Umwelteinflüsse hinterlassen Spuren im Erbgut
Fettreiche Ernährung und Tageslänge verändern epigenetische Markierungen in Wildmäusen
Eineiige Zwillinge sind sich als Kinder sehr viel ähnlicher als im Alter. Einer der Gründe dafür sind sogenannte epigenetische Veränderungen – chemische Anhängsel an die DNA oder ihre Verpackungsproteine. Umwelteinflüsse können diese Markierungen im Laufe des Lebens verändern. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön haben jetzt erstmals eine solche epigenetische Veränderung bei Wildmäusen untersucht und dabei herausgefunden, dass fettreiche Nahrung und längeres Tageslicht die Markierung verändert. Dadurch werden Stoffwechsel-Gene in der Leber aktiv, mit denen die Tiere die energiereiche Nahrung effektiver verwerten können. Diese Anpassungen an vergleichsweise milde Umweltveränderungen werden jedoch nicht an die Nachkommen weitergegeben. Auch beim Menschen könnten solche Umweltschwankungen epigenetische Markierungen regulieren.
Sowohl das DNA-Molekül als auch die Histon-Verpackungsproteine können epigenetisch verändert sein. Verschiedene Umweltfaktoren können die epigenetischen Veränderungen beeinflussen. Dazu zählen beispielsweise die Ernährung, Populationsdichte und Stress. Eine solche Veränderung ist die dreifache Methylierung einer Lysin-Aminosäure der Histone. Dadurch können die Gene auf dem benachbarten Abschnitt des DNA-Moleküls abgelesen und aktiviert werden.
Viele Epigenetik-Studien arbeiten mit Zellkulturen oder ingezüchteten Labormäusen und halten so die natürlichen Unterschiede zwischen den Individuen möglichst gering. Epigenetische Veränderungen, wie sie unter natürlichen Bedingungen auftreten, lassen sich so allerdings nicht erforschen. Die Evolutionsforscher am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie haben die Histon-Methylierung deshalb an aus der Natur stammenden Hausmäusen (Mus musculus) untersucht, wie Unterschiede im Futter und Tageslänge die epigenetische Veränderung der Histone beeinflussen.
Sie ließen dafür zwei Gruppen von Mäusen in halb-natürlichen Gehegen mit unterschiedlichem Futter und Lichtverhältnissen aufwachsen. Statt eines Futters, das elf Prozent der verwertbaren Energie als Fett enthält, erhielt eine Gruppe Nahrung mit 22 Prozent Fettanteil. Diese Population lebte zudem unter einem 18-Stunden-Tag – beides ist typisch für den Sommer.
Die Plöner Forscher beobachteten acht Monate lang mehrere Generationen der beiden Mäusepopulationen. Für ihre Untersuchung wählten sie junge Tiere aus, deren Eltern bereits während des Experiments geboren wurden, und analysierten das Muster der Lysin-Methylierung der Histone im gesamten Erbgut von Zellen in der Leber.
Das veränderte Verhältnis von Fett, Kohlenhydraten und Protein in der Nahrung führt demnach nicht dazu, dass Markierungen abgebaut oder neu gesetzt werden. "Eine gesunde Leberzelle ist und bleibt eine gesunde Leberzelle - zusätzliche epigenetische Marker würden vermutlich eine krankhafte Veränderung darstellen", erklärt Angelika Börsch-Haubold vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie.
Mithilfe einer eigens entwickelten Datenbank und Analyse-Programmen entdeckten die Plöner Forscher, dass die epigenetischen Markierungen von Stoffwechsel- und ihren Steuerungs-Genen auf das Futter reagierten. Dabei wurden Steuerungsgene für den Fett- und Cholesterin-Stoffwechsel sowie für die Gallenflüssigkeit aktiviert. "Mit diesen Veränderungen können die Tiere schnell auf die energiereiche Nahrung reagieren und sie besser verwerten", sagt Börsch-Haubold.
Die Veränderungen wurden aber nicht an die Nachkommen weitergegeben. Einschneidende Ereignisse wie Hungerperioden oder traumatische Erlebnisse können dagegen epigenetische Veränderungen hervorrufen, die über mehrere Generationen hinweg stabil sind. Weniger drastische Ereignisse wirken sich also nicht auf die Nachkommenschaft aus. "Unsere Studie zeigt somit zum ersten Mal, wie natürliche Umweltveränderungen das Erbgut von Wildtieren beeinflussen", so Börsch-Haubold. Als nächstes wollen die Wissenschaftler untersuchen, in welchem Lebensabschnitt die Umwelt das Epigenom verändert.
ABH/HR