Form und Größe der Leber
Forscher entdecken Mechanismus für die Regeneration der Leber
Während Entwicklung und Regeneration müssen Organe die richtige Form und Größe erreichen. Dies erfordert ein Kontrollsystem, das das Verhalten einzelner Zellen koordiniert, um die korrekte Struktur und Funktion des Gewebes sicherzustellen. Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden und der TU Dresden haben in der Leber von Mäusen einen neuartigen Kontrollmechanismus entdeckt. Bei diesem werden die einzelnen Zellen über Veränderungen in der Zellstruktur, die durch eine Überlastung des Stoffwechsels verursacht werden, über die Funktionsfähigkeit des gesamten Organs informiert.
Die Leber hat eine einzigartige Fähigkeit, sich zu regenerieren. Nach einer Gewebeverletzung wird die ursprüngliche Gewebemasse innerhalb weniger Tage wiederhergestellt. Bisherige Studien auf diesem Gebiet haben die Bedeutung des Stoffwechsels für die Leberregeneration hervorgehoben. Es ist jedoch immer noch kaum erforscht, wie Organe die Regeneration auf allen Organisationsebenen koordinieren, um die Wiederherstellung des ursprünglichen Gewebes zu gewährleisten.
Um dieses Problem anzugehen, hat die Forschungsgruppe um Marino Zerial vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik zusammen mit Kollegen vom Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen) an der TU Dresden die Regeneration der Leber von Mäusen untersucht. Die Wissenschaftler haben das Lebergewebe mithilfe hochauflösender Mikroskopie und quantitativer 3D-Bildanalyse digital rekonstruiert, um Gewebe- und Zellveränderungen während der Leberregeneration zu analysieren.
Leberzellen registrieren Überlastung
Nach dem Verlust von Lebergewebe kommt es im verbleibenden Gewebe durch die Rezirkulation von Gallensäuren im Körper zu einer metabolischen Überlastung. Diese Überlastung führt zu einer Erweiterung des Gallenkanalnetzwerkes, die von den Leberzellen zur Produktion und Verteilung der Galle gebildet werden und welche die Verdauung im Darm unterstützen. Bemerkenswert ist, dass das von der Plasmamembran der einzelnen Leberzellen gebildete Gallenkanalnetzwerk die Überlastung der Gallensäuren registriert und die Informationen an die Zellen weiterleitet, um die Regeneration zu veranlassen. Kirstin Meyer, die Erstautorin der Studie, erklärt: „Dieser einfache Mechanismus gibt Informationen über die Leberfunktion auf Gewebeebene an einzelne Zellen über die mechano-sensorische Funktion des Hippo-Signalwegs weiter.“
Es ist bekannt, dass sich der Gallensäurespiegel nicht nur während der Leberregeneration verändert, sondern auch als Reaktion auf andere Umweltveränderungen, wie zum Beispiel die Ernährung oder der Biorhythmus. Warum führen diese Veränderungen nicht ebenfalls zur Regeneration? Lutz Brusch von der TU Dresden stellt fest: „Wir haben ein biophysikalisch-biochemisches Modell des Gallendrucks und des Hippo-Signalwegs entwickelt. Dieses Modell zeigt einen Mechanismus auf, der YAP, ein Hauptakteur des Hippo-Signalwegs, in einer schalterartigen Weise aktiviert.“ Kirstin Meyer fährt fort: „Die Aktivierungsschwelle wird nicht durch mäßige Gallensäureschwankungen erreicht, sondern nur bei schweren Störungen wie zum Beispiel bei Verlust von Gewebe. Wir vermuten, dass das Gallenkanalnetzwerk als selbstregulierendes System wirkt, das auf kritische Gallensäure-Level reagiert, um den Regenerationsprozess der Leber auszulösen.“
Wie Organe das Wachstum kontrollieren und sich regenerieren, sind wichtige biomedizinische Fragen. Neue Erkenntnisse können sowohl ein besseres Verständnis abnormaler Wachstumsfaktoren, wie zum Beispiel Krebs, als auch neue Wege für regenerative Therapien eröffnen. Marino Zerial, der die Studie leitete, fasst zusammen: „Unsere Erkenntnisse verbinden das bisherige Wissen über die Bedeutung des Gallensäure-Stoffwechsels für die Leberregeneration mit der Zellbiologie der Leberzellen und der Organisation der Zellen zu Geweben. Dies ebnet den Weg zu einem Systemverständnis, wie die Zellen aufschlussreiche Signale bei der Leberregeneration wahrnehmen können.“