Taufliegen sind bei der Nahrungssuche für neue Partner offen
Die Bereitschaft, sich mit bislang unbekannten Hefen zu verbünden, könnte ein entscheidender Faktor bei der Entstehung neuer Drosophila-Arten sein
Ein Team von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hat drei verschiedene Arten der Gattung Drosophila und deren Wechselwirkungen mit ihren natürlichen Nahrungsquellen untersucht. Sie haben herausgefunden, dass die Taufliegenarten nicht unbedingt Hefen bevorzugen, die sie aus ihren natürlichen Lebensräumen kennen, sondern auch von Hefen angelockt werden, die in einem fremden Habitat zu finden sind. Fliegenweibchen entscheiden sich zum Teil sogar dafür, ihre Eier auf Substraten mit ihnen unbekannten Hefen abzulegen, obwohl ihre Nachkommen dort weniger gute Überlebenschancen besitzen. Solche Vorgänge in der Natur könnten der Schlüssel dafür sein, dass sich die Fliegen neue Lebensräume erschließen und es, sofern auch die Larven dort überleben, zur Nischenbildung und letztendlich zur Entstehung neuer Arten kommt.
Drosophila melanogaster), die - fälschlicherweise oft als „Fruchtfliege“ bezeichnet – in der heißen Jahreszeit oftmals in Schwärmen an Obst zu finden ist, insbesondere dann, wenn es überreif ist und erste Gärungsprozesse in Gang gesetzt werden. Die Fliegen werden nämlich in erster Linie vom Geruch der Hefen angelockt, die an der Gärung beteiligt sind, und nicht von den Pflanzen selbst. Sie ernähren sich nicht nur von diesen Hefen; die Mikroorganismen stellen auch ein erstklassiges Brutsubstrat dar, auf das sie ihre Eier legen und auf dem ihre Larven gedeihen. Mehr als 1500 verschiedene Arten der Gattung Drosophila sind bekannt. Viele davon sind sich auf ganz bestimmte Lebensräume spezialisiert, ernähren sich beispielsweise ausschließlich von bestimmten Früchten und legen dort ihre Eier ab.
Forscherinnen und Forscher am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie wollten wissen, welche Rolle die Hefen, die auf den jeweiligen Wirten der Fliegen wachsen, bei der Wirtswahl der Fliegen spielen, und ob sich im Prozess der Ko-Evolution eine Partnerschaft bzw. Abhängigkeit zwischen den Fliegen und diesen Hefen herausgebildet hat. „Wir fragten uns: Würden die Fliegenarten ihren Hefen treu bleiben, oder würden sie sich auch von anderen Hefearten anlocken lassen, die den Fortpflanzungserfolg ihrer Art beeinflussen könnten?“ fasst Sarah Koerte, Erstautorin und Doktorandin in der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie, die Ausgangsfragestellung zusammen.
Dazu hat sich das Team neben Drosophila melanogaster zwei weitere Arten der Gattung Drosophila sowie deren Wirtssubstrate und die damit assoziierten Hefen genauer angesehen: Drosophila mojavensis, eine in der Mojave-Wüste im Südwesten der USA erstmals beschriebene Art, die auf Kakteen, insbesondere nekrotischem Gewebe, gedeiht, und Drosophila putrida, eine Art, die im Mittleren Westen der USA vorkommt und sich ausschließlich auf Pilzen vermehrt. In Verhaltensexperimenten testeten die Wissenschaftler die Vorlieben der erwachsenen Fliegen aller drei Arten für Hefen, die entweder auf Früchten wachsen (die Bäcker- oder Bierhefe Saccharomyces cerevisiae), auf Kakteen (Pichia cactophila) oder auf Pilzen (Vanrija humicola) wachsen, und somit jeweils zu den vertrauten Mikrobengemeinschaften einer der Arten gehören. Außerdem wurden verpaarte Fliegenweibchen beim Legen ihrer Eier beobachtet, um zu sehen, ob die Anwesenheit unterschiedlicher Hefen die Wahl des Eiablageplatzes beeinfluss.
Vorlieben für unterschiedliche Hefen
Überraschenderweise bevorzugten die Fliegen nicht unbedingt Hefen aus ihrem vertrauten Lebensraum, sondern wurden auch von den anderen Hefen angezogen. Weibchen der Taufliege Drosophila melanogaster legten ihre Eier bevorzugt auf ein Substrat mit Hefepilzen, die auf Kakteen zu finden sind, während weibliche Fliegen des Pilzspezialists lieber obstspezifische Hefen für die Eiablage wählte. Die eigentliche Überraschung war, dass Fliegenweibchen ihre Eier in Gegenwart von solchen Hefen ablegten, die die Entwicklung ihrer Nachkommen negativ beeinflussten, wie Experimente mit Fliegenlarven auf unterschiedlichen Brutsubstraten zeigten: Die Larven der auf Kakteen bzw. Pilze spezialisierten Fliegenarten gediehen nämlich am besten auf Hefen, die mit dem vertrauten Lebensraum assoziiert waren, während Hefen aus unbekannten Umgebungen eher eine schlechte Larvenentwicklung und hohe Sterblichkeit verursachten. Im Gegensatz zu den beiden Arten mit begrenztem Wirtsspektrum gediehen die Larven der schwarzbäuchigen Taufliege auf allen getesteten Hefen gleichermaßen gut, denn diese Fliegenart ist ein Generalist mit einem flexibleren Lebensstil.
Die Hefen helfen den Fliegen bei der Zersetzung des Pflanzen bzw. Pilzsubstrats, während die Fliegen die Hefen mit Kot wieder unverdaut ausscheiden, so dass sich die Hefepilze weiter ausbreiten können. Die Forscherinnen und Forscher vermuteten, dass die Hefepilze vielleicht unterschiedlich stark am Abbau des jeweiligen Substrats beteiligt sind. Untersuchungen der Zuckergehalte sowie der Abbaurate zeigten, dass Fliegen und Hefen gemeinsam die Zersetzung beschleunigten. Allerdings war nicht erkennbar, dass ein Zusammenspiel einer bestimmten Fliegenart mit ihrer assoziierten Hefe von Vorteil war.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Fliegen mit einem breiten Wirtsspektrum auch toleranter gegenüber verschiedenen Hefen in Nahrungsquellen und an Eiablageplätzen waren. Interessanterweise war den Fliegen bei der Eiablage meist egal, welche Hefen vorhanden waren, während die schlüpfenden Larven oft nur auf den Hefen heranwachsen konnten, denen sie auch in der Natur begegnet wären“, sagt Studienleiter Markus Knaden. Überleben Nachkommen allerdings auf einem neuen Wirt und den wirtsspezifischen Hefen, birgt dies die Möglichkeit, dass sich Fliegenarten an neue Umgebungen anpassen können, die zur Entstehung neuer Arten führen können.
„Der evolutionäre Erfolg der Gattung Drosophila hängt vermutlich mit der Fähigkeit zusammen, vergleichsweise schnell neue Lebensräume zu erobern. Mikroorganismen, wie die Hefepilze, die auf ihren Wirtssubstraten wachsen, spielen bei der Erschließung unbekannter Umgebungen und neuer ökologischer Nischen womöglich eine Schlüsselrolle,“ sagt Sarah Koerte.