Power-Modus für Muskelzellen
Mikro-RNAs regulieren Bildung von Mitochondrien in Zellen
Muskelarbeit benötigt viel Energie. Diese wird in Zellen mit hohem Energieverbrauch vor allem durch Mitochondrien bereitgestellt. In Muskelzellen findet man deshalb mehr dieser Kraftwerke der Zellen als in anderen Zelltypen mit niedrigerem Energieumsatz. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun einen Mechanismus identifiziert, über den die Entstehung von Mitochondrien in Muskelzellen reguliert wird. Dadurch wird die Ausdauerleistung von Muskeln überhaupt erst möglich.
Die Energieversorgung von Zellen läuft über zwei unterschiedliche Mechanismen ab: Mittels der sogenannten Glykolyse gewinnen Zellen den Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) aus Glukose. Sauerstoff wird dabei nicht benötigt. Nachteil der Glykolyse ist ihre geringe Effizienz. Deshalb stellen Zellen, die für ihre Funktion viel Energie benötigen, ATP vor allem über die Atmungskette her. Diese ist effizienter als die Glykolyse. Sie läuft in den Mitochondrien ab und verbraucht Sauerstoff. Muskelzellen benötigen im Vergleich zu anderen Zelltypen wegen ihres verhältnismäßig hohen Energiebedarfs besonders viele Mitochondrien.
Wissenschaftler aus der Abteilung „Entwicklung und Umbau des Herzens“ von Thomas Braun haben nun einen Mechanismus entdeckt, der bei der Differenzierung von Muskelstammzellen zu funktionalen Muskelzellen die Bildung von Mitochondrien steuert. Eine entscheidende Rolle spielen dabei kurze, nicht codierende RNA-Moleküle, sogenannte Mikro-RNAs, sowie ein als Mega-Gencluster bezeichneter Komplex verschiedener Gene. Thomas Böttger, Gruppenleiter in der Abteilung am Max-Planck-Institut, erläutert die Funktionsweise: „In Stammzellen blockiert das Dlk-Dio3-Gencluster die Bildung von Mitochondrien. Auf diese Weise bleibt die sorgfältig orchestrierte Balance des Energiestoffwechsels in diesen Zellen vorhanden.“
Neue Mitochondrien in Muskelzellen
Entwickeln sich Stammzellen zu Muskelzellen, ändert sich der Energiebedarf schlagartig. Innerhalb kurzer Zeit wird eine große Zahl an Mitochondrien gebildet. „Wir konnten zeigen, dass das Mega-Gencluster zwar in Stammzellen aktiv ist, aber in keiner von uns untersuchten differenzierten Körperzelle“, so Böttger. Daraus folgerten die Max-Planck-Forscher, dass der Mega-Gencluster im Zuge der Zelldifferenzierung abgeschaltet wird.
Hinweise auf den zugrunde liegenden Mechanismus ergaben sich, als die Wissenschaftler die Differenzierung der Stammzellen zu Muskelzellen genauer untersuchten: „Parallel zur Abnahme des Dlk-Dio3-Genclusters stellten wir eine Zunahme zweier nicht codierender Mikro-RNAs, nämlich miR-1und miR-133a fest“, sagte Böttger. Wurden in den Muskelzellen im Experiment miR-1und mi-R133 ausgeschaltet, ließen sich die einzelnen Komponenten des Mega-Genclusters in diesen Zellen nachweisen. „Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass miR-1 und miR-133a die Bildung des Mega-Genclusters verhindern“, so Böttger. „Fehlen die beiden Mikro-RNAs, bleibt das Mega-Gencluster aktiv. Tatsächlich beobachten wir dann auch eine Abnahme mitochondrialer Gene und atypischer Mitochondrien.“
Mikro-RNAs steuern Gencluster
Untersuchungen an Mäusen, bei denen die Gene für dass miR-1 und miR-133a gentechnisch ausgeschaltet waren, bestätigten die Daten: „In miR-1/miR-133a-Knockout-Mäusen waren in den Muskelzellen viel weniger Mitochondrien vorhanden als in denen von Kontrolltieren. Bei gleichbleibender Kraft stellten wir bei den Knockout-Mäusen eine deutlich verminderte Ausdauerleistung fest“, so Böttger.
Die Erklärung hierfür aus Sicht der Forscher: Während die Energie für die kurzfristige Muskelaktivität anaerob über die Glykolyse bereitgestellt wird, sind für Ausdauerleistungen aerobe Prozesse notwendig. „Für eine ausdauernde Muskelaktivität benötigt die Muskulatur ausreichend Mitochondrien“, sagt Böttger. „Unsere Studie zeigt, dass die beiden Mikro-RNAs miR-1/miR-133a bei der Bildung neuer Muskelzellen aus Stammzellen das Mega-Gencluster inaktivieren und dadurch die Bildung von Mitochondrien in großer Zahl möglich wird.“ Die Studie liefert deshalb einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Verwandlung von Stamm- in Körperzellen.
MH/HR