Hochschulen - elitär und doch sozial verträglich
Die Exzellenz-Initiative der Bundesregierung hat die Ausdifferenzierung der deutschen Hochschullandschaft katalysiert und beschleunigt. Kritiker befürchten eine zunehmende Trennung in Elite- und Massenuniversität. Doch Marius R. Busemeyer sieht in dieser Entwicklung durchaus Chancen – und führt aus, warum und unter welchen Voraussetzungen der Prozess der Differenzierung langfristig die Leistungs- und soziale Gerechtigkeit des deutschen Bildungs- und Beschäftigungssystems verbessern kann.
von Marius R. Busemeyer; in: MaxPlanckForschung 1/2008
Die deutsche Hochschullandschaft durchläuft derzeit eine Phase tief greifender Veränderungen, wie sie seit den 1970er-Jahren nicht mehr zu beobachten war. Damals zielten die Bildungsreformen explizit darauf ab, die Chancengleichheit und den Zugang ehemals bildungsferner Schichten zu Hochschulen zu verbessern. Begleitet und unterstützt wurden diese Reformen durch eine massive Expansion des öffentlichen Hochschulwesens. Heute, in Zeiten knapper Kassen und einer chronischen Unterfinanzierung des tertiären Bildungssektors, geht es eher um die effiziente Verteilung öffentlicher Mittel. Nicht der Staat, sondern private Geldgeber sollen die Unterfinanzierung beheben helfen – etwa durch die vermehrte Gründung privater Hochschulen oder durch Eintreibung von Studiengebühren.
Die von Bund und Ländern ausgeschriebene und nach zwei Runden vorerst abgeschlossene Exzellenzinitiative, in der ausgewählten Hochschulen im Rahmen von drei Förderlinien insgesamt fast 1,9 Milliarden Euro über einen Zeitraum von sechs Jahren zur Verfügung gestellt werden, bietet ein weiteres Beispiel für den Paradigmenwechsel in der deutschen Hochschulpolitik. Denn dadurch wurde zum ersten Mal in der Regierungspolitik eine Abkehr vom Leitbild der Gleichwertigkeit der Universitäten hin zu einer Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft in verschiedene Exzellenz-„Schichten“ vollzogen – mit den Leuchtturm- oder „Elite“-Universitäten an der Spitze.
Aus Wissenschaft und Politik hat die Exzellenzinitiative einiges Lob erfahren, so vor allem von einzelnen Rektoren potenzieller Elite-Universitäten, wie dem ehemaligen Heidelberger Rektor Peter Hommelhoff, sowie vom ehemaligen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft und neuen Generalsekretär des Europäischen Forschungsrates, Ernst-Ludwig Winnacker. Es wurde aber auch viel Kritik laut. Wer Erfahrungen mit dem US-amerikanischen Hochschulwesen hat, der weiß, dass knapp zwei Milliarden Euro – auf mehrere Universitäten verteilt und über einen Zeitraum von einigen Jahren gestreckt – nicht viel mehr als den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein bedeuten und kaum ein deutsches Harvard schaffen können.
Weiters wurde kritisiert, dass die Exzellenzinitiative, entgegen ihrem Anspruch, keinen effektiven und transparenten Leistungswettbewerb befördere, sondern im Wesentlichen bereits bestehende Strukturen und Machtkartelle weiter befestige (Richard Münch). Und schließlich öffne die Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft in Elite- und Massen-Universitäten einen elitären Zugang zu Bildung und anschließender Beschäftigung – wobei noch abzuwarten bleibe, ob die Qualität der Bildung in Elite-Universitäten tatsächlich besser sei (Michael Hartmann).