Blick auf einen sterbenden Riesen
Max-Planck-Astronomen beobachten Staubring um einen Stern im letzten Lebensstadium
Forschern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Garching bei München ist es zum ersten Mal gelungen, die Umgebung eines Sterns im letzten Stadium seiner Entwicklung detailliert darzustellen. Die Daten zeigen einen dicken Staubring um den sterbenden Überriesen. Anfänglich hatte der Gigant ungefähr die 25-fache Masse der Sonne, seitdem aber zehn bis 40 Prozent seines "Gewichts" abgespeckt. Nun geht er seinem endgültigen Schicksal als Supernova entgegen (Astronomy & Astrophysics).
Laut Theorie stößt ein alternder Stern große Materiemengen in Form eines heftigen Sternwinds aus. So entsteht allmählich eine dicke Hülle oder ein Materiering aus unterschiedlichen Molekülen und Staub. Bereits seit Jahrzehnten versuchen die Forscher zu verstehen, wie genau massereiche Sterne in ihren späten Entwicklungsstadien derart große Mengen von Material verlieren, bevor sie ihr Leben als Supernova beenden.
Die vielleicht beste Möglichkeit dazu bietet die Untersuchung der Hülle, die den Stern umgibt. Aufgrund der gewaltigen Entfernungen bleibt es sogar mit den weltweit größten optischen Teleskopen schwierig, die Hüllen selbst der nächstgelegenen Riesensterne detailliert zu beobachten. Bei Objekten, die außerhalb der Milchstraße liegen, wird das schier unmöglich.
Die Zusammenschaltung von zwei oder mehr Fernrohren zu einem Interferometer ermöglicht jedoch ein wesentlich höheres Auflösungsvermögen als ein einzelnes Teleskop. Das Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO in Chile, bei dem zwei oder drei der insgesamt vier 8,2-Meter-Spiegel auf dem Cerro Paranal verbunden werden, gilt als eines der größten und leistungsstärksten Instrumente dieser Art.
Für ihre Beobachtungen des Sterns mit der Katalogbezeichnung WOH G64 kombinierten die Wissenschaftler zwei 8,2-Meter-Spiegel. Das auf diese Weise entstandene Interferometer erreichte das Auflösungsvermögen eines virtuellen 60-Meter-Teleskops. Das Team nutzte das VLTI-Instrument namens MIDI, das in zwei Frequenzbändern im mittleren Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums arbeitet.
Wie ein Tennisball auf dem Brandenburger Tor
Zoom MIDI eignet sich zur Beobachtung der Wärmestrahlung aus der Staubhülle, die durch den Zentralstern aufgeheizt wird. Das Auflösungsvermögen des Instruments ist so hoch, dass man damit von Bonn aus einen Tennisball auf dem Brandenburger Tor in Berlin sehen könnte. Das bietet die Möglichkeit, gleichsam per Zoom die unmittelbare Umgebung des sterbenden Sterns zu erkunden, der sich in der etwa 160.000 Lichtjahre entfernten Großen Magellanschen Wolke befindet.
"Zum ersten Mal haben wir eine detaillierte Ansicht von einem Stern gewonnen, der außerhalb unserer Milchstraße liegt. Das ist ein wichtiger erster Schritt, um zu verstehen, wie sterbende Sterne in anderen Galaxien sich von denen in unserer eigenen unterscheiden", sagt Keiichi Ohnaka vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. "Wir haben herausgefunden, dass dieser Überriese in der letzten Phase seines Lebens von einem dicken Staubring umgeben wird, der, wenn man es mit theoretischen Modellrechnungen vergleicht, so ähnlich aussieht wie ein Donut aus der Bäckerei."
Der Durchmesser des Giganten gleicht dem Bahndurchmesser des Saturn um die Sonne. Die Ausdehnung des gesamten Staubrings ist noch gewaltiger: Allein der innere Rand des Rings liegt bei 120 Astronomischen Einheiten, also dem 120-Fachen des Abstands der Erde von der Sonne. Die gesamte Ausdehnung des Staubrings dürfte beinahe ein Lichtjahr messen.
Frisches Lüftchen im All
Die Forscher konnten abschätzen, dass die Gesamtmasse des Sterns WOH G64 zum Zeitpunkt seiner Entstehung ungefähr 25-mal so groß war wie die Masse der Sonne. Sie fanden weiter heraus, dass inzwischen zehn bis 40 Prozent der ursprünglichen Masse durch einen heftigen Sternwind in den Staubring hinausgeblasen worden sind.
Und so sieht die zukünftige Entwicklung von WOH G64 aus: Eines Tages, in vielleicht 1000 oder 10.000 Jahren, wird der Stern als Supernova hochgehen, ähnlich der berühmten Supernova 1987 A, die ebenfalls in der Großen Magellanschen Wolke explodiert ist. Angesichts der Masse von WOH G64 ist zu erwarten, dass diese Supernova ähnlich hell wird wie das Objekt 1987 A und auf der Südhalbkugel der Erde ebenfalls mit dem bloßen Auge zu sehen sein dürfte. Die Supernova-Explosion wird den überwiegenden Teil der Masse von WOH G64 in den Raum schleudern - und damit Rohmaterial liefern für die Entstehung der nächsten Generation von Sternen.