„Die Forderungen liegen auf dem Tisch“
Am 30. November beginnt der UN-Klimagipfel in Paris. Welche Erwartungen haben Politiker und Wissenschaftler an diese Großveranstaltung? Vor welche Herausforderungen stellt die globale Erwärmung die Menschheit auf globaler, aber auch auf lokaler Ebene? Darüber diskutierten Jochem Marotzke und Martin Claußen, Direktoren am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, beim Max-Planck Länderforum mit der Hamburger Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank und Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Ralf Krauter vom Deutschlandfunk moderierte die Veranstaltung, die zum ersten Mal in Hamburg stattfand.
Am kommenden Montag geht der globale Klimapoker wieder einmal in eine heiße Phase. Auf der Weltklimakonferenz in Paris treffen sich die Delegationen von 195 Ländern, um einen Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll zu vereinbaren. Geplant ist ein neues Abkommen mit verbindlichen Klimazielen für alle Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention.
Das Ziel der internationalen Klimapolitik besteht darin, die Treibhausgas-Emissionen so weit zu senken, dass die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um maximal zwei Grad Celsius ansteigt – das so genannte „Zwei-Grad-Ziel“. Eine derartige Erwärmung, so die Hoffnung, kann die Menschheit ohne katastrophale Folgen bewältigen.
Um das Ziel zu erreichen, sind allerdings große Anstrengungen nötig. Der letzte Sachstandsbericht des Internationalen Klimarates IPCC kam 2013 zu dem Schluss, dass die Menschheit insgesamt maximal 1000 Gigatonnen Kohlenstoff in Form von CO2 freisetzen darf, damit die Temperaturen nicht höher klettern. Bis 2050 müssten daher die weltweiten Emissionen im Vergleich zu 1990 um die Hälfte sinken, bis 2100 dürften überhaupt keine fossilen Brennstoffe mehr verwendet werden. Bislang geht der Trend jedoch in die falsche Richtung: Die Emissionen steigen weiterhin an.
Dass bei den Verhandlungen in Paris am Ende ein verbindliches Abkommen herauskommt, ist daher zweifelhaft. „Ich halte das nicht für realistisch“, sagt Jochem Marotzke. Seine Erwartungen an den UN-Klimagipfel sind gedämpft. „Für mich wäre es bereits ein gutes Ergebnis, wenn die Weichen für die Zukunft richtig gestellt werden“, sagt der Max-Planck-Forscher.
Immerhin ist in den letzten Jahren Bewegung in die zähen Verhandlungen zum Kampf gegen den Klimawandel gekommen. „Es gibt Anlass zu einem vorsichtigen Optimismus“, sagt Oliver Geden, der bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin die Arbeitsgruppe EU/Europa leitet. So haben mittlerweile mehr als 160 Länder nationale Klimapläne aufgestellt, die das Ziel haben, die Emissionen zu begrenzen. „Vor ein paar Jahren hatten nur die EU und drei weitere Länder solche Pläne“, berichtet Geden. Auch das 2014 zwischen China und den USA geschlossene Klimaabkommen sei ein Schritt in die richtige Richtung.
Doch die bisherigen Anstrengungen werden nicht reichen, um den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. Zwar ist es Deutschland gelungen, die CO2-Emissionen um 27 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, in der gesamten EU beträgt der Rückgang 23 Prozent. Von dem selbstgesetzten Ziel, den Klimagas-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu verringern, ist Deutschland aber noch ein gutes Stück entfernt. Die Klimapläne vieler anderer Nationen existieren bislang erst auf dem Papier. „Aus den nationalen Klimaplänen können wir keine Rückschlüsse auf das Klima im Jahr 2100 ziehen“, sagte Oliver Geden. „Es gibt jetzt zwar ein Tempolimit für den Klimawandel, aber bislang hält sich niemand daran.“
An einem Mangel an wissenschaftlichen Fakten liegt diese Untätigkeit nicht. „Der aktuelle Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahr 2013 stellt fest, wie viele Emissionen noch erlaubt sind, wenn wir ein bestimmtes Temperaturziel erreichen wollen“, so Martin Claußen, der als Experte zur deutschen Delegation beim letzten Klimagipfel in Stockholm gehörte. „Die wissenschaftlichen Aussagen sind allen bekannt, jetzt sollte die Politik handeln“, fordert der Max-Planck-Forscher.
Häufiger Sturmfluten und Binnenhochwasser
Auf welche Weise große Metropolen zum Klimaschutz beitragen können, demonstriert das Bundesland Hamburg. Bereits 2013 hat die Stadt ein entsprechendes Konzept vorgelegt, den „Masterplan Klimaschutz“. Darin sind zum einen Anpassungsmaßnahmen an Klimaveränderungen berücksichtigt. Martin Claußen und Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht haben 2011 den Klimabericht für die Metropolregion Hamburg herausgegeben, eine Art lokalen IPCC-Bericht. Die zweite Auflage ist gerade in Arbeit.
Demnach muss sich Hamburg darauf einstellen, dass in Zukunft die Sturmfluten höher auflaufen und die Binnenhochwasser im Winter steigen. „Die Winter werden feuchter“, berichtet Martin Claußen. „Die Deiche werden noch einige Jahrzehnte reichen, aber ob dies für das gesamte Jahrhundert gilt, ist noch nicht sicher abzuschätzen. Die weitere Planung muss sich Zukunft immer wieder neu, an fundierten Kenntnissen zum Meeresspiegelanstieg orientieren.“
Zum anderen enthält der Hamburger Masterplan auch konkrete Maßnahmen, um die Treibhausgas-Emissionen der Stadt bis 2050 um 80 Prozent zu senken – zum Beispiel durch Rohstoffrecycling, Radwegebau, die Förderung erneuerbarer Energien oder Gebäudesanierung. „Wir arbeiten sehr aktiv daran, die gesetzten Ziele zu erreichen“, sagt Katharina Fegebank. Dabei hat die Stadt mit typischen Problemen zu kämpfen: Die Interessen der Wirtschaft stehen dem Klimaschutz häufig entgegen, und kaum ein Bürger ändert seinen Lebensstil, um das Klima zu schützen. „Um Akzeptanz für den Klimaschutz zu schaffen, brauchen wir keine idealistische Debatte, sondern kreative Lösungen“, so die Wissenschaftssenatorin. Für die Industrie sei es beispielsweise interessant, wenn durch den Klimaschutz Standortvorteile entstehen. Und die Bürger steigen zwar nicht aus Umweltschutzgründen aufs Fahrrad um – aber vielleicht, weil sie damit schneller ans Ziel kommen als mit dem Auto.
Maßnahmen auf lokaler Ebene und selbst auf Ebene der gesamten EU sind aber letztlich nicht umfassend genug, um den Klimawandel einzudämmen. Denn der Anstieg der CO2-Werte ist ein globales Problem. Die EU trägt nur zehn Prozent zu den weltweiten Emissionen bei. Die Teilnehmer des Max Planck Länderforums waren sich aber einig, dass die Anstrengungen in Deutschland und Europa nicht vergebens sind. „Wenn nicht jemand die Vorreiterrolle übernimmt, passiert in anderen Ländern auch nichts“, ist Jochem Marotzke überzeugt. „Wir in Deutschland und der EU müssen zeigen, dass es uns in dieser Vorreiterrolle wirtschaftlich gut geht. Dann kommt der Zug auch in anderen Ländern ins Rollen.“
Text: Ute Kehse