Forschungsbericht 2019 - Max-Planck-Institut für Radioastronomie
Das erste Bild vom Schatten eines Schwarzen Lochs
Die Existenz Schwarzer Löcher folgt aus Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Sie beschreibt die Schwerkraft (Gravitation) als Eigenschaft, genauer gesagt als Krümmung, von Raum und Zeit. Schwarze Löcher stellen den Extremfall der Gravitation dar. Hier befindet sich extrem konzentrierte Masse auf so kleinem Raum und mit so großer Raumkrümmung, dass nicht einmal Licht entweichen kann. Die äußere Grenze eines Schwarzen Lochs bildet der Ereignishorizont. Alles, was diesen Ereignishorizont überschreitet, kann nicht mehr entkommen. Ein Schwarzes Loch erscheint Beobachtern daher schwarz. Man kann zwar Schwarze Löcher an deren gravitativen Wechselwirkung erkennen und charakterisieren, aber sichtbar werden sie nur vor einem hellen Hintergrund als eine Form von "Schatten". Diese Tatsache haben wir uns zunutze gemacht.
Im Zentrum von Galaxien befinden sich supermassereiche Schwarze Löcher, die Milliarden von Sonnenmassen in sich vereinen. Materie strömt auf das zentrale Schwarze Loch zu und stürzt schließlich in es hinein. Bevor die Materie hinter dem Ereignishorizont verschwindet, wird eine enorme Energiemenge frei, die sich in Strahlung umwandelt. Dieser Vorgang ist zum Beispiel für die extreme Leuchtkraft von Radiogalaxien verantwortlich. Bei der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Radiogalaxie Messier 87 (M87) wurde ein solches supermassereiches Schwarzes Loch erwartet. Entsprechende Hinweise gab schon der spektakuläre Materieausstoß der Quelle, ihr Jet (Abbildung 2). In zwei eng gebündelten Strahlen schießt Materie ins All. Schon vor mehr als hundert Jahren im optischen Licht entdeckt, wird der Jet seit mehreren Jahrzehnten intensiv bei verschiedenen Wellenlängen untersucht. Eine sehr große Detailschärfe lieferte die Radiointerferometrie (Very Long Baseline Interferometry, VLBI). Seit den 1970er Jahren ist unser Institut am Ausbau des VLBI-Netzwerks und den Beobachtungen bei immer höheren Frequenzen federführend beteiligt.
Das Event Horizon Telescope (EHT)
In jahrelanger Arbeit hat eine Kollaboration von Astronomen ein VLBI-Netzwerk mit bislang unerreichter Detailschärfe realisiert. Dieses Event Horizon Telescope (EHT, Abbildung 1) erzielte eine Auflösung von 20 Mikrobogensekunden; das entspricht dem Lesen einer Zeitung in New York von einem Straßencafe in Berlin aus. Die EHT-Kollaboration beobachtete M87 mit sieben Radioteleskopen an fünf verschiedenen Standorten, ein achtes Instrument, das Südpol-Teleskop, half bei der Kalibration.
Das MPIfR ist an allen Aspekten des EHT beteiligt, auch unsere Teleskope und technischen Einrichtungen haben wichtige Beiträge zu den Beobachtungen mit dem EHT beigesteuert: Wir haben das APEX-Teleskop gebaut und für das EHT instrumentell ausgerüstet. Darüber hinaus haben wir das IRAM-30-m-Teleskop sowie das Array ALMA ausgerüstet und betreut. Die erforderliche Datenanalyse zur Umwandlung der Rohdaten in ein fertiges Bild erfolgte an Spezialcomputern des MPIfR und am MIT-Haystack-Observatorium. Und nicht zuletzt lieferte das Effelsberger Radioteleskop wichtige Zusatzinformationen durch begleitende Untersuchungen bei längeren Wellenlängen.
Wie bei VLBI-Messungen üblich, haben alle Teleskope M87 gleichzeitig beobachtet. Die Messdaten wurden zunächst separat gespeichert und anschließend mit Supercomputern miteinander verglichen und kombiniert. Dadurch erreichten die Aufnahmen eine Auflösung, die durch den größten Abstand der Radioteleskope zueinander sowie durch die Beobachtungsfrequenz bestimmt ist. Für die Beobachtungen bei 230 GHz (entsprechend einer Wellenlänge von 1,3 mm) stand nur ein Zeitraum vom 5. bis 11. April 2017 zur Verfügung, und wir hatten Glück, dass das Wetter an diesen Tagen an allen Standorten hervorragend war.
Die Aufnahme zeigt doe erste direkte Aufnahme eines Schwarzen Lochs und seiner unmittelbaren Umgebung [1] (Abbildung 2). Man erkennt einen dunklen zentralen Bereich – den "Schatten" des Schwarzen Lochs. Durch Effekte der Lichtablenkung im Schwerefeld des Schwarzen Lochs erscheint der Schatten tatsächlich größer als das Schwarze Loch selbst – man "sieht" sozusagen auch dessen Rückseite. Die Helligkeitsvariation des leuchtenden Plasmarings um diesen Schatten entsteht durch die Rotation des heißen Gases um das Schwarze Lochs herum. Wo das Gas auf uns zu kommt, erscheint es etwas heller, gegenüber entfernt es sich von uns, dort ist die Emission schwächer. Das ist ein bekannter relativistischer Effekt.
Mit dem ersten Bild der unmittelbaren Umgebung des Ereignishorizonts stimmen die Messungen im Rahmen ihrer Genauigkeiten mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie überein. Es konnte zudem gezeigt werden, dass supermassereiche Schwarze Löcher tatsächlich die zentralen "Maschinen" der leuchtkräftigen Zentralgebiete von Galaxien bilden. Damit eröffnet das EHT ein neues Instrument für zukünftige Untersuchungen von Schwarzen Löchern, und es bietet die Möglichkeit, die Allgemeine Relativitätstheorie im Bereich sehr starker Gravitation zu überprüfen.
Das nächste Bild: Sagittarius A*
Das Schwarze Loch in M87 ist 55 Millionen Lichtjahre entfernt. Nur 26 000 Lichtjahre entfernt befindet sich das Zentrum unserer Milchstraße. Auch hier existiert ein supermassereichen Schwarzen Lochs, das mit der kompakten Radioquelle Sagittarius A* (Sgr A*) assoziiert ist. Dass es sich hierbei um ein Schwarzes Loch handeln muss, lässt sich aus Beobachtungen von Sternbahnen ableiten, die insbesondere am MPI für Extraterrestrische Forschung in Garching in der Gruppe um Reinhard Genzel durchgeführt werden. Aus der Bewegung der Sterne um Sgr A* herum, lässt sich die Masse des Schwarzen Lochs zu vier Millionen Sonnenmassen bestimmen.
Mittlerweile sind präzise Messungen von Sternbewegungen sehr nahe am Schwarzen Loch möglich [2], die aussagekräftige Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie erlauben. Daher ist, im Gegensatz zu M87, die Masse des Schwarzen Lochs bereits präzise bekannt. Sie könnte zukünftig durch die Entdeckung von von nahe gelegenen Pulsaren sogar noch genauer vermessen werden. Durch eine Kombination dieser Vorkenntnisse mit einem möglichen Bild des Schattens von Sgr A* könnten wir die Allgemeine Relativitätstheorie dann weiteren präziseren Tests unterziehen.
Zurzeit arbeitet die EHT-Kollaboration an der Erstellung eines Bildes von Sgr A*. Leider unterliegt dieses Objekt Helligkeitsschwankungen, die aufgrund der deutlich kleineren Masse erwartungsgemäß viel schneller sind als die in M87. Das macht die Berechnung des Bildes schwieriger, aber auch spannender.
Literaturhinweise
I. The Shadow of the Supermassive Black Hole