Stabile Verhältnisse bei der Zellteilung

GTSE1 reguliert Mikrotubuli und verhindert so Fehler bei der Verteilung der Chromosomen

27. Februar 2020

Kommt es bei der Weitergabe der Erbinformationen von einer Zelle an die nächste zu Fehlern, kann Krebs entstehen. Kein Wunder also, dass der zugrunde liegende Prozess der Zellteilung von vielen Regulatoren und Wächtern kontrolliert wird. Die Forschungsgruppe um Alex Bird  am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund hat einen bisher verborgenen Schlüsselspieler entdeckt, der die nötige Stabilität in die Verteilung der Erbinformation bringt.

Unser Körper hält sich durch die ständige Erneuerung seiner Zellen fit. Zellen im Verdauungstrakt leben nur wenige Tage und jeden Monat erhalten wir eine neue Haut. Angetrieben wird diese Runderneuerung durch die Zellteilung. Im Idealfall entstehen dabei aus einer Zelle zwei identische Tochterzellen, auf die die Erbinformation in Form der Chromosomen gerecht aufgeteilt werden muss. Ein Prozess, der sehr fehleranfällig ist. Wird ein entstandener Fehler nicht korrigiert, führt das oft zum Tod der Zelle. Schlimmer noch, die Zellen überleben und geben den Fehler an die folgenden Generationen weiter. Je mehr Fehler sich so anreichern, desto stärker wird die Erbinformation verfälscht, ähnlich wie bei dem Kinderspiel „Stille Post“. Die Zellen entarten. Dies führt häufig zu einer unkontrollierten Zellteilung,  die im schlimmsten Fall zur Entstehung von Krebs führt.

Damit dies nicht passiert, gibt es eine Vielzahl von Kontrollmechanismen. So können zum Beispiel sogar noch Fehler rückgängig gemacht werden in späteren Phasen der Zellteilung. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Protein Gtse1, wie das Team um Alex Bird herausgefunden hat. Die Forscher und Forscherinnen konnten zeigen, dass GTSE1 die Stabilität von Proteinröhren reguliert, die für die Verteilung der Chromosomen zuständig sind. Wie die Arme einer Krake fangen diese Röhren sogenannter Mikrotubuli die Chromosomen zunächst ein, um sie dann im Zentrum der Zelle anzuordnen und anschließend aufzuteilen.

Die Bindung der Mikrotubuli an die Chromosomen ist jedoch ein Balanceakt: Sind die Mikrotubuli zu brüchig, werden die Chromosomen vor ihrer Verteilung nicht richtig sortiert und angeordnet. Sind die Mikrotubuli aber zu stabil, kann eine falsche Verteilung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dieses Phänomen findet sich häufig in Krebszellen, die oft eine besonders hohe Menge an GTSE1 aufweisen. Bird und sein Team konnten zeigen, dass eine Reduzierung der Menge an GTSE1 in diesen Krebszellen zu weniger Fehlern bei der Verteilung der Chromosomen führt. Erhöht man jedoch die Menge an GTSE1 in gesunden Zellen, treten vermehrt Fehler auf.

Mechanismus der Zellteilung aufgeklärt

Mit ihrer aktuellen Forschungsarbeit konnten die Wissenschaftler nun zeigen, wie GTSE1 zu den Mikrotubuli rekrutiert wird, um sie zu stabilisieren. Im Mittelpunkt steht das Protein Clathrin. Überraschend, denn eigentlich hat Clathrin eine wichtige Rolle in einem ganz anderen Prozess: den Transport von Flüssigkeiten oder Partikeln von außerhalb der Zelle in das Zellinnere. Dafür lagern sich dutzende Clathrin-Proteine zu einem bläschenartigen Transportgefäß zusammen. Bird konnte nun zeigen, dass der Mechanismus, durch den Clathrin zur Bildung der Bläschen rekrutiert wird, auch in der Zellteilung genutzt wird, um GTSE1 zu den Mikrotubuli zu rekrutieren und diese damit zu stabilisieren. „Bemerkenswert, wie die Evolution den Zellen Wege bietet, Mechanismen und Proteine für völlig unterschiedliche Funktionen wiederzuverwenden“, beschreibt Bird.

Weiterhin sieht er in der Erforschung der Stabilität von Mikrotubuli einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung potentieller Krebstherapien: „Eine fehlerhafte Weitergabe der Erbinformationen trägt wesentlich zur Entstehung und Resistenzen von Tumoren bei. Durch die hohen Fehlerraten entstehen im Tumor ständig bösartige Zellen mit neuen Eigenschaften, die den Tumor zum Überlebenskünstler machen. Umso wichtiger ist es, die Schutzmechanismen der Zellen besser zu verstehen."

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