Nachtfalter meiden Raupenkot bei der Eiablage

Mit Hilfe eines Duftrezeptors können Tabakschwärmer Konkurrenz auf ihren Futterpflanzen vermeiden

8. Oktober 2019

Insektenweibchen wählen geeignete Nahrungsgrundlagen für ihren Nachwuchs anhand von Düften aus, wenn sie ihre Eier ablegen. So stellen sie das Überleben ihrer Nachkommen sicher. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena haben herausgefunden, dass aber nicht nur pflanzliche Duftstoffe die Wahl des Eiablageplatzes bestimmen, sondern auch der Kot von Artgenossen. Sie haben die abstoßende Substanz im Kot von Tabakschwärmerlarven entdeckt, die den Weibchen signalisiert, dass bereits andere Artgenossen an einer Pflanze fressen. Die Forscher haben darüber hinaus den Geruchsrezeptor identifiziert, der den typischen Kotgeruch erkennt und damit die Vermeidung von Konkurrenz bei der Eiablage steuert.

Die Raupen des Tabakschwärmers (Manduca sexta) sind äußerst gefräßig. Ihr lateinischer Name Manduca ist vom Verb manducare abgeleitet, das fressen oder kauen bedeutet. Eine einzelne Raupe kann alle Blätter einer Wirtspflanze verspeisen. An einer Pflanze wird folglich kaum eine zweite Raupe kaum satt. „Uns war klar, dass die Falter ihre Eiablageplätze sehr umsichtig wählen. Bislang wurde vorrangig untersucht, ob weibliche Tabakschwärmer anhand von Veränderungen im Duftmuster der Pflanzen erkennen, dass sie von Raupen angefressen werden, und daher ihre Eier auf Pflanzen ablegen, an denen noch keine Raupen fressen. Uns hat nun interessiert, ob die Falter auch Duftinformation berücksichtigen, die von den Larven selbst abgegeben werden“, erläutert Markus Knaden, einer der Hauptautoren der Publikation.

Mit Verhaltensexperimenten im Windtunnel, bei denen die Falter einzelnen Duftkomponenten auf Filterpapier wahrnehmen sollten, haben die Forscher nachgewiesen, dass eine spezielle Klasse von flüchtigen Verbindungen im Raupenkot – sogenannte aliphatische Karbonsäuren – ausreicht, dass die Weibchen ihre Eier woanders ablegen. Die Tabakschwärmer vermeiden also tatsächlich Konkurrenz für ihren Nachwuchs.

Duftrezeptor steuert Verhalten bei der Eiablage

Das Vermeidungsverhalten der Motten auf aliphatische Karbonsäuren im Raupenkot ist spezifisch und ermöglichte den Forschern, die molekulare Basis dieses Verhaltens genauer zu untersuchen. Mit Hilfe der Genschere Crispr/Cas9 konnten sie bestimmte Rezeptorproteine in den Antennen, also den „Nasen“ der Falter, ausschalten, die für das Aufspüren dieser flüchtigen Verbindungen wichtig sind. So konnten sie nachweisen, dass der ionotrope Rezeptor 8a (IR8a) die Vermeidungsreaktion auf Raupenkot steuert.

„Interessanterweise hatte bislang niemand untersucht, wie die Falter chemische Signale aus dem Raupenkot wahrnehmen. Unsere Experimente mit Faltern ohne Rezeptorproteine für das Aufspüren dieser Signale zeigen, dass diese Falter den Kot konkurrierender Artgenossen nicht entdecken können. Sie legen daher ihre Eier auf Pflanzen ab, auf denen ihre Nachkommen eine verringerte Überlebenschance haben. Unsere Studie demonstriert erstmals, dass IR8a wesentlich am Signalverarbeitungsweg beteiligt ist, der das Vermeiden von Raupenkot in Tabakschwärmern steuert“, fasst Erstautor Jin Zhang aus China zusammen, dessen Forschung am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie von der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert wurde.

Komplizierte Wechselwirkungen

Die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Insekten sind vielfältig und hochkomplex. Sie haben sich im Laufe der Evolution entwickelt und können immer wieder anpasst werden, wenn sich ein Parameter verändert. Tabakschwärmer legen deutlich weniger Eier auf Pflanzen, auf denen bereits Raupen sitzen. Der Geruch von Raupenkot kann sogar die Feinde der Raupen anlocken. Der Kot sorgt aber auf der anderen Seite dafür, dass Raupen Artgenossen fernhalten, mit denen sie sonst um ihr Futter konkurrieren müssten. Somit hilft das chemische Signal aus dem Kot einerseits den schon vorhandenen Raupen selbst, aber auch den umherfliegenden Faltern, eine bessere Futterpflanze für ihren Nachwuchs zu finden.

Die neu entwickelten genetischen Werkzeuge bieten ganz neue Möglichkeiten, um das geruchsgesteuerte Verhalten von Tabakschwärmern und anderen Schädlingen noch detaillierter zu untersuchen. Die Forscher wollen damit insbesondere Antworten auf folgende Fragen finden: Welche Faktoren, wie z.B. Blütendüfte, Feuchtigkeit und Kohlendioxid, führen die Insekten zu ihren Wirtspflanzen? Welche Rezeptorproteine steuern die Reaktionen auf Düfte? Welche Gene sind an diesem Verhalten beteiligt? Grundlegende Erkenntnisse, die aus diesen Studien gewonnen werden, können dazu beitragen, besser auf die neuen Herausforderungen in der Landwirtschaft, die sich aus der Klimaveränderung ergeben, zu reagieren.

AO/KG

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