Die kulturelle Evolution von kollektiven Eigentumsrechten
Evolution nachhaltiger Institutionen hängt von klar definierten und durchgesetzten Zugangsrechten ab
Gemeinsame Ressourcen machen etwa 65 Prozent der Erdoberfläche und große Teile der Ozeane aus. Zwar gibt es viele Beispiele für eine erfolgreiche Verwaltung dieser Ressourcen, doch die Umstände und Mechanismen, die diese ermöglicht haben, blieben bisher unklar. Um die Entstehung, Stabilität und zeitliche Dynamik von kollektiven Eigentumsrechten zu untersuchen, haben Forschende des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie ein Simulationsmodell entwickelt. Dem Modell zufolge sind bei Ressourcenkonflikten zwischen Gruppen die Etablierung und Durchsetzung von "Zugangsrechten" eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung nachhaltiger "Nutzungsrechte". Diese Zugangsrechte können eine besondere Art der Evolution ermöglichen, die als "kulturelle Gruppenselektion" bezeichnet wird und die Entwicklung nachhaltiger Nutzungsrechte – trotz ihrer Kosten für den Einzelnen – begünstigt.
Die gemeinschaftliche Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen orientiert sich seit mehreren Jahrzehnten maßgeblich an den von Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom definierten Gestaltungsprinzipien für Gemeingüter. Diese Prinzipien sind Leitlinien zur Verbesserung der Bewirtschaftung von Ressourcensystemen, von kleinen Waldbewirtschaftungsgruppen bis hin zu globalen Gemeingütern wie den Weltmeeren. Vier dieser Grundsätze werden in erfolgreichen Governance-Institutionen weltweit und nahezu universell angewendet:
- klare und lokal akzeptierte Grenzen, die den Ressourcenzugang kontrollieren
- Regeln, die den lokalen und kulturellen Kontext berücksichtigen
- gemeinschaftliche Entscheidungen zur Festlegung der Nutzungsregeln
- Monitoring und Durchsetzung
Einfach ausgedrückt: “Verwalte deine Ressource und halte Außenstehende fern”. Informationen zu den historischen Ursprüngen dieser Institutionen sind jedoch häufig aus Aufzeichnungen und Gedächtnis verschwunden, sodass nicht mehr nachvollziehbar ist, welche Prozesse diesen zugrunde liegen.
Wie können kollektive Eigentumsrechte entstehen?
Forschende des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie haben nun kulturelle Entstehung, Fortbestehen und Auflösung von kollektiven Eigentumsrechten näher betrachtet, die zur Verwaltung natürlicher Ressourcen geschaffen wurden. Durch den evolutionären Fokus der Studie werden Debatten um die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen von der Frage "Wie wichtig sind die einzelnen Gestaltungsprinzipien für eine erfolgreiche Ressourcenbewirtschaftung?" hin zu der Frage verlagert "Wie, wo, wann und warum können solche Prinzipien entstehen?"
Der Modellierungsrahmen des Teams verdeutlicht dabei drei entscheidende Systemmerkmale:
- Kollektive Eigentumsrechte haben sich höchstwahrscheinlich sequenziell entwickelt – bestimmte Voraussetzungen müssen vorhanden sein, bevor sich andere entwickeln können. Gruppen müssen zunächst ihre Grenzen sichern und sich dann auf die erfolgreiche interne Regulierung konzentrieren.
- Die Unterstützung für Institutionen, die den Zugang und die Ernten regeln, unterliegt zyklischen Trends mit jeweils zunehmender oder abnehmender Unterstützung.
- Es ist entscheidend, von anderen Gruppen zu lernen, um nachhaltige Praktiken zu erkennen und die der Regulierung zugrundeliegenden Strategien zu verbessern – eine Gruppe, die isoliert ist oder nur ihr eigenes Vorgehen im Blick hat, ist häufig dem Untergang geweiht.
Konflikt um Mangroven
Die Autoren unterzogen ihren theoretischen Ansatz nun einem Praxistest im Rahmen einer Langzeitstudie des Teams auf dem Sansibar-Archipel (Tansania). Dort erforschen sie Gemeinschaften, die ihre Mangrovenwälder langfristig zu erhalten versuchen, denn diese schützen die Küsten vor dem Anstieg des Meeresspiegels und liefern wertvolle natürliche Ressourcen. Die Forschenden stellten fest, dass Gruppen, die mit benachbarten Gemeinschaften in Konflikt stehen, weil diese zum Beispiel eindringen und Mangroven abholzen, sich bei der Entwicklung erfolgreicher Strategien für die interne Governance schwertun. Dies ist vor allem der Fall, wenn es keine klar definierten Grenzen gibt, die den Ressourcenzugang kontrollieren. Anstatt nachhaltig zu wirtschaften, konzentrierte sich die Gruppe dann eher auf die Ernte ihrer eigenen bereits knappen Ressource.
Ohne die konsequente soziale Durchsetzung festgelegter Grenzen schadet der Konflikt um Ressourcen, den verschiedene Gruppen miteinander austragen, also der internen Governance. Diese Dynamik unterscheidet sich stark von anderen evolutionären Systemen, in denen Konflikte zwischen Gruppen kooperative Antworten hervorrufen – der Unterschied liegt in der verschachtelten und sequenziellen Natur der Evolution von Systemen zur Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen.
“Unsere Studie schafft einen formalen evolutionären Rahmen zum Verständnis der Entstehung kollektiver Eigentumsrechte und Ostroms Gestaltungsprinzipien", sagt Erstautor Jeffrey Andrews. “Spezifische Vorhersagen darüber, wann solche Institutionen entstehen, können von Strategieplanern angepasst werden und zu einem besseren Verständnis des Ressourcenmanagements führen – von kleineren Gemeinschaften bis hin zum Management globaler Gemeingüter wie der Fischerei.”