Signalübertragung in Zellen: präzise oder sparsam?

Die Genauigkeit der Signalsysteme resultiert aus einer Abwägung von Kosten und Nutzen

14. Juli 2020

Die Signalübertragung in Zellen ist nicht nur hinsichtlich der Präzision optimiert – sie enthält auch einen Kostendeckel. Die Beziehung zwischen Information und Energie, die in Physik und Technik seit geraumer Zeit etabliert ist, scheint auch zelluläre Signalsysteme entscheidend zu formen. Ein Team unter der Leitung von Victor Sourjik erforscht am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie die Frage: Was ermöglicht eine zuverlässige Übertragung von Signalen in der „lauten“ zellulären Umgebung? Dazu untersucht das Forscherteam die Signalübertragung in der Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae). Die Wissenschaftler arbeiten hier auf dem Gebiet der Biophysik: sie verbinden informationstheoretische Ansätze mit quantitativen Experimenten.

Ob während der Entwicklung oder bei der Kommunikation mit einem möglichen Paarungspartner: nur eine genaue Übertragung der empfangenen Signale in den Zellen ermöglicht die Einleitung angemessener Reaktionen. Sie ist daher entscheidend für die Fitness eines jeden Lebewesens. Durch zufällige Schwankungen der Signale entsteht in biologischen Systemen stets ein Hintergrundrauschen, das die Zellkommunikation behindern kann. Organismen müssen daher Strategien entwickelt haben, um die Genauigkeit der Signalübermittlung in Gegenwart solcher Störungen zu verbessern. Wie diese Selektion zur Rauschunterdrückung die zellulären Netzwerke beeinflusst und formt, ist jedoch noch wenig verstanden.

Der Pheromon-Signalweg der Bäckerhefe gehört zu einer Klasse von MAPK-Signalwegen (Mitogen-aktivierter Proteinkinase-Weg), welche in meisten Eukaryonten eine Schlüsselrolle bei der Übertragung und Übersetzung extrazellulärer Reize in intrazelluläre Antworten wie Zelldifferenzierung, Vermehrung oder Stressreaktionen spielen.

Dass der Pheromon-Signalweg der Hefe negative Rückkopplungsregulationen enthält, ist durchaus ein Zeichen für die Selektion auf erhöhte Genauigkeit. Überraschenderweise zeigten jedoch die theoretischen und experimentellen Analysen des Signalweges, dass die Genauigkeit auf einfache Weise verbessert werden kann, indem man die Empfindlichkeit einer der negativen Rückkopplungen erhöht. Woher also die Diskrepanz zwischen dem potentiell effizienteren theoretischen und dem natürlichen Design? Einfach gefragt: warum hat die Hefe das System nicht ebenso optimiert?

Kosten-Nutzen-Rechnung

Die Antwort darauf scheint in der Ökonomie der Zelle zu liegen. Denn die Diskrepanz löst sich auf, wenn man auch die Energieinvestitionen in den Betrieb des Signalweges in Betracht zieht. „Wir konnten zeigen, dass das Kernstück des MAPK-Signalweges, der Phosphorylierungszyklus, messbare Fitnesskosten hat. Wenn man diese einbezieht, und die Genauigkeit der Signalweiterleitung gegen die energetischen Kosten des Signalwegbetriebs abwiegt, erscheint das natürlich beobachtete Design optimal“, erklärt Alexander Anders, Erstautor der aktuellen Publikation.

„Wir sehen hier einen Zusammenhang zwischen Information und Energie, welcher in Physik und den Ingenieurswissenschaften seit geraumer Zeit etabliert ist“, so Victor Sourjik. “In der Biologie wurde diesem Zusammenhang bislang wenig Beachtung geschenkt. Unsere Arbeit legt nahe, dass die Kosten-Nutzen-Abwägung bei der Informationsübertragung wichtig bei der Formung zellulärer Signalsysteme gewesen sein muss. Das hilft uns, die evolutionäre Optimierung der zellulären Signalnetzwerke besser zu verstehen.“ Wie die Biologie das grundlegende Dilemma der Informationskosten in anderen Fällen gelöst hat, bleibt zu erforschen.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht