie locken erstens die Weibchen an und werden zweitens während der Paarung auf die Weibchen übertragen, damit sie für andere Männchen weniger attraktiv riechen. Somit wird der Fortpflanzungserfolg sichergestellt“, meint Markus Knaden.
Die signifikanten Unterschiede im Pheromonprofil von Männchen nah verwandter Arten weist auf einen hohen Selektionsdruck hin, der eine Paarung zwischen diesen Arten, die sich aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben, verhindern soll. Dass dennoch 34 Arten cis-Vaccenyl-Acetat als Lockstoff produzieren, zeigt auf der anderen Seite, dass es möglicherweise nur eine eingeschränkte Anzahl von Genen gibt, die für die Pheromonproduktion zuständig sind. Solange es aus evolutionärer Sicht keinen Druck gibt, sich zu unterscheiden, bilden unterschiedliche Arten eben das gleiche Pheromon.
Eine Schlüsselbeobachtung ist, dass in der Gattung Drosophila meist das Fliegenmännchen der Sender des chemischen Signals ist, während die Weibchen als Empfänger das Signal erkennen und interpretieren müssen. „Die Vielfalt und Häufigkeit von spezifisch männlichen Pheromonen in Drosophila ist erstaunlich: Von den 52 unterschiedlichen Duftverbindungen werden 43 ausschließlich von Männchen produziert, während nur 9 von Weibchen gebildet werden. 81 Fliegenarten kommunizieren über männliche Pheromone, während nur 15 Arten spezifisch weibliche Pheromone besitzen“, erläuterte Mohammed Khallaf.
Vom Geruch zum Verhalten
Die Studie ist die erste umfassende Analyse des Paarungsverhaltens einer großen Zahl von Taufliegenarten. „Schon während wir Verhaltensexperimente durchführten und die Paarung von Männchen und Weibchen unterschiedlicher Arten beobachteten, fiel uns auf, dass einige Arten sehr spezielle Verhaltensweisen zeigten. Manchmal wurde das Verhalten durch die Geruchswahrnehmung bestimmt, zum Beispiel, wenn das Weibchen den Paarungstanz begann, weil der Partner den richtigen Duft abgab. Manchmal löste aber auch das richtige Flügelmuster oder der Gesang des Männchens das Paarungsverhalten beim Weibchen aus“, fasste Bill Hansson, der Leiter der Abteilung für Evolutionäre Neuroethologie, in der die Studie durchgeführt wurde, die Beobachtungen in der Paarungsarena zusammen.
Vermutlich spielt der Sexuallockstoff eine entscheidende Rolle als erster Hinweis zur Identifizierung des Artgenossen vor der Paarung. Wenn ein Weibchen erst einmal angelockt wurde und zur Paarung bereit ist, können bestimmte Paarungsrituale eingeleitet werden, zu denen auch Tanz, Hochzeitsgeschenk oder Gesang gehören. Die Forschenden werden die aufgezeichneten Paarungsexperimente für zukünftige Studien weiter auswerten und hoffen, dass dieses Material auch andere Forschungsgruppen dazu motiviert, die Paarungsstrategien von Taufliegenarten genauer unter die Lupe zu nehmen.
250 GB an Rohdaten, einschließlich Genomsequenzen (66 Arten), Paarungsvideos (1467 Aufnahmen), chemischen Profilen von unverpaarten Männchen sowie unverpaarten und verpaarten Weibchen (über 1500 Wiederholungen; fünf oder mehr Wiederholungen von jedem Geschlecht bei allen 99 Arten) und anderen ergänzenden Daten sind hier verfügbar: https://dx.doi.org/10.17617/3.5w