„Wir wissen, dass eine Blockade von HO-1 die Folgeerkrankungen von Übergewicht verhindern und lindern kann“

Interview mit J. Andrew Pospisilik und Harald Esterbauer

4. Juli 2014

J. Andrew Pospisilik vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und Harald Esterbauer von der Medizinischen Universität Wien im Gespräch über die neue Bedeutung des Enzyms Hämoxygenase-1 (HO-1) für Folgeerkrankungen bei Übergewicht wie Diabetes.

Was ist das zentrale Ergebnis Ihrer Studie?

Esterbauer: Das Protein HO-1 ist verantwortlich für gesundheitliche Probleme, die als Folge von Übergewicht auftreten, wie zum Beispiel die Entwicklung von Insulinresistenz, einer Vorstufe von Typ 2 Diabetes. Wenn wir in Mäusen HO-1 in Leberzellen oder in den Fresszellen des Immunsystems ausschalten, können wir diese Folgeerkrankungen abschwächen oder sogar völlig verhindern.

Pospisilik: Das Besondere an HO-1 ist auch, dass es in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung aktiv ist. Das macht das Molekül medizinisch so interessant, denn je früher man das Erkrankungsrisiko von Übergewichtigen kennt, desto erfolgreicher kann man die Folgeerkrankungen behandeln.

Was haben Ihre Untersuchungen an den Mäusen ergeben?

Pospisilik: Wir haben mit einer speziellen Technik gearbeitet, mit der wir HO-1 ganz gezielt in einzelnen Zelltypen und Geweben ausschalten können. Das Ergebnis hat uns gezeigt, dass HO-1 in Muskel- und Fettzellen sowie in Insulin-bildenden Zellen der Bauchspeicheldrüse keine Rolle zu spielen scheint. Wenn wir es aber ganz selektiv in der Leber oder in den Fresszellen des Immunsystems ausschalten, wirkt sich das enorm auf das Erkrankungsrisiko aus. Ohne HO-1 in diesen Zellen blieben die Mäuse gesund und entwickeln keine Insulinresistenz, selbst wenn sie mit sehr fettreichem Futter ernährt wurden.

Esterbauer: HO-1 ist einerseits eine Voraussetzung für die Entstehung von Folgeerkrankungen bei Übergewicht: Fehlt es, bleiben auch die schwer übergewichtigen Tiere gesund. Umgekehrt ist HO-1 auch ausreichend dafür, krank zu werden. Es sind also keine weiteren Faktoren erforderlich.

Welche Rückschlüsse lassen die Resultate an den Mäusen für den Menschen zu?

Esterbauer: Zunächst einmal haben wir auch Gewebeproben von kranken und gesunden Übergewichtigen untersucht. Auch in diesen Analysen haben wir einen eindeutigen Zusammenhang zwischen hohen HO-1-Spiegeln und Insulinresistenz gefunden. Darüber hinaus scheint HO-1 in Mäusen und Menschen eine sehr ähnliche Rolle zu spielen. Daher eignet sich die Maus in diesem speziellen Fall auch sehr gut, die Rolle von HO-1 zu studieren.

Welche Bedeutung könnte HO-1 für die Diagnose von übergewichtsbedingten Erkrankungen haben?

Esterbauer: Gerade für die frühe Erkennung von Übergewichtigen mit einem hohen Diabetesrisiko könnte sich HO-1 gut eignen. Die von uns gefundene frühe Erhöhung der HO-1-Werte bei Insulinresistenz lässt uns hoffen, dass schwere, nicht rückgängig zu machende Schäden verhindert werden können. Mit etwas Glück dürfte dies sogar über einen einfachen Bluttest möglich sein. Ein Test, der auch eine relativ unkomplizierte Untersuchung einer großen Anzahl von Menschen ermöglicht. Wenn man bedenkt, dass hierzulande vermutlich mehr als 20 Prozent der Patienten mit Insulinresistenz und Typ 2 Diabetes bisher unerkannt bleiben, ist das ein besonders wichtiger Punkt.

Und für die Therapie?

Pospisilik: Unsere genetischen Daten zeigen ganz eindeutig, dass eine alleinige Blockade von HO-1 auch bei starkem Übergewicht Insulinresistenz, Diabetes und Fettleberschäden verhindern bzw. stoppen kann. Dabei scheinen die von HO-1 verursachten Entzündungsreaktionen, sowohl für die Entstehung als auch für den weiteren Verlauf dieser Erkrankungen verantwortlich zu sein. Eine Behandlung mit HO-1-Hemmstoffen ist deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl in der Frühphase wie bei Insulinresistenz, aber auch bei einer bereits bestehenden Erkrankung wie ausgebrochenem Typ 2 Diabetes erfolgreich.

Ist HO-1 auch an anderen Erkrankungen beteiligt?

Esterbauer: Wir wissen, dass HO-1 zum Beispiel auch bei Alzheimer- und Parkinson-Patienten in den Nervenzellen sehr stark aktiviert wird. Ermutigt durch unsere Beobachtungen vermuten wir, dass dem Enzym HO-1 auch bei diesen Erkrankungen eine wesentliche krankheitsauslösende Rolle zukommt. Somit könnte auch hier eine Blockade von HO-1 den vollen Ausbruch der Erkrankung verlangsamen.

Was sind die nächsten Schritte?

Pospisilik: Die Weiterentwicklung als Diagnose-Methode kann eigentlich sofort beginnen. Wir brauchen vor allem Daten von wesentlich mehr Patienten und Daten zu unterschiedlichen Formen von Diabetes.

Für die Weiterentwicklung als Behandlungsmethode müssen wir zunächst noch besser verstehen wie HO-1 funktioniert. Ist seine Enzymeigenschaft entscheidend oder bindet es andere Proteine und wirkt als Adapterprotein? Für die Aufklärung dieser Zusammenhänge muss man voraussichtlich ein bis zwei Jahre veranschlagen. Sobald wir wissen, worauf wir uns konzentrieren müssen, können wir uns auf die Suche nach einem entsprechenden HO-1-Hemmstoff machen.

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