Forschungsbericht 2019 - Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Standort Stuttgart

"Jellyfishbot"- Ein Schwimmroboter inspiriert von Quallen

Autoren
Ren, Ziyu; Hu, Wenqi; Dong, Xiaoguang; Sitti, Metin
Abteilungen
Abteilung für Physische Intelligenz am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Stuttgart
Zusammenfassung
Am Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart entwickeln wir einen Roboter, der wie eine Qualle aussieht und sich auch so bewegt: den "Jellyfishbot". Der nicht kabelgebundene Roboter verfügt wie sein natürliches Vorbild über eine schirmförmige Glocke und nachziehende Tentakel. Die Forschungsarbeit birgt großes Potenzial, sowohl die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die Ökosysteme der Ozeane zu untersuchen als auch die Behandlung von Krebs zu revolutionieren.

In der Abteilung für Physische Intelligenz am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart haben wir einen Roboter entwickelt, der wie eine Qualle aussieht und sich auch so bewegt. Das Team nannte ihre Erfindung "Jellyfishbot". Der nicht kabelgebundene Roboter verfügt wie sein natürliches Vorbild über eine schirmförmige Glocke und nachziehende Tentakel. Die Forschung wurde unter dem Titel "Multifunctional soft-bodied jellyfish-like swimming" in Nature Communications veröffentlicht.

Dabei waren zwei Aspekte bei unserem Projekt zentral: Wir lernen von einer Reihe von biologischen Systemen und nehmen sie uns als Vorbild, um winzige, bio-inspirierte Roboter zu entwickeln. Wir verwenden sie, um biologische Systeme zu studieren und besser zu verstehen. Aber noch wichtiger ist, dass solche neu entwickelten Roboter möglicherweise eines Tages die kritischen wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen im Gesundheitswesen und in der Umwelt lösen könnten.

Scyphomedusa ephyra als Vorbild

Bei der Größe des weichen Roboters haben wir uns von Babyquallen (Scyphomedusa ephyra) inspirieren lassen. Der Durchmesser einer solchen Qualle beträgt nur etwa fünf Millimeter. In die beweglichen weichen Tentakel-Lappen des Quallenrobotors haben wir Magnetpartikel eingebettet, mit denen sich der Roboter steuern lässt, wenn er einem externen Magnetfeld ausgesetzt ist. So können wir beispielsweise den weichen Körper des Roboters so bewegen, dass er in einer schlangenartigen Bewegung genau wie das echte Nesseltier in einer Flüssigkeit nach oben schwebt.

Quallen sind eine der häufigsten Arten im Ökosystem des Ozeans. Sie sind ein wichtiger Teil der Nahrungskette. Ihre Verbreitung hängt stark von ihrem Überleben im frühen Lebenszyklus ab. Daher haben wir die Ephyralarven – also die Jungtiere der Quallen – beobachtet und ihr Schwimm- und Fressverhalten untersucht. Dabei fanden wir heraus, dass die Qualle eine Paddelbewegung ausführt, um sich vorwärts zu bewegen. So erzeugt sie eine fließende Strömung um ihren weichen Körper herum, die auch dazu dient, Beute unter ihren Schirm zu ziehen.

Nun ist es wesentlich einfacher, die Schwimmbewegung eines Roboters zu beobachten und zu messen, als die einer Qualle. Die Bewegungsdaten sind viel sauberer und wir können leichter herausfinden, was etwa mit der Flüssigkeit um die Qualle herum passiert, wenn sie ein klein wenig anders schwimmt als sonst. Solche Messwerte im Meer zu sammeln, wären icht ganz so leicht.

Quallenroboter im Einsatz gegen den Klimawandel

Diese kleinen Roboter lassen sich benutzen, um Umweltveränderungen und deren Auswirkung zu untersuchen. Quallen spielen nämlich eine wichtige Rolle im Ökosystem der Ozeane. Sie wirbeln Wasser auf und erzeugen einzigartige Strömungen – ebenso wie Wind und die Gezeiten. Veränderungen der Umgebung können jedoch zu verändertem Schwimmverhalten der Tiere führen. Sie mischen dann das Meerwasser anders durch. Diesen Zusammenhang zwischen der Bewegung des Roboters und dem entstehenden Fluidstrom zu verstehen, kann uns helfen, mögliche Einflüsse des Klimawandels auf die Durchmischung des Wassers zu bewerten.

Doch auch biomedizinische Anwendungen wären für Jellyfishbot denkbar: Indem wir das Schwimmverhalten der Babyqualle nachahmen, können wir mit diesem millimetergroßen Roboter Objekte einfangen und manipulieren. Das ist die gleiche Methode, die Quallen bei der Jagd anwenden. Wir könnten den Roboter beispielsweise durch Ultraschallbildgebung durch eine Blase zu einer kranken Stelle steuern, bis wir etwa ein Blasenkarzinom erreichen. Dort können wir dann das Krebsmedikament über längere Zeit in kontrollierten Dosen freisetzen. Dies könnte die Beschwerden, die durch herkömmliche Behandlungsverfahren verursacht werden, reduzieren und die Behandlungseffizienz erhöhen.

Literaturhinweise

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