Forschungsbericht 2021 - Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law
Öffentliche und private Durchsetzung des Verbraucherrechts
Grundlagenforschung und wissenschaftliche Beratung
Ziel der wissenschaftlichen Arbeit am Max-Planck-Institut Luxemburg für Internationales, Europäisches und Regulatorisches Verfahrensrecht ist es, seine Beziehungen zur Rechtspraxis zu stärken und die Forschungsergebnisse in die luxemburgische Zivilgesellschaft zu kommunizieren. Dabei richten wir unsere Grundlagenforschung auf die praktische Unterstützung von Rechtssetzung aus. Im Rahmen dieser Aktivitäten ist die Abteilung für Europäisches und Vergleichendes Verfahrensrecht regelmäßig an Beratungsprojekten beteiligt, die europäische Institutionen (vor allem die EU-Kommission) und nationale Gesetzgeber initiieren. Diese wissenschaftliche Beratungstätigkeit betrifft vorwiegend verfahrensrechtliche und institutionelle Justizreformen oder die Evaluation von bestehenden Rechtsinstrumenten. Das Projekt zur öffentlichen und privaten Durchsetzung des EU-Verbraucherrechts ist ein gutes Beispiel für diese beiden sich ergänzenden Aspekte.
Diese Initiative fällt in einen der drei Schwerpunkte der Abteilung I, die sich mit dem Thema „Private-Public Divide in the Context of Dispute Resolution“ befasst. Zu den untersuchten Themen gehört nicht nur die Durchsetzung des Verbraucherrechts, sondern auch des Wettbewerbs-, Umweltschutz- und Datenschutzrechts. Bei der Umsetzung zwingender Schutzvorschriften wirken staatliche Behörden und private (Verbraucher-)Verbände zusammen – der Dieselskandal ist ein aktuelles Beispiel dafür. Weitere Themenfelder sind die Überschneidungen zwischen nationalem und internationalem Recht, etwa im Umweltschutz, oder Menschenrechtsklagen gegen private Firmen, etwa wegen globaler Lieferketten.
Die koordinierte Durchsetzung des Verbraucherschutzes gehört zu den politischen Prioritäten der EU-Kommission. Im Jahr 2019 verabschiedete die EU die Richtlinie 2019/2161 zur Durchsetzung des europäischen Verbraucherschutzrechts, um mehr Transparenz zu schaffen und die Rechtsdurchsetzung zu verbessern. Die Mitgliedstaaten der EU müssen nun ihre nationalen Regelungen zur Implementierung des europäischen Verbraucherschutzes überarbeiten. Dies eröffnet auch Spielräume zur Modernisierung nationaler Infrastrukturen anhand der europäischen Vorgaben. Selbstverständlich muss auch Luxemburg die diesbezüglichen Rechtsvorschriften anpassen. Die Richtlinie ist ab Mai 2022 anzuwenden.
Vergleichende Studie zum EU-Verbraucherrecht
Im Juli 2019 wurde das neu gegründete Verbraucherschutzministerium auf die verbraucherrechtliche Expertise unseres Instituts aufmerksam. Ministerin Paulette Lenert und ihr Team trafen sich mit Forschern der Abteilung von Burkhard Hess, um die Einführung von kollektiven Rechtsbehelfen für Verbraucher in Luxemburg aus einer europäischen und vergleichenden Perspektive zu diskutieren. Zugleich ging es um die bessere Abstimmung der unterschiedlichen behördlichen Zuständigkeiten. Im September 2019 beauftragte das Ministerium unser Institut mit der Durchführung einer vergleichenden Studie über die Durchsetzung des EU-Verbraucherschutzrechts in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, insbesondere in den Nachbarstaaten Luxemburgs. Burkhard Hess und die Forscher seiner Abteilung beschlossen, Frankreich, Belgien, Estland, England und Wales (vor dem Brexit), Luxemburg selbst und Deutschland zu untersuchen. Ziel der Studie war es, eine Bewertung des luxemburgischen Verbraucherschutzsystems zu erleichtern und Möglichkeiten für seine Verbesserung zu ermitteln.
Wichtige Etappen der Forschungsarbeit
Im Dezember 2019 präsentierten die Forscher die ersten Ergebnisse auf einer vom Ministerium und Institut gemeinsam organisierten Konferenz. Diese fand auf Schloss Senningen, dem Gästehaus der luxemburgischen Regierung, statt und bot die Gelegenheit zur Diskussion mit nationalen Akteuren und vierzig internationalen Experten.
Die Teilnehmer gaben ihre vorläufigen Einschätzungen zu den bestehenden nationalen Rahmenbedingungen für die Verbraucherrechtsdurchsetzung ab und identifizierten darin Herausforderungen und Schwachstellen. Sie tauschten sich darüber aus, wie diese Regelungen umgestaltet werden können, um den Verbrauchern durch wirksamere und effizientere Schutzmechanismen einen besseren Zugang zum Recht zu verschaffen.
In der Folge haben wir sechs nationale Berichte für die genannten Mitgliedstaaten verfasst, die in mehreren Sitzungen mit dem Ministerium erörtert wurden. Diese Berichte beruhen auf einem detaillierten Fragebogen, der ihnen eine einheitliche Struktur gibt und direkte Vergleiche ermöglicht. Die Berichte zeigen sowohl Herausforderungen als auch bewährte Verfahren in den sechs Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Infrastruktur der Verbraucherrechtsdurchsetzung auf. Im November 2020 haben wir dem Ministerium einen Abschlussbericht mit konkreten Vorschlägen vorgelegt, wie Luxemburg die in anderen EU-Mitgliedstaaten eingeführten Mechanismen in die Verbesserung seines Systems einbeziehen könnte. Im Februar 2021 hat unser Team die Ergebnisse der Studie in einer Videokonferenz präsentiert, die das Ministerium mit nationalen Stakeholdern (insbesondere unterschiedliche Behörden und Verbraucherorganisationen) zur Umsetzung der Richtlinie organisiert hatte.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Buchreihe des Instituts veröffentlicht. Die Publikation umfasst die nationalen Berichte und eine ausführliche rechtspolitische Bewertung.
Im Oktober 2021 haben die Hauptautoren und Herausgeber der Publikation – die ehemaligen Fellows Stephanie Law und Vincent Richard – die wichtigsten Ergebnisse der Studie auf einer Buchvorstellung präsentiert. Diese wurde als Webinar in Anwesenheit des Leiters des Enforcement-Teams des Verbraucherschutzministeriums organisiert. Eine Aufzeichnung ist auf dem YouTube-Kanal des Instituts verfügbar.
Dieses Projekt zeigt die anerkannte Expertise unseres Instituts und sein Bestreben, sich sowohl national als auch international als führende Forschungsinstitution in Rechts- und Verfahrensfragen zu positionieren. Es trägt wesentlich dazu bei, den akademischen und gesellschaftlichen Austausch in Luxemburg zu verbessern.
Literaturhinweise
Studies of the Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law (Vol. 24)