Schwammspinner haben Vorliebe für Pilze

Die Raupen der Insekten nutzen die Sporen der Mikroben als zusätzliche Nährstoffquelle

20. April 2020

Blätter der Schwarzpappel sind besonders anfällig für den Angriff durch Schwammspinner, wenn sie von einem Pilz infiziert sind.  Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena haben entdeckt, dass besonders die jungen Raupen des Schädlings ihren Speiseplan mit dem Pilz aufwerten: Raupen, die mit Pilzsporen übersäte Blätter fressen, entwickelten sich schneller und verpuppten sich einige Tage früher. Die höheren Konzentrationen an wichtigen Nährstoffen wie Aminosäuren, Stickstoff und Vitaminen sind vermutlich die Ursache für dieses Phänomen. Die Ergebnisse werfen ein völlig neues Licht auf die Koevolution von Pflanzen und Insekten, in der Pilze und andere Mikroorganismen eine viel größere Rolle spielen, als bislang angenommen.

In den vergangenen Jahren gab es in deutschen Wäldern immer wieder Massenvermehrungen des Schwammspinners. Seine Raupen haben keine besonderen Vorlieben für bestimmte Pflanzen, sondern fressen an den Blättern vieler Laubbäume und Sträucher.

Sybille Unsicker erforscht mit ihrer Arbeitsgruppe, wie Pappeln Fressfeinde wie den Schwammspinner abwehren. Dabei haben sie beobachtet, dass die Bäume ihre Verteidigung gegen die gefräßigen Insekten verringern, wenn sie gleichzeitig von Pilzen befallen sind. „Wir haben festgestellt, dass Raupen von den Düften pilzbefallener Pappeln angezogen werden. wussten aber nicht, warum“, erklärt Erstautorin Franziska Eberl. Fraßexperimente, bei denen die Forschenden Schwammspinnerraupen Blätter mit und ohne Pilzbefall zur Auswahl anboten, ergaben eine eindeutige Vorliebe der Raupen für mit Pilzen infizierte Blätter. Im frühen Raupenstadium fraßen diese sogar als erstes die Pilzsporen auf der Blattoberfläche und dann erst das Blattgewebe selbst. „Egal ob Rostpilz oder Mehltau, vor allem junge Raupen haben sich über die Pilze hergemacht“, so Eberl.

Raupen mit Lust auf Süßes

Chemische Analysen ergaben, dass in erster Linie Mannitol dafür verantwortlich ist – ein Stoff, der auch in menschlicher Nahrung als Süßstoff eingesetzt wird. Eberl überprüfte außerdem, wie gut sich die Raupen bei unterschiedlicher Ernähnrung entwickelten. „Raupen, die Pilze in ihrer Nahrung haben, entwickeln sich schneller und verpuppen sich auch früher. Sie haben damit einen Vorteil gegenüber ihren Geschwistern, die gesunde Blätter fressen. Hier spielen vermutlich wichtige Nährstoffe wie Aminosäuren, Stickstoff und B-Vitamine  in den Blättern eine Rolle“, sagt die Forscherin.

Die Beobachtung, dass ein als Pflanzenfresser klassifiziertes Insekt zumindest im frühen Raupenstadium ein Pilzfresser ist, war für das Forschungsteam die eigentliche Überraschung. „Unsere Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass auf Pflanzen lebende Mikroorganismen eine viel größere Rolle bei der Koevolution von Pflanzen und Insekten haben könnten, als bislang angenommen“, sagt die Studienleiterin Sybille Unsicker. „Bei den Schwarzpappeln in unserer Studie tritt der Pilzbefall jedes Jahr auf. Daher ist durchaus vorstellbar, dass sich pflanzenfressende Insekten an die zusätzliche Ressource Pilz anpassen konnten. Insbesondere angesichts der Langlebigkeit von Bäumen erscheint die evolutionäre Anpassung an eine Ernährung aus Blättern und Pilzen bei solchen Schädlingen plausibel.“

Weitere Untersuchungen sollen jetzt klären, wie weit verbreitet die pilzliche Nahrung bei anderen pflanzenfressenden Insektenarten ist und welchen Einfluss die Ernährung mit Blättern und Pilzen auf das Immunsystem von Insekten hat. Möglicherweise hat diese Nahrungsnische auch Auswirkungen auf die Abwehr der Insekten gegenüber ihren Feinden, wie etwa parasitoiden Wespen.

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