"Radar" erkennt aktive Protein-Zerstörer
Neue Methode hilft dabei, aktive Cullin-RING-Ligasen genauer zu untersuchen
Um den genauen Zeitpunkt dafür zu steuern, wann Cullin-Moleküle (Cullin-RING-Ubiquitin-E3-Ligasen, kurz „CRLs“) eingreifen, um bestimmte Proteine in unseren Zellen zu zerstören oder ihre Funktion zu verändern, werden sie durch ein kleines Protein ein- und ausgeschaltet. Dieses Protein heißt NEDD8 und wird zum Einschalten an das Cullin-Molekül angeheftet und zum Ausschalten wieder entfernt. Die Bindung verändert die Form des gesamten Moleküls, um so seinen Zweck erfüllen zu können. Ein Team von Brenda Schulman am Max-Planck-Institut für Biochemie und der University of Waterloo haben nun eine Methode entwickelt, um die „eingeschalteten“ Cullin-Moleküle genauer zu untersuchen und so ihre Regulierung aufzudecken.
Eukaryontische Organismen, wie auch wir Menschen, sind auf die Anpassung unseres Proteinhaushaltes auf bestimmte Situationen, wie beispielsweise die Verfügbarkeit von Eisen, angewiesen. Diese Modifizierungen erfolgen durch einen komplexen Ablauf in unseren Zellen, bei dem in einem letzten Schritt ein kleines Protein namens Ubiquitin an das Protein angeheftet wird, dessen Funktion geändert werden soll oder nicht länger benötigt wird. Diese Übertragung des Ubiquitins auf das Zielprotein wird durch die Cullin-RING-Ligasen vorgenommen.
Diese Cullin-Moleküle sind große Multiproteinkomplexe, die aus mehreren Proteinen und sozusagen zwei Modulen bestehen. Erstautor Lukas Henneberg erklärt: „Man kann sich diese Module vorstellen wie einen Akkuschrauber und seine Bits, die man verwendet um verschiedene Schrauben zu lösen. Das Cullin-Modul funktioniert wie der Akkuschrauber und kann für mehrere Zielproteine verwendet werden. Das zweite Modul funktioniert dann wie der Bit, der spezifisch für ein Ziel in den Griff eingesetzt wird, je nachdem um was für eine ‚Schraube‘, beziehungsweise um was für ein Protein, es sich handelt das herausgedreht werden soll.“
Insgesamt sind die Cullin-RING-Ligasen die größte Familie der Ligasen mit über 300 Mitgliedern. Darüber hinaus enthalten unsere Zellen mehrere hunderte Bit-Module, von denen aber nur ein kleiner Teil zu einem bestimmten Zeitpunkt an ein Cullin-Modul gebunden ist. Um diese Bindung zu sichern und das Cullin-Molekül voll funktionsfähig, also aktiv, zu machen wird zusätzlich noch das kleine Protein NEDD8 gebunden, dass den Bit im Akkuschrauber festdreht, also die Form des Cullin-Moleküls verändert.
Welche Cullin-Moleküle sind wann aktiv?
Die Forschende aus den Laboren von Brenda Schulman, Max-Planck-Institut für Biochemie, und Sachdev Sidhu, University of Waterloo, haben eine Methode entwickelt, um die durch NEDD8 aktivierten Cullin-Moleküle zu erfassen. Sie stellten synthetische Marker her, die die Cullin-Module erkennen, sobald sie durch NEDD8 aktiviert wurden.
Die Forschende der Abteilungen von Brenda Schulman und Matthias Mann am Max-Planck-Institut für Biochemie entwickelten daraufhin einen weiteren Schritt dieser neuen Methode um mit Hilfe eines Markers herauszufinden, welche Cullin-Moleküle eingeschaltet sind und welche äußeren Einflüsse, sogenannte Stimuli, die Aktivität der Cullin-Moleküle verändern. Die an den Marker gebundenen, also die aktiven, Cullin-Moleküle konnten so aus den Zellen herausgenommen und gesammelt werden, um mit Hilfe der Proteomik zu messen welche und wie viele Cullin-Moleküle zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Zellen aktiv waren.
Sogenannte „Degrader"-Medikamente, also „Abbau“-Medikamente, zu denen auch PROTACs gehören, werden derzeit für neue Therapiemöglichkeiten erforscht, bei denen die Cullin-Moleküle auf den gezielten Abbau krankheitsverursachender Proteine ausgerichtet werden. In der aktuellen Studie zeigte die Untersuchung der Reaktionen auf Stimuli wie Degrader-Medikamente, Stoffwechselveränderungen und Immunreaktionen, wie sich die zelluläre Zusammensetzung unterschiedlicher Cullin-Moleküle verändert. Zusätzlich konnte die Methode zeigen, dass die verfügbare Menge von bestimmten, aktiven Cullin-Molekülen in verschiedenen Zelltypen unterschiedlich ist, welches die Wirksamkeit der „Degrader“-Medikamente beeinflusst.
Cullin-Moleküle und unsere Immunabwehr
Da durch diese neue Methode die Untersuchung der Cullin-Moleküle in jedem zellulären System ermöglicht wird, haben sich die Forschenden mit dem Labor von Peter Murray am Max-Planck-Institut für Biochemie zusammengetan, um die aktiven Cullin-Moleküle in den sogenannten Makrophagen zu untersuchen. Makrophagen sind bestimmte Zelltypen, auf die sich unsere Immunabwehr verlässt, um beispielsweise Krankheitserreger zu beseitigen.
Der Vergleich der aktiven Cullin-Moleküle von Makrophagen, spezialisiert auf die Bekämpfung von Bakterien, mit solchen, die auf die Wundheilung spezialisiert sind, ergab deutliche Unterschiede die die Vermutung untermauern, dass Cullin-Moleküle stark in Abhängigkeit von externen Stimuli gebildet und aktiviert werden. Die Erkenntnisse dieser Studie ermöglichen einen nie dagewesenen Blick auf die Akteure der dynamischen Änderungen unseres Proteinhaushaltes und ihrer Beteiligung an der Krankheitsbekämpfung, die auf eine gezieltere Behandlung durch künftige Medikamente hoffen lässt.