Vorschläge zur Reform des internationalen Vertragsrechts im vereinten Europa

Stellungnahme des Hamburger Max-Planck-Instituts für Privatrecht zur Modernisierung des internationalen Schuldvertragsrechts in Europa veröffentlicht

18. März 2004

Eine Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg hat eine Stellungnahme zum "Grünbuch der Europäischen Kommission über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung ('Rom I')" vorgelegt. Diese Regelungen umzuwandeln und zu modernisieren, wäre aus Sicht der Wissenschaftler ein wichtiger Schritt hin zu einem modernen und kohärenten internationalen Privatrecht in Europa. Konkret geht es darum, das internationale Vertragsrecht in der Europäischen Gemeinschaft zu vereinheitlichen, insbesondere den internationalen Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz, etwa bei "grenzüberschreitenden" Einkäufen im Internet. Die Stellungnahme wurde soeben in Heft 1/2004 der von demselben Max-Planck-Institut herausgegebenen Fachzeitschrift "Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht" veröffentlicht.

Im Jahre 1980 haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in Rom einen Staatsvertrag zum internationalen Schuldvertragsrecht unterzeichnet, das "Rom-I-Übereinkommen". Einheitlich innerhalb Europas regelt dieses Übereinkommen die Frage, welches nationale Recht einen internationalen Vertrag beherrschen soll, und schafft auf diese Weise Rechtssicherheit. Dabei geht es um Verträge aller Art, von den Handels- und Versicherungsverträgen über Arbeitsverträge bis hin zu Verbraucherverträgen, die zum Beispiel deutsche Touristen im Urlaub auf Gran Canaria abschließen. Bereits die Arbeiten am Regelwerk in den 1970er Jahren hatte das Hamburger Max-Planck-Institut wissenschaftlich begleitet. Nachdem diese Regelungen inzwischen zwanzig Jahre in der Praxis erprobt werden konnten, beschloß die Europäische Kommission Anfang 2003, das Übereinkommen in eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft zu überführen und diese zugleich den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der internationalen Rechtsentwicklung anzupassen. Die Kommission hat daher alle interessierten Kreise aufgefordert, zu einem in diesem Zusammenhang verfassten Grünbuch Stellung zu nehmen, insbesondere im Hinblick auf zukünftige Gestaltungsmöglichkeiten.

Vor diesem Hintergrund hat sich unter Federführung von Prof. Jürgen Basedow, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, eine Forschungsgruppe aus 16 Wissenschaftlern des Instituts gebildet, die sich umfassend und intensiv mit den von der Kommission aufgeworfenen Fragen auseinandergesetzt hat. Besonderes Augenmerk wurde hierbei auf jene Probleme gelegt, die - angesichts moderner Wirtschaftsentwicklungen - mit dem geltenden Rechtsinstrument in der europäischen Praxis aufgetreten sind. Besonderes Gewicht haben die Wissenschaftler zudem den andauernden Bemühungen beigemessen, die - nationalen - europäischen Vertragsrechte anzugleichen. Schließlich versuchte die Arbeitsgruppe, neuartigen Gefahren für den Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz durch sachgerechte Regelungsvorschläge zu begegnen. Ergebnis dieser Analysen ist ein umfassend begründeter Vorschlag für eine Verordnung, die das internationale Schuldvertragsrecht in Europa modernisiert und das europäische internationale Privatrecht für die Anforderungen einer globalisierten Rechtswirklichkeit wappnet.

So wird der Verbraucher nach dem Vorschlag des Max-Planck-Instituts jetzt in den als "Gran Canaria-Fälle" bekannt gewordenen Konstellationen kollisionsrechtlich geschützt. In diesen Fällen hatten deutsche Unternehmen spanische Tochterfirmen gegründet, um über Mittelsmänner deutsche Urlauber auf Gran Canaria zu Verkaufspräsentationen, ähnlich den so genannten "Kaffeefahrten", einzuladen. Die Veranstaltungen waren ganz auf ein deutsches Publikum ausgerichtet: Einladungen und Präsentationen erfolgten in deutscher Sprache, die dort abgeschlossenen Verträge wurden auf Deutsch abgefasst und die Waren sollten von den Urlaubern erst nach ihrer Rückkehr in Deutschland bezahlt und dort von dem Mutterunternehmen geliefert werden. Obwohl diese Umstände dafür sprechen, auf die Verträge deutsches Verbraucherrecht anzuwenden, und obwohl bei den Kunden auch ein entsprechender Eindruck erweckt wurde, unterlagen die Verträge kraft vertraglicher Rechtswahl spanischem Recht, welches damals keinen vergleichbaren Verbraucherschutz kannte. Derartigen Umgehungsgeschäften wird durch den Vorschlag des Instituts ein Riegel vorgeschoben: in diesen Fällen soll deutsches Verbraucherrecht anwendbar sein.

Ein weiterer Vorschlag des Instituts gewährleistet auch im E-Commerce kollisionsrechtlich einen hinreichenden Verbraucherschutz. Verbraucher, die von zu Hause aus Waren im Internet bei ausländischen Anbietern bestellen, werden so gestellt, als hätten sie das Geschäft im Inland abgeschlossen, sofern der ausländische Anbieter seine Internetseite auf Vertragsabschlüsse im Aufenthaltsland des Verbrauchers ausgerichtet hat.

Mit der jetzt vorliegenden Stellungnahme schließt das Institut an eine ähnliche Ausarbeitung an, die im Jahr 2002 im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse abgegeben wurde. Die Ergebnisse dieser Stellungnahme wurden teilweise wortgleich von der Europäischen Kommission in den entsprechenden Verordnungsentwurf übernommen.

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