Neue exotische Geschöpfe für den Pulsar-Zoo
MeerKAT entdeckt kosmische Leuchttürme mit ungewöhnlichen Eigenschaften
Neun Millisekunden-Pulsare, die meisten in seltenen und teils ungewöhnlichen Doppelsystemen: Das sind die ersten Ergebnisse einer gezielten Durchmusterung mit dem südafrikanischen Teleskopverbund MeerKAT. Diese hat ein internationales Team mit maßgeblicher Beteiligung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) und des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie heute veröffentlicht. Sie wählten 79 unidentifizierte pulsar-ähnliche Quellen aus Beobachtungen des Fermi Gamma-ray Space Telescope der Nasa aus und beobachteten sie mit MeerKAT im Radiobereich. Die Kombination dieser bewährten Methode mit einem Teleskopverbund der nächsten Generation hat deutliche Vorteile gegenüber früheren Durchmusterungen. Das Team entdeckte neun schnell rotierende Neutronensterne, die meisten mit ungewöhnlichen Eigenschaften. Bei zwei dieser Objekte wurden Pulsationen der Gammastrahlung, optische Gegenstücke und bei einem weiteren System Röntgenstrahlung entdeckt. Das Team hinter der Veröffentlichung suchte auch nach kontinuierlichen Gravitationswellen von einem der Neutronensterne. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von gezielten Suchen nach Radiopulsaren in Katalogen unidentifizierter Gammastrahlenquellen. Diese dürften für weitere Erkenntnisse sorgen: Die Forschenden sind sicher, dass sich bei künftigen Beobachtungen noch mehrere Millisekunden-Pulsare entdecken lassen.
„Für unsere Trapum-Durchmusterung haben wir mit MeerKAT, einem relativ neuen und äußerst empfindlichen Radioteleskop, zusammen mit einer speziellen Analysesoftware eine Auswahl vielversprechender pulsar-ähnlicher Quellen beobachtet“, sagt Colin Clark, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover und Erstautor der Studie. „Die Belohnung für unsere Mühen ist etwas, auf das wir stolz sein können: Wir haben neun neue Millisekunden-Pulsare entdeckt, von denen einige recht ungewöhnlich sind.“
Das Team verwendete einen bewährten Ansatz, um neue Millisekunden-Pulsare zu entdecken: Der Katalog des Fermi Large Area Telescope verzeichnet Gammastrahlenquellen, die das Fermi Gamma-ray Space Telescope der Nasa in acht Jahren Beobachtungszeit entdeckte. Dieser Katalog enthält Informationen über die Himmelspositionen der Quellen, die Energieverteilung ihrer Gammastrahlung und die zeitlichen Veränderungen ihrer Gammastrahlenhelligkeit. „Wir haben mit Methoden des maschinellen Lernens für alle Quellen im Fermi-Katalog, die nicht mit bekannten Himmelsobjekten assoziiert sind, die Wahrscheinlichkeit bestimmt, dass sie Pulsare sind“, erklärt Clark. „So identifizierten wir die pulsar-ähnlichsten Quellen im Fermi-Katalog. Danach reduzierten wir unsere Liste auf diejenigen Quellen, die mit unserer Durchmusterung am ehesten nachweisbar sein würden. Wir haben dann 79 Quellen mit MeerKAT beobachtet.“
MeerKAT bietet eine noch nie dagewesene Empfindlichkeit am Südhimmel
MeerKAT ist eine Anordnung von 64 Parabolantennen mit einem effektiven Durchmesser von je 13,5 Meter in der Karoo in Südafrika. MeerKAT bietet eine noch nie dagewesene Empfindlichkeit für Himmelsobjekte in der südlichen Hemisphäre. Es ist in der Lage, Quellen zu entdecken, die etwa fünfmal schwächer sind als diejenigen, die das zweitempfindlichste Teleskop der Südhemisphäre beobachten kann.
Das „Transients and Pulsars using MeerKAT (Trapum) Large Survey Project“ nutzt diese Empfindlichkeit, um nach neuen Pulsaren in den Teilen des Himmels zu suchen, in denen sie am wahrscheinlichsten zu finden sind: Kugelsternhaufen, nahe Galaxien, Supernovaüberreste und – wie in dieser Untersuchung – unidentifizierte Gammastrahlenquellen. Dies erforderte die Entwicklung spezieller Computerhardware, die die Daten der MeerKAT-Antennen zu einem virtuellen großen Radioteleskop kombiniert, das fast 500 nahe beieinander liegende Himmelspositionen gleichzeitig beobachten kann.
Bei dieser Trapum-Durchmusterung von Fermi-Quellen nutzen die Astronominnen und Astronomen die zusätzliche Empfindlichkeit von MeerKAT dazu, um die Beobachtungszeit auf nur 10 Minuten zu verkürzen. Das ist wesentlich kürzer als die stundenlangen Beobachtungen, die zuvor erforderlich waren, um Pulsare in diesen Quellen zu finden.
Kurze Beobachtungen haben viele Vorteile: In begrenzter Beobachtungszeit lassen sich mehr Quellen erfassen. Sie können wiederholt beobachtet werden, was die Chance erhöht, einen neuen Radiopulsar zu entdecken, da sie bei der ersten Beobachtung nicht immer sichtbar sind. Die Trapum-Pulsardurchmusterung umfasste zwei Beobachtungen pro Quelle. Die Analyse kurzer Beobachtungen ist rechnerisch weniger anspruchsvoll als die von längeren. Zudem kann die Bahnbewegung in Doppelsternsystemen die Entdeckung von Radiopulsaren erschweren. Während einer kurzen Beobachtungszeit ist die Bewegung des Pulsars nahezu konstant, so dass der nachteilige Effekt einer sich ändernden Bahnbewegung verringert wird.
Zusätzlich zur hohen Empfindlichkeit bietet das MeerKAT Teleskopnetzwerk auf Grund seiner Ausdehnung einen weiteren Vorteil gegenüber Radioteleskopen mit einer einzigen Parabolantenne. MeerKAT kann die Himmelsposition neuer Quellen mit sehr hoher Präzision bestimmen. Das ermöglicht schnelle Folgeuntersuchungen bei anderen Wellenlängen.
Neun neue Millisekunden-Pulsare
Die Suche nach Pulsaren in den großen Datenmengen, die während der Trapum-Beobachtungen entstehen, erfordert viel Rechenleistung und eine schnelle Verarbeitung, um Speicherplatz für weitere Beobachtungen freizugeben.
„Wir haben speziell entwickelte Datenanalyse-Methoden verwendet, die auf 120 Grafikprozessoren in einem speziellen Computer-Cluster laufen, um unsere MeerKAT-Beobachtungen zu sichten. Wir haben schnell neun Kandidaten für Millisekunden-Pulsare gefunden, die wir alle durch zusätzliche MeerKAT-Beobachtungen bestätigen konnten“, sagt Ewan Barr, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Trapum-Projektwissenschaftler . „Es ist großartig, dass wir diese Bestätigungsbeobachtungen auch dazu nutzen konnten, die Himmelspositionen zu verfeinern, da MeerKAT in der Lage ist, viele nahe beieinander liegende Himmelspositionen gleichzeitig zu beobachten. Das ist von unschätzbarem Wert für Folgeuntersuchungen bei verschiedenen Wellenlängen.“
Ein enges Doppelsternsystem aus einem Pulsar und einem Weißen Zwerg
Einer der entdeckten Pulsare, PSR J1526-2744, wurde anschließend genau untersucht. Nach der Entdeckung dieses Radiopulsars in einem Doppelsternsystem spürten die Forschenden auch die Gammastrahlenpulsationen des Neutronensterns auf. Mit Hilfe aller verfügbaren Fermi-Daten konnten sie die Bahnbewegung genau untersuchen und die Eigenschaften des Doppelsternsystems bestimmen. Höchstwahrscheinlich umkreist der Neutronenstern das gemeinsame Massenzentrum mit einem leichten Weißen Zwerg in etwas weniger als fünf Stunden. Dies wäre die eine der kürzesten bekannten Umlaufzeiten solcher Doppelsysteme.
Das Team suchte auch nach sogenannten kontinuierlichen Gravitationswellen von PSR J1526-2744. Wäre der Neutronenstern verformt, so würde er Gravitationswellen mit der doppelten Rotationsfrequenz aussenden. Die Forschenden nutzten alle öffentlich verfügbaren Advanced-LIGO-Daten aus den Beobachtungsläufen O1, O2 und O3. Da sie die Bewegung des Pulsars im Doppelsternsystem aufgrund der Gammastrahlenbeobachtungen genau kannten, erreichte das Forscherteam die höchstmögliche Empfindlichkeit für die Suche nach Gravitationswellen.
Gravitationswellen
Auch wenn sie von PSR J1526-2744 keine kontinuierlichen Gravitationswellen beobachteten, konnten sie messen, wie weit der Neutronenstern von der perfekten Achsensymmetrie abweicht. „Wir wissen jetzt, dass PSR J1526-2744 tatsächlich sehr symmetrisch ist. Wir haben gezeigt, dass der Äquator des Neutronensterns nicht viel mehr als der Durchmesser eines menschlichen Haares von einem perfekten Kreis abweichen kann,“ sagt Anjana Ashok, Doktorandin in der permanenten unabhängigen Max-Planck-Forschungsgruppe „Kontinuierliche Gravitationswellen“ am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover. Sie leitete die Suche nach Gravitationswellen.
Zwei weitere Pulsare, PSR J1036-4353 und PSR J1803-6707, sind typische „Redback“-Pulsarsysteme, die aus Neutronensternen mit Begleitsternen von mindestens einem Viertel der Masse unserer Sonne bestehen. Diese Pulsare zerstören ihre Begleiter, indem sie sie im Laufe der Zeit förmlich aussaugen, ähnlich den namensgebenden australischen Rotrückenspinnen, deren Weibchen die Männchen nach der Paarung auffressen.
Nach der schnellen und präzisen Bestimmung der Pulsarpositionen mit den einzigartigen Fähigkeiten von MeerKAT identifiziert das Team die Pulsarbegleiter im Sternkatalog der Astrometrie-Mission Gaia und untersuchten sie im optischen Spektrum mit der Ultracam-Kamera am New Technology Telescope des European Southern Observatory. Darüber hinaus fanden sie Röntgenstrahlung von PSR J1803-6707 in Daten der ersten eRosita-Gesamtdurchmusterung. Die Röntgenstrahlung stammt wahrscheinlich von dem energiereichen Pulsarwind, der auf das vom Begleiter verdampfte Material trifft. Sie ist typisch für Redback-Systeme.
Pulsare, die sich im Katalog verstecken
Es ist schwierig, die Anzahl der noch unentdeckten Pulsare abzuschätzen, die sich hinter nicht identifizierten pulsar-ähnlichen Fermi-Quellen verstecken. Dennoch sind sich die Astronominnen und Astronomen sicher, dass zukünftige Beobachtungen noch mehrere Millisekunden-Pulsare aufspüren können. Auf der Liste noch genauer zu beobachtender Objekte finden sich bereits Kandidaten, die sehr wahrscheinlich Pulsare sind. Allerdings zeigten sie auch in mehreren Durchmusterungen bisher keine pulsierenden Radiowellen oder Gammastrahlen. Neue Teleskope, Analysemethoden und wiederholte Beobachtungsversuche könnten eines Tages beweisen, dass es sich tatsächlich um Pulsare handelt. Mit weiterhin zunehmender Beobachtungszeit von Fermi wird der Quellenkatalog wachsen und weitere Pulsaren ähnelnde Quellen werden auftauchen und zu potenziellen Zielen werden.
„Unsere Ergebnisse, die nur die ersten der Trapum-Durchmusterung von Fermi-Quellen sind, zeigen bereits das große Potenzial von MeerKAT. Mit MeerKAT und einer speziellen Software sind wir nicht nur in der Lage, neue Millisekunden-Pulsare zu entdecken, sondern auch schnell und präzise zu lokalisieren“, sagt Clark. „Die MeerKAT-Beobachtungen sind eine große Hilfe bei der Nachverfolgung bei mehreren Wellenlängen, bei der Suche in Katalogen und bei zukünftigen Beobachtungen – mit anderen Worten: sie machen Millisekunden-Pulsare zu einem Geschenk, das immer weiter beschenkt.“