Begleiter übersteht Sternenexplosion

Internationales Astrophysiker-Team identifiziert einen Unterriesen nahe der Supernova des Tycho Brahe

28. Oktober 2004

Bei der Explosion eines weißen Zwergsterns kann sein Begleitstern das Ereignis überstehen. Das haben Wissenschaftler einer internationalen Kollaboration, an der auch das Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching beteiligt ist, erstmals nachweisen. Diese so genannten Typ Ia Supernovae spielen eine wichtige Rolle in der Astrophysik. Sie bilden die homogenste Klasse von Explosionen, die im Universum beobachtet wird und sind so hell, dass sie über Milliarden von Lichtjahren hinweg sichtbar sind. Daher dienen sie als "Standardkerzen" zur Messung von Entfernungen im Kosmos. Sie führten zu der bedeutenden Entdeckung, dass das Universum beschleunigt expandiert. Dies weist auf die Existenz einer neuen, diese Ausdehnung antreibenden Energieform hin. Ungeachtet ihrer Bedeutung war bisher nur wenig über die Vorläuferobjekte dieser Explosionen bekannt. (Nature 431, S. 1069-1072, 28, Oktober 2004).

Durch intensive Suche im Zentrum des Überrests der 1572 von Tycho Brahe beobachteten galaktischen Supernova, konnten die Astrophysiker den Begleitstern eines solchen Binärsystems, der die Explosion überlebt hat, eindeutig identifizieren. Er ähnelt in Leuchtkraft und Farbe unserer Sonne und löste die Explosion aus, indem er ausreichend Materie auf den Weißen Zwerg übertrug.

Eine Typ Ia Supernova ereignet sich, wenn ein Weißer Zwerg - ein Stern von der Größe des Erdmondes, aber mit der Masse unserer Sonne - bis zu einer kritischen Grenze wächst, indem er Gas von einem nahen Begleitstern ansammelt. Im kritischen Zustand erreicht sein Inneres so hohe Temperaturen, dass Kernfusionsreaktionen von Kohlenstoff und Sauerstoff zünden und eine thermonukleare Explosion erfolgt.

Obwohl die Brahesche Supernova sicher als Weißer Zwerg identifiziert werden konnte, sind viele theoretische Möglichkeiten für seinen Begleitstern vorgeschlagen worden. Falls es sich dabei ebenfalls um einen Weißen Zwerg handelt, wäre dieser durch den Prozess des Gasaustauschs zerstört worden. In allen anderen Szenarien jedoch sollte er die Explosion überlebt haben und charakteristische Merkmale aufweisen: Er sollte dieselbe Entfernung wie die Supernova besitzen und sich infolge der Zerstörung des Doppelsternsystems mit hoher Eigengeschwindigkeit bewegen.

Die Sternexplosioin von 1572 bietet wegen ihres relativ jungen Alters und ihrer Nähe in unserer Milchstraße die einmalige Möglichkeit, durch Beobachtungen die Identifizierung des Begleitsterns einer Typ Ia Supernova zu versuchen. Diese Möglichkeit nutzte nun das internationale Team von Wissenschaftlern, das von Dr. Pilar Ruiz-Lapuente vom Max-Planck -Institut für Astrophysik und der Universität Barcelona geleitet wurde. In einer umfangreichen Beobachtungskampagne sammelte die Arbeitsgruppe alle wichtigen Informationen über die Sterne im gasförmigen Überrest der Supernova. Dabei wurden die Sterne anhand ihres Spektraltyps, ihrer Helligkeit, ihrer Gehalts an Metallen, ihres Abstands, ihrer radialen Geschwindigkeit und ihrer Eigenbewegung am Himmel klassifiziert. Diese Untersuchungen dauerten mehrere Jahre und wurden an den Teleskopen der Europäischen Nordsternwarte in La Palma, auf dem Vulkan Mauna Kea auf Hawaii und mit dem Weltraumteleskop Hubble der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA und der europäischen Weltraumorganisation ESA durchgeführt.

Als Ergebnis dieser Beobachtungen und ihrer Auswertung konnten die Astronomen viele vorgeschlagene Kandidaten als Vorläufersysteme dieser Supernova ausschließen, etwa Doppelsterne, in denen der Materie spendende Begleitstern ein Roter Riese ist, ein Roter Superriese oder ein Unterzwergstern. Stattdessen ist der wahrscheinlichste Kandidat für den überlebenden Begleitstern, der mit seinem Massenübertrag auf den Weißen Zwerg die Supernovaexplosion auslöste, ein sich schnell bewegender Unterriese nahe dem Zentrum des Supernovaüberrests. Er ist unserer Sonne in Helligkeit und Farbe sehr ähnlich. Der Stern, Tycho G genannt, befindet sich in der Entfernung des Supernovaüberrests und bewegt sich mehr als dreimal so schnell wie die anderen Sterne in dieser Entfernung.

Die Identifikation des Vorläufersystems von Typ-Ia-Supernovaexplosionen ist extrem wichtig, weil dadurch die Anfangsbedingungen für die Explosion bestimmt werden. Dies hilft, die Faktoren, die die Helligkeit von Supernovae beeinflussen, besser zu verstehen und damit die Eigenschaften von Typ Ia Supernovae als "Standardkerzen" für die Ausmessung des Universums zu überprüfen.

Die Geschwindigkeiten aller Sterne nahe dem Zentrum des Supernovaüberrests wurden in Richtung der Sichtlinie durch Dopplerverschiebungen der Spektrallinien im Licht dieser Sterne gemessen. Die Geschwindigkeiten in tangentialer Richtung am Himmel wurden mit Hilfe der "Wide Field Planetary Camera 2" des Hubble-Weltraumteleskops durch Aufnahmen im Abstand von vier Jahren bestimmt. "Sowohl die radialen als auch die tangentialen Geschwindigkeiten von Tycho G sind um den Faktor drei höher als die mittlere Geschwindigkeit von Sternen in dieser Region", berichtet Pilar Ruiz-Lapuente.

Die Metallhäufigkeiten in diesen Sternen - die Anreicherung des Sterngases mit Elementen schwerer als Wasserstoff und Helium - wurden ebenfalls bestimmt. "Dadurch konnten wir ausschließen, dass Tycho G zu den Sternen des Halos und der dicken Scheibe unserer Milchstraße gehört", erklärt Ruiz-Lapuente. Zwar bewegen sich solche Sterne ebenfalls mit hohen Geschwindigkeiten, jedoch haben sie wesentlich geringere Metallhäufigkeiten als Sterne in der galaktischen Ebene. "Obwohl solche Sterne in der Region, in der die Supernova Tycho Brahes explodierte, selten sind, bestand dennoch der Verdacht, dass Tycho G ein schneller Halostern sein könnte", sagt Pilar Ruiz-Lapuente. "Der hohe Anteil von Nickel und Eisen im Gas von Tycho G beweist jedoch, dass der Stern in der galaktischen Scheibe entstanden sein muss".

Die Geschwindigkeit von Tycho G durch den interstellaren Raum beträgt 136 km/s. Eine solche Eigengeschwindigkeit entspricht dem, was man erwartet, wenn ein Doppelsternsystem aus einem Weißen Zwerg und einem Unterriesen oder Hauptreihenstern von etwa einer Sonnenmasse auseinander bricht. Ein solches System ähnelt der bekannten wiederkehrenden Nova U Scorpii. Die Studie der Astrophysiker verbindet nun Spernovaexplosionen vom Typ Ia mit so genannten kataklysmischen veränderlichen Objekten, also mit Doppelsternen, die Materie austauschen. "Mit unserer Entdeckung vervollständigt sich nun unser Bild der Sternentwicklung wieder um einen wichtigen Schritt", sagt Ruiz-Lapuente.

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