Mediation: Institutionelle Einbindung entscheidend für Erfolg

Ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht untersucht weltweit Regelungen, Rechtstatsachen, Erfahrungen und Akzeptanz der außergerichtlichen Konfliktlösung

23. September 2008

Rechtswissenschaftler des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg haben im Auftrag des deutschen Bundesjustizministeriums ein Gutachten zur Mediation als außergerichtliches Verfahren für Konfliktlösungen erstellt. In diesem untersuchen und bewerten die Juristen die Regelungen und Rechtstatsachen zur Mediation im europäischen und internationalen Kontext. Im Fokus stehen dabei unter anderem die Definition und Bedeutung der Mediation, ihre institutionelle Einbindung, die Struktur des Verfahrens sowie das Berufsrecht der Mediatoren. Eine zentrale Erkenntnis der umfassenden Untersuchung: Die Mediation wird in einem Land immer dann besonders erfolgreich praktiziert, wenn eine institutionelle Einbindung in das System der Streitschlichtungsverfahren gegeben ist. Das Gutachten des Hamburger Instituts, das sich bereits seit seiner Gründung im Jahre 1926 der Rechtsvergleichung im Privat-, Handels-, Wirtschafts- und Zivilverfahrensrecht widmet, stellt damit eine wichtige Vorbereitung auf die Umsetzung der europäischen Mediationsrichtlinie dar. Unter dem Titel "Hopt/Steffek: Mediation - Rechtstatsachen, Rechtsvergleich, Regelungen" ist es im Verlag Mohr Siebeck erschienen.

Am 23. April 2008 hat das Europäische Parlament die "Richtlinie über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen" in zweiter Lesung angenommen. Die sogenannte Mediationsrichtlinie verankert die Mediation als Verfahren der Streitbewältigung in Europa. Leitendes Prinzip ist ein einfacherer, besserer und nachhaltigerer Zugang der Bürger zum Recht. Die Richtlinie muss bis zum Mai 2011 vollständig in deutsches Recht umgesetzt werden. Der deutsche Gesetzgeber steht daher nun vor zwei grundlegenden Fragen. Zunächst muss geklärt werden, an welchen Stellen sich durch die Richtlinie Regelungsbedarf ergibt. Darüber hinaus gilt es zu klären, ob anlässlich der Umsetzung der Richtlinie für grenzüberschreitende Streitigkeiten auch nationale Regeln geschaffen werden müssen, die über die bereits bestehenden Vorschriften zur außergerichtlichen Streitbeilegung hinausgehen.

"Der Gesetzgeber steht nun vor der Wahl, ob er ein allgemeines Mediationsgesetz oder nur punktuelle Regeln zur Förderung der Mediation anstrebt", erklärt Klaus J. Hopt vom Max-Planck-Institut für Privatrecht. "Darüber hinaus gilt es, die richtige Regelungsebene zu treffen. Das Gutachten soll dabei helfen, aus den Erfahrungen anderer Rechtsordnungen mit diesen und anderen Fragen zu lernen."

Aus den Erfahrungen anderer lernen

Die Entwicklung der Mediation in Deutschland ist seit Beginn von einer rechtsvergleichenden Tradition geprägt. Aus diesem Grunde wurde im Vorfeld der Umsetzung der Mediationsrichtlinie dieses einzigartige, rechtsvergleichende Gutachten zur Mediation vom Bundesjustizministerium initiiert. Im Zentrum der Forschungsarbeit stehen Länder Europas und der Welt, in denen die Mediation eine vergleichsweise lange Tradition hat oder auf besondere Weise gefördert wird. Die Untersuchung erstreckt sich somit auf die folgenden Länder: Australien, Bulgarien, China, England, Frankreich, Irland, Japan, Kanada, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Russland, Schweiz, Spanien, Ungarn und die USA. Analysiert werden jeweils die Definition der Mediation und Regelungstypen, die institutionelle Einbindung in das Recht und die Verfahren der Streitschlichtung, Struktur und Ablauf des Verfahrens, Mediation in besonderen Rechtsgebieten, Pflichten, Haftung und Berufs¬recht der Mediatoren sowie empirische Befunde.

Zu den zentralen Erkenntnissen der Studie zählt, dass die Mediation in einem Land immer dann besonders erfolgreich praktiziert wird, wenn eine institutionelle Einbindung der Mediation in das System der Streitschlichtungsverfahren gegeben ist. So genießt die Mediation in den Ländern, in denen die jeweils maßgeblichen Personengruppen wie Richter, Anwälte und Parteien als Multiplikatoren für die Mediation gewonnen werden konnten, eine besonders hohe Akzeptanz. Dabei hat es sich vielfach bewährt, die Förderung der Mediation zu institutionalisieren, sei es in Form eines Mediationskoordinators oder einer unabhängigen Institution, die den Kontakt zwischen Richtern, Anwälten, Parteien und Mediatoren herstellt und über das Thema informiert. Exemplarisch wird dies beispielsweise in den USA, England und die Niederlande praktiziert.

Hinsichtlich der vielfach diskutierten Regulierung des Berufsrechts der Mediatoren stellt das Gutachten drei Modelle vor: Das in Australien anzutreffende Zulassungsmodell verlangt eine hoheitliche Zulassung, bevor ein Mediator seiner Arbeit nachgehen darf. Bei dem in Österreich gewählten Anreizmodell treten günstige Rechtsfolgen für die Medianden (z. B. besondere Regeln zu den Mediatorenpflichten oder der Vertraulichkeit) nur ein, wenn sie eingetragene Mediatoren bestellen. Dadurch entsteht auf Seite der Parteien der Anreiz, registrierte Mediatoren zu beauftragen und auf Seite der Mediatoren, die Qualitätsanforderungen der Registrierung zu erfüllen. Das in England anzutreffende Marktmodell vertraut schließlich darauf, dass das Spiel zwischen Angebot und Nachfrage nach Mediatorendiensten letztlich hohe Berufsstandards hervorbringt.

Viele nationale Wege, ein globales Ziel

"Bei der Auswertung der verschiedenen nationalen Rechtstatsachen wurde klar, dass sich die Mediation abstrakt als Methode kaum statistisch erfassen und bewerten lässt", erklärt Felix Steffek, Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht und Mitherausgeber des Gutachtens. "Vielmehr ergibt und erklärt sich ihre Wirkung und Bedeutung für die Rechtspraxis erst im Zusammenspiel mit dem Rechtsumfeld und der Streitbewältigungskultur, in die sie eingebettet ist." Zudem sei die Mediation in vielen Ländern eine recht neue Streitschlichtungsmethode, deren rechtliche und kulturelle Rahmenbedingungen sich derzeit noch rasant entwickeln.

Doch trotz der nationalen Unterschiede in der Ausgestaltung der Regeln verfolgen alle Länder im Wesentlichen dieselben Ziele: Entlastung der Gerichte, Kostenersparnis auf Seiten des Staates und der Bürger, erweiterter Zugang zur Rechtsverwirklichung sowie nachhaltigere Konfliktbewältigung und Versöhnung aufgrund des ausgleichenden Charakters der Mediation.

Vor diesem Hintergrund formulieren die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Privatrecht die folgende für alle untersuchten Länder gültige Definition der Mediation: "Mediation ist ein auf Freiwilligkeit der Parteien beruhendes Verfahren, bei dem ein Vermittler ohne Entscheidungsgewalt die Kommunikation zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen."

Über das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht:

Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht beschäftigt sich mit der rechtsvergleichenden Grundlagenforschung auf den Gebieten des ausländischen, europäischen sowie internationalen Privat-, Handels-, Wirtschafts- und Zivilverfahrensrechts. Hierfür analysiert das Institut systematisch ausländische Rechtsordnungen und vergleicht diese sowohl mit dem deutschen Recht als auch untereinander. Ein wichtiges Ziel der Forschungsarbeit ist dabei, die Möglichkeiten für eine Vereinheitlichung der diversen nationalen Rechtssysteme zu untersuchen. Insbesondere im vereinten Europa, vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung und der damit einhergehenden Internationalisierung des Rechts ist dies eine bedeutende wissenschaftliche Aufgabe. Das Institut beschäftigt derzeit 146 Mitarbeiter.

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