Menschenaffen wissen, wenn sie etwas nicht wissen

Schimpansen und Orang-Utans suchen nach Informationen, um Wissenslücken zu schließen

Sie verlassen das Haus und fragen sich beim Schließen der Tür, ob Sie den Herd ausgeschaltet haben. Die einfache Lösung ist, noch einmal umzukehren und nachzuschauen. Dieses Beispiel veranschaulicht eine wichtige Art des Denkens: Metakognition oder die Fähigkeit, eigene geistige Zustände zu überwachen. Vor dem Umkehren beurteilt der Mensch zunächst, ob er sich an das Ausschalten des Herds erinnert. Falls nicht, sucht er weitere Informationen, indem er nochmal nachschaut. Beim Menschen ist dieser Prozess flexibel gestaltet und auf alle möglichen Gedanken anwendbar. Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der Universität St. Andrews in Großbritannien haben sich nun die Frage gestellt, wie sich Menschenaffen in einer ähnlichen Situation verhalten würden.

In ihrer Studie sollten Schimpansen und Orang-Utans die genaue Lage eines für sie nützlichen Objekts bestimmen, das hinter einer kleinen Barriere auf einem Tisch verborgen war. In einigen Fällen zeigten die Forscher den Menschenaffen vorab kurz, wo sich das Objekt befand, in anderen Fällen nicht. Im Moment der Entscheidung war das Objekt jedoch immer versteckt. Die entscheidende Frage war nun, ob die Tiere erst einmal einschätzen würden, was sie über den Aufenthaltsort des Objekts wissen, bevor sie eine Wahl treffen. Würden sie zusätzliche Informationen einholen, wenn sie sich nicht sicher sein konnten, wo sich das Objekt befand? Die Ergebnisse zeigten, dass genau das der Fall war: Hatten die Menschenaffen vorab keine Informationen erhalten, kletterten sie oder reckten sich und spähten über die Barriere, bevor sie ihre Wahl trafen.

Einigen Wissenschaftlern zufolge deutet diese Suche nach weiteren Informationen darauf hin, dass Menschenaffen – ähnlich wie Menschen – ihr bereits vorhandenes Wissen einer metakognitiven Prüfung unterziehen, ähnlich wie die Menschen im Beispiel mit dem Herd. Andere Wissenschaftler sehen das eher skeptisch. Die Tatsache, dass die Menschenaffen sich ähnlich wie die Menschen verhalten, wenn sie sich in einer ähnlichen Situation befinden, bedeutet ihrer Meinung nach nicht, dass sie ihre eigenen mentalen Zustände überwachen. „Frühere Studien zeigten, dass Menschenaffen nach Informationen suchen, wenn Futter im Spiel ist. Ein Verhalten, das der Nahrungssuche dienen könnte und nicht zwingend Teil eines metakognitiven Prozesses wäre“, sagt Erstautor Manuel Bohn.

Werkzeug anstatt Futter

Um diese Alternative zu prüfen, variierten die Forscher, ob das Objekt auf dem Tisch ein Stück Futter oder ein Werkzeug war. Damit untersuchten sie, ob die Suche der Affen nach Informationen auf bestimmte Objekte, wie zum Beispiel auf Futter, beschränkt ist. Doch in beiden Fällen suchten die Tiere nach zusätzlichen Hinweisen. Das verdeutlicht ihre Flexibilität bei der Informationssuche und legt nahe, dass ihre metakognitiven Fähigkeiten denen des Menschen ähnlicher sind, als bisher angenommen. „Affen suchen nach fehlenden Informationen ähnlich wie Menschen, was eine Reihe von Gründen haben könnte. Doch unsere Studie verdeutlicht, dass Menschenaffen nicht einfach ziellos nach Informationen suchen, in der Hoffnung, auf Futter zu stoßen“, sagt Matthias Allritz. Co-Autor Christoph Völter sagt: „Unsere Studie legt nahe, dass Menschenaffen mehr wissen wollen, vor allem dann, wenn ihnen eine wichtige Information fehlt, wie zum Beispiel der Aufenthaltsort eines benötigten Werkzeugs. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Menschenaffen ihr eigenes Wissen überwachen und dass sie diese Fähigkeit flexibel nutzen, um vorhandene Wissenslücken zu schließen.“

Die Studie zeigt, dass die engsten lebenden Verwandten des Menschen kognitive Fähigkeiten besitzen, die es ihnen ermöglichen, verfügbare Informationen auf verschiedenen Ebenen zu bewerten. Das deutet darauf hin, dass sie über metakognitive Fähigkeiten verfügen, die ähnlich flexibel wie beim Menschen sind. Diese Fähigkeit hilft ihnen dabei, ihre Entscheidungsfindung zu optimieren. „Unsere Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Komplexität und Flexibilität von Gedächtnisprozessen und der Überwachung eigener geistiger Zustände bei Menschenaffen“, sagt Josep Call.

SJ, MB/HR

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