Schlaufen in unserer DNA
Forschende haben entdeckt, wie SMC-Proteine das Erbmaterial im Zellkern verpacken
Die gesamte Erbinformation von Lebewesen ist in Form von DNA in den winzigen Kernen ihrer Zellen gespeichert. Wie ein Protein namens Smc5/6 die sichere Verstauung des Erbguts in Chromosomen steuert, indem es Schlaufen aus der DNA bildet, fand nun ein internationales Team von Forschenden aus der Gruppe von Eugene Kim am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt am Main und vom Karolinska-Institut in Schweden heraus.
Fortpflanzung und Evolution von Lebewesen – von Mensch bis Bakterium – beruhen darauf, dass genetische Erbinformationen bewahrt, angepasst und weitergegeben werden. Das Erbmaterial ist in Form von DNA in fast jeder einzelnen Zelle eines Lebewesens gespeichert, genauer gesagt in den Kernen dieser Zellen. Der Zellkern ist nur wenige Millionstel Millimeter groß, enthält aber DNA von etwa 2 Meter Länge. Platzsparend in sich verdrillt liegt die fadenförmige DNA in Form der charakteristischen X-förmigen Chromosomen vor, die wir aus Biologie-Lehrbüchern kennen. Die Chromosomen müssen im Lebenszyklus einer Zelle immer wieder aufgelockert und verdichtet werden. Denn bei der Genexpression, also der Umsetzung der Erbinformation in physische Merkmale oder biochemische Prozesse, oder bei der Zellteilung müssen Proteine an die DNA andocken und an ihr entlang wandern, um Informationen abzulesen oder die DNA zu duplizieren. Funktioniert das nicht richtig, kann das zu seltenen Erbkrankheiten, Entwicklungsstörungen oder Krebs führen.
Eine zentrale Rolle bei der räumlichen Organisation von Chromosomen spielen die SMC-Proteinkomplexe (Structural Maintainance of Chromosomes) Kondensin, Kohäsin und Smc5/6. „Mit zwei Hauptakteuren der Chromosomenorganisation, Kondensin und Kohäsin, haben wir uns schon ausgiebig beschäftigt. Sie bilden Schlaufen aus den DNA-Fäden und halten diese durch ihre ringförmige Struktur wie eine Öse zusammen“, erklärt Eugene Kim, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Biophysik. „Nun haben wir uns noch das letzte Puzzle-Teil Smc5/6 bei der DNA-Schlaufen-Bildung angesehen und dessen Funktion aufgeklärt. Wir wissen nun, dass die Ausformung von DNA-Schlaufen ein in allen Lebewesen mit Zellkernen konservierter Mechanismus ist.“
Wie bildet Smc5/6 DNA-Schlaufen?
Indem die Forschenden DNA und Smc5/6-Proteine mit fluoreszierenden Farbstoffen markierten, konnten sie deren Interaktionen in Echtzeit im Mikroskop beobachten. Sie fanden heraus, dass einzelne Smc5/6-Proteine sich in eine Richtung an der DNA entlang bewegen. Nur wenn zwei Smc5/6-Proteine sich zusammenlagern und ein Dimer bilden, kann der Komplex Schlaufen aus der DNA bilden. Das kann man sich vorstellen, als würde man aus einem verknäuelten Seil eine Schlaufe herausziehen und diese unten mit der Hand zusammenhalten, sodass sich zwei bestimmte Stellen des Seils berühren. Durch diese Annäherung bestimmter DNA-Abschnitte werden Prozesse wie die Genexpression oder DNA-Replikation stimuliert oder unterdrückt.
Ein Smc5/6-Protein besteht aus acht Untereinheiten. Zwei davon unterdrücken die Bildung von Smc5/6-Dimeren und steuern somit die Schlaufenextrusion. Entfernt man nämlich diese beiden Untereinheiten, werden praktisch immer weiter unendlich viele DNA-Schlaufen ausgebildet, wie die Forschenden beobachteten. „Wir möchten jetzt herausfinden, wie der Prozess der Schlaufenbildung in lebenden Zellen gehemmt oder stimuliert wird. Dazu werden wir Schritt für Schritt die Komplexität unseres Systems im Mikroskop erhöhen und sehen, was passiert“, sagt Biswajit Pradhan, einer der Erstautoren der Studie. „Wenn wir in allen Einzelheiten verstehen, wie die Extrusion von DNA-Schlaufen funktioniert, können möglicherweise in Zukunft neue Therapien für Erkrankungen entwickelt werden, die durch Defekte in der DNA-Organisation entstehen.“
Erfolgreiche Kollaboration
Die Studie war eine Kooperation der Arbeitsgruppe von Eugene Kim am Max-Planck-Institut für Biophysik mit Forschenden des Karolinska-Instituts in Schweden. Kim traf Camilla Björkegren, Gruppenleiterin am Karolinska-Institut, auf einer Wissenschaftskonferenz. „Uns verband von Anfang an das Mysterium um den Smc5/6-Komplex“, sagt Kim.