Der Krebspulsar als Kraftpaket

MAGIC-Teleskope registrieren Lichtteilchen extrem hoher Energien

14. Januar 2016
Der Krebspulsar stellt einen neuen Rekord auf: Er sendet die energiereichste Lichtstrahlung aus, die je an einem Stern gemessen wurde. Diese Beobachtung könnte unser heutiges Verständnis von Pulsaren in Frage stellen. Außerdem gibt es offenbar einen neuen, bisher wenig verstandenen Mechanismus, der die Teilchen auf derart hohe Energien beschleunigt. Dies hat ein Forscherteam am MAGIC-Teleskop herausgefunden.  

Der Krebspulsar ist der Überrest einer Supernova-Explosion, deren Licht uns im Jahr 1054 erreichte. Hinter diesem Pulsar verbirgt sich ein Neutronenstern mit einem Durchmesser von nur ungefähr 20 Kilometern, der etwa 30-mal pro Sekunde um die eigene Achse rotiert. Wie ein Leuchtturm sendet er dabei Lichtpulse aus, die sich über das gesamte elektromagnetische Spektrum erstecken – von langen Radiowellen über sichtbares Licht bis hin zu kurzwelligen, energiereichen Gammastrahlen.

Umgeben ist der Pulsar von einem Gasnebel, der bei der Explosion des massereichen Sterns ins All „geblasen“ wurde. Mithilfe des MAGIC-Teleskops haben die Wissenschaftler von dem Objekt Photonen, also Lichtteilchen, entdeckt, deren Energie um ein Vielfaches höher liegt als bisher geglaubt. Dazu werteten sie 320 Beobachtungsstunden zwischen Oktober 2007 und April 2014 aus.

Bis vor wenigen Jahren nahm man an, dass die höchste Energie am Krebspulsar bei 6 GeV (Gigalektronenvolt) liegt. 2008 registrierte das MAGIC-Teleskop ein Energiespektrum von mehr als 25 GeV. Vier Jahre später übertrumpfte das Observatorium sein eigenes Ergebnis mit Messungen von 400 GeV. Jetzt hat MAGIC Gammastrahlen von mehr als 1,5 TeV (Teraelektronenvolt) empfangen! Allerdings können die Forscher noch nicht erklären, wie die geladenen Partikel auf diese extrem hohen Energien beschleunigt werden.

„Bei der Erzeugung energiereicher Teilchen spielt das für Neutronensterne typischerweise enorm starke Magnetfeld eine zentrale Rolle, das seinerseits sehr starke elektrische Felder erzeugt“, sagt Razmik Mirzoyan, Sprecher der MAGIC-Kollaboration und Projektleiter am Max-Planck-Institut für Physik. Denn in der magnetisch geladenen, komplexen Atmosphäre des Neutronensterns werden Elektronen und ihre Antiteilchen – Positronen genannt – auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, bevor sie zerstrahlen.

In diesem Modell lassen sich Gammastrahlenergien bis zu wenigen Gigaelektronenvolt als sogenannte Synchrotronstrahlung erklären; sie tritt immer dann auf, wenn sich Elektronen mit relativistischer Geschwindigkeit in einem Magnetfeld bewegen. Für die nun beobachteten Gammapulse von ungefähr 1,5 TeV muss es aber einen anderen Mechanismus geben.

„Wir können extrem energiereiche Gammastrahlen nur dann beobachten, wenn es diesen Elektronen irgendwie gelingt, der komplexen Topologie des Magnetfelds am Neutronenstern zu entkommen und sich im elektrischen Feld zu beschleunigen“, sagt Mirzoyan. „Dann bilden sie zusammen mit den energieschwächeren Radiowellen und Röntgenstrahlen den Lichtkegel des Pulsars.“

Für die Flucht der Gammastrahlen kommt ein indirekter Weg in Frage: Dabei werden nicht die direkt vom Pulsar ausgehenden Elektronen und Positronen gestreut, sondern ihre beschleunigten Abkömmlinge der zweiten oder dritten Generation. Diese entstehen am äußersten Rand des Magnetfelds in etwa 1500 Kilometern Höhe über dem Stern.

Vereinfacht gesagt, wechselwirken hier energiereiche geladene Teilchen mit UV- und Röntgenstrahlen sowie dem Magnetfeld. Anschließend übertragen die sekundären Teilchen ihre Energie auf niedrigenergetische Photonen und machen sie damit zu energiereichen Gammaquanten. Und diese können das Magnetfeld verlassen. Die beschriebene Energieübertragung bezeichnet man als inversen Compton-Effekt.

Aufgrund dieses Mechanismus könnten sich Gammaphotonen auch im Pulsarwind, weit vom Stern entfernt, bilden. Allerdings kommt das extreme Gammalicht exakt zur selben Zeit am MAGIC-Teleskop an wie die energieärmere Radio- oder Röntgenstrahlung – von denen man weiß, dass sie im Innern des Magnetfelds entstehen.

„Das würde bedeuten, dass die gesamte Strahlung in einer relativ kleinen Region am Rand des Magnetfelds produziert wird oder die energiereiche Gammastrahlung eine Art 'Erinnerung' an Strahlung niedrigerer Energie behält“, sagt Razmik Mirzoyan.

Der Max-Planck-Forscher glaubt, dass der inverse Compton-Effekt halbwegs die Existenz derart energiereicher Gammastrahlen am Pulsar erklären kann. „Langfristig gesehen brauchen wir aber neue, detaillierte theoretische Modelle, die das Phänomen exakt beschreiben“, so Mirzoyan.

BW / HOR

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