Emissionen neu berechnet

Meteorologen haben ermittelt, wie viel Kohlendioxid der Mensch in die Luft abgeben darf, damit sich die Erde global um nicht mehr als zwei Grad erwärmt

29. Juli 2010

Während der Weltklimarat 2007 Temperaturänderungen für verschiedene Szenarien berechnete, gehen Forscher vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie nun einen Schritt weiter: Ein neues Modell gibt die maximalen Kohlendioxidmengen wieder, die der Mensch emittieren darf, um unter der kritischen Erwärmungsgrenze von zwei Grad zu bleiben. Dazu integrierten die Wissenschaftler in ihre Berechnungen den Kohlenstoffkreislauf, also die Kohlendioxidmenge, die durch Ozeane und Wälder aufgenommen und abgegeben wird. Ziel des internationalen Projekts ENSEMBLES ist es, zukünftige Klimaänderungen und Kohlendioxid-Emissionen zu simulieren und daraus noch zuverlässigere Grenzwerte zu ermitteln. (Climatic Change, 21. Juli 2010)

Seit Beginn der Industrialisierung ist die Kohlendioxid-Konzentration der Atmosphäre infolge der Verbrennung fossiler Energieträger (Gas, Öl) um rund 35 Prozent angestiegen. Sollten die Kohlendioxid-Emissionen und damit die Kohlendioxid-Konzentrationen weiterhin ungebremst zunehmen, ist noch in diesem Jahrhundert mit einer drastischen Erhöhung der Temperatur zu rechnen. Wissenschaftler aus ganz Europa haben jetzt erstmals mithilfe von neuen Modellen aus einer vorgegebenen Kohlendioxid-Konzentration errechnet, wie stark die globalen Kohlendioxid-Emissionen verringert werden müssten, damit die globale Erwärmung gebremst werden kann.

"Das Neue an dieser Arbeit ist, dass wir den Kohlenstoffkreislauf in unser Modell integriert haben, um die Emissions-Daten zu erhalten", sagt Erich Roeckner. Demnach steigt die erlaubte Kohlendioxid-Emission von etwa sieben Milliarden Tonnen Kohlenstoff im Jahr 2000 auf einen Maximalwert von etwa zehn Milliarden Tonnen Kohlenstoff im Jahr 2015 an. Die Emissionen müssen anschließend um 56 Prozent bis zum Jahr 2050 verringert werden und bis zum Ende dieses Jahrhunderts sogar gegen Null gehen, um eine langfristige Stabilisierung der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration zu erreichen. Obwohl die globale Erwärmung nach diesen Berechnungen bis 2100 unterhalb der Zwei-Grad-Grenze bleibt, ist längerfristig dennoch eine weitere Erwärmung zu erwarten: "Es wird Jahrhunderte dauern bis sich das globale Klimasystem stabilisiert hat", sagt Erich Roeckner.

Die Wissenschaftler wendeten eine neue Methode an, mit der sie aus bereits errechneten Kohlendioxid-Konzentrationen rückwirkend zeitliche Emissionsverläufe rekonstruierten. Damit folgten Erich Roeckner und sein Team der Methodik, die der Weltklimarat (IPCC) für die Simulationen zum kommenden fünften Statusbericht vorschlägt: Erdsystemmodelle inklusive Kohlenstoffkreislauf werden verwendet, um die anthropogenen Kohlendioxid-Emissionen abzuschätzen, die mit einem vorgeschriebenen Konzentrationsverlauf vereinbar sind. Die Emissionen hängen dann allein davon ab, welcher Anteil des anthropogenen Kohlenstoffs im Modell von der Landoberfläche und den Ozeanen aufgenommen wird. Die Wiederholung der Experimente mit unterschiedlichen vorindustriellen Startterminen erlaubt, anthropogene Klimaänderung und interne Klimavariabilität zu unterscheiden.

Das für diese Studie genutzte Modell bezieht sich auf ein grobes räumliches Raster mit rund 400 Kilometer Gitterabstand, das die Atmosphäre einschließlich der Landoberfläche, den Ozean inklusive Meereis sowie den marinen und terrestrischen Kohlenstoffkreislauf berücksichtigt.

Ziel der gesamten Studie ist es, zukünftige Klimaänderungen und Kohlendioxidemissionen in einem Szenario zu simulieren, in dem die Kohlendioxidäquivalent-Konzentrationen in der Atmosphäre langfristig auf 450 ppm stabilisiert werden, sodass die Erderwärmung maximal um zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau steigt. Gegenwärtig werden die Daten von weiteren europäischen Klimazentren ausgewertet. "Sobald alle Ergebnisse vorliegen, können wir die Streuung zwischen den Modellen auswerten", sagt Erich Roeckner. "Je mehr signifikante Daten wir haben, desto genauer wird unsere Prognose."

Zur Redakteursansicht