Wasser im frühen Universum
Max-Planck-Forscher weisen mit dem Radioteleskop Effelsberg Wasser in Rekordentfernung nach
Eine Gruppe unter der Leitung von Violette Impellizzeri hat mit dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg Wasser in der bisher größten bekannten Entfernung im Universum nachgewiesen. Das Wassermolekül wurde in dem Quasar MG J0414+0534 bei einer Rotverschiebung von 2,64 gefunden. Das entspricht einer Lichtlaufzeit von 11,1 Milliarden Jahren. Bei diesem Quasar schauen die Max-Planck-Forscher also zurück in eine Zeit, in der das Universum nur ein Fünftel seines heutigen Alters hatte. (Nature, 18. Dezember 2008)
Das Wasser in MG J0414+0534 ist vermutlich Bestandteil von Gas- und Staubwolken, die auf ein extrem massereiches Schwarzes Loch im Zentrum dieses weit entfernten Galaxienkerns einströmen. Nachfolgende Messungen bei sehr hoher Auflösung mit dem amerikanischen EVLA- ("Expanded Very Large Array") Interferometer bei Socorro/New Mexico bestätigten den Fund der Wissenschaftler um Impellizzeri, Doktorandin am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
Bei der Entdeckung von Wasser im frühen Universum half der Zufall: Der Quasar steht am Himmel in derselben Richtung wie eine Vordergrundgalaxie. Diese liegt näher am Betrachter und wirkt wie ein gewaltiges kosmisches Teleskop. Durch den Einfluss ihrer Schwerkraft wird das Licht des Quasars verstärkt und gleichzeitig in vier separate Bilder aufgespalten. Ohne diesen Gravitationslinseneffekt hätte es 580 Tage Messzeit mit einem 100-Meter-Teleskop gebraucht, um die Strahlung des Wassermoleküls sichtbar zu machen; so genügten 14 Stunden.
"Es haben schon andere Gruppen versucht, Wasser in solch großer Distanz aufzufinden und sind daran gescheitert. Wir wussten, dass wir hinter einem sehr schwachen Signal her waren", sagt Violette Impellizzeri. "Deswegen suchten wir mit Absicht ein System mit einer Vordergrundgalaxie als Vergrößerungsglas. Auch wenn wir nicht gleich fündig wurden, sind wir drangeblieben und hatten schließlich die Linie im Kasten."
Für ihre Entdeckung nutzten die Forscher einen weiteren glücklichen Umstand: Aufgrund der Expansion des gesamten Weltalls bewegt sich auch die Galaxie MG J0414+0534 vom Beobachter weg. Dabei wird ihr Licht in den roten Bereich des Spektrums verschoben. Und diese Rotverschiebung ist gerade so groß, dass sich Frequenz der Strahlung des Wassermoleküls von ursprünglich 22 auf 6 Gigahertz verringert - was genau dem Bereich des in Effelsberg eingesetzten Empfängers entspricht.
"Interessant ist, dass wir Wasser bereits in der ersten unserer Kandidatengalaxien in großer Entfernung nachweisen konnten, bei denen die Strahlung durch eine Vordergrundgalaxie als Gravitationslinse verstärkt wird", erläutert John McKean, Zweitautor der Veröffentlichung. "Wir vermuten, dass das Wassermolekül in der Frühzeit des Universums wesentlich häufiger auftritt als zunächst angenommen. Somit können wir die massereichen Schwarzen Löcher in fernen Galaxien untersuchen und die Entwicklung von Galaxien bei sehr hoher Rotverschiebung."
Die Signalaussendung des Wassermoleküls erfolgte in gebündelter Form, als sogenannter Maser - im Mikrowellenbereich das Gegenstück zum optischen Laser. Das Signal entspricht einer Leuchtkraft vom 10.000-fachen der gesamten Sonnenleuchtkraft nur in einer einzigen Spektrallinie. Solche astrophysikalischen Maserquellen sind aus Gebieten mit heißem, dichtem Staub und Gas bekannt. Der Nachweis des Wassers in MG J0414+0534 zeigt erstmals eine derart dichte Gaskomponente in der Frühzeit des Kosmos. Die Bedingungen für Bildung und Fortbestehen des Wassermoleküls mussten also bereits zu einer Zeit vorgeherrscht haben, die nur 2,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall lag.
Als Quelle für Wassermaser in Galaxien werden heißes Gas und Staub angenommen, die in der sogenannten Akkretionsscheibe in geringem Abstand die sehr massereichen, zentralen Schwarzen Löcher umkreisen. Die durch den Masereffekt verstärkte Radiostrahlung lässt sich normalerweise nur dann beobachten, wenn man fast von der Kante aus auf die rotierende Scheibe blickt. Bei MG J0414+0534 ist die Scheibe jedoch so ausgerichtet, dass man sie nahezu senkrecht von oben sieht. "Das könnte bedeuten, dass die Wassermaser, die wir hier beobachten, nicht in der Akkretionsscheibe sitzen, sondern in den superschnellen Materiestrahlen oder Jets, die senkrecht zur Scheibe durch die Schwerkraft des Schwarzen Lochs herausgeschleudert werden", sagt John McKean.
Bisher haben die Astronomen in rund 100 Galaxien Wasser gefunden. MG J0414+0534 hält mit einer Distanz von 11,1 Milliarden Lichtjahren den Rekord. "Wir werden die Suche nach Wasser auch auf andere weit entfernte Galaxien ausdehnen, und zwar mit den Teleskopen, die wir jetzt schon zur Verfügung haben und ebenso mit der nächsten Generation von Radioteleskopen. Denn jetzt wissen wir, dass es da draußen Wasser gibt", sagt Violette Impellizzeri.
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Zum Forschungsteam gehören Violette Impellizzeri als Erstautorin, John McKean und Alan Roy, alle aus der Forschunggruppe "Very Long Baseline Interferometry" am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) und Paola Castangia vom Cagliari-Observatorium in Italien, die als Doktorandin in einem Austauschprogramm am MPIfR war, als das Projekt durchgeführt wurde. Weiterhin Christian Henkel und Andreas Brunthaler, beide Mitarbeiter in der Forschungsgruppe "Spektroskopie" am MPIfR, und Olaf Wucknitz vom Argelander-Institut für Astronomie an der Universität Bonn. Violette Impellizzeri hat dieses Projekt als Teil ihrer Promotion am MPIfR durchgeführt; sie ist zurzeit als Postdoc am National Radio Astronomy Observatory (NRAO) in Charlottesville/USA.
Das Radioteleskop Effelsberg wird vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn betrieben und spielt seit Jahren eine wichtige Rolle beim Auffinden von Wassermasern in anderen Galaxien und deren Verwendung als Hilfsmittel zur Untersuchung der zentralen Schwarzen Löcher in diesen Galaxien. Der erste Nachweis von Wasser außerhalb unserer Milchstraße erfolgte bereits 1977 mit dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg (in der nahen Galaxie M33). Für eine Weile stellte das in der Galaxie 3C 403 nachgewiesene Wasser den Rekord dar (mit einer Rotverschiebung von 0,06). Mit MG J0414+0534 wurde nun Wasser in noch wesentlich größerer Entfernung wiederum mit dem 100-m-Teleskop nachgewiesen.
Das Very Large Array (VLA) wird vom amerikanischen National Radio Astronomy Observatory betrieben und besteht aus 27 Radioteleskopen von je 25 Metern Durchmesser, die als Netzwerk (Interferometer) miteinander verbunden sind. Zurzeit wird der Frequenzbereich, in dem das VLA eingesetzt werden kann, zum "Expanded Very Large Array" (EVLA) erweitert. Die neuen Empfänger für einen Frequenzbereich zwischen 4 und 8 GHz, die bereits an neun EVLA-Antennen zur Verfügung standen, wurden für das vorliegende Projekt eingesetzt.