Forschungsbericht 2015 - Max-Planck-Institut für Chemie

Wintersmog in Peking und seine Bildungsmechanismen

Beijing winter haze and its formation mechanism

Autoren
Cheng, Yafang; Su, Hang; Pöschl, Ulrich
Abteilungen
Forschungsgruppe „Aerosole und regionale Luftqualität” & Forschungsgruppe „Wechselwirkungen zwischen Wolken und Biosphäre”
Zusammenfassung
Extreme Smogereignisse ließen Peking im Winter 2013 unter einer Dunstglocke verschwinden und führten zu schwerwiegenden Umwelt- und Gesundheitsproblemen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie konnten nachweisen, dass die Luftqualität von Peking durch komplexe Interaktionen zwischen Emissionen, regionalem atmosphärischen Transport und Atmosphärenchemie beeinflusst wird.
Summary
Extreme haze episodes shrouded Beijing during the winter of 2013, causing major environmental and health problems. We show that the severe winter haze was driven by stable synoptic meteorological conditions rather than by an abrupt change of emissions; the fast build-up of PM2.5 in Beijing was mainly controlled by the atmospheric transport; and the production of secondary aerosols is enhanced during the haze periods. This enhancement cannot be explained by the weakened photochemistry suggesting a missing source of PM2.5, which is likely the heterogeneous reaction.

Ursachenforschung zum außergewöhnlichen Smog in Peking

In den vergangenen Jahren stellten schwerwiegende und anhaltende Smogperioden, die Peking und die Nordchinesische Tiefebene im kalten Winter einhüllten, eine gesundheitliche Bedrohung für knapp 400 Millionen Menschen dar. Abbildung 1 zeigt den Unterschied zwischen einem klaren himmelblauen Tag ((a), (b)) und der eingetrübten Sicht an einem diesigen Tag ((c), (d)) in Peking. Im Januar 2013 erreichte die Feinstaubkonzentration (PM2.5, Partikel mit einem Durchmesser kleiner als 2,5 μm) in Peking eine Rekordhöhe von knapp 900 μgm-3, was zu einer eingeschränkten Sichtweite von weniger als hundert Metern führte. Smog tritt in Peking oft sehr plötzlich auf, mit einem dramatischen Anstieg der PM2.5 Konzentration auf bis zu 350 μgm-3 innerhalb einer Stunde, die dann mehrere Tage anhalten kann. Am 8. Dezember 2015 rief Peking zum ersten Mal die Alarmstufe „Rot” aus, als die Luftverschmutzung erneut ein kritisches Maß erreichte. Das Erreichen der vorher noch nie ausgerufenen Alarmstufe „Rot” verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Smog-Bildungsmechanismen in China besser zu charakterisieren.

Basierend auf der Analyse eines typischen Smogereignisses in Peking im Winter 2013 konnten folgende Punkte untersucht werden: (1) eine Gegenüberstellung des relativen Einflusses von erhöhten Emissionen im Vergleich zu ungünstigen meteorologischen Wetterbedingungen; (2) die Ursache für den extremen Anstieg von PM2.5 während Smogperioden in Peking, bedingt entweder durch extrem schnelle lokale chemische Bildungsmechanismen oder durch regionalen atmosphärischen Transport; (3) der spezielle chemische Bildungsmechanismus von Aerosolpartikeln bei enorm hohem Feinstaubaufkommen.

Wechselwirkungen zwischen Emissionsanstieg und Wetterbedingungen

Um den jeweiligen Anteil von erhöhten Emissionen im Verhältnis zu ungünstigen Wetterbedingungen zu bewerten, wurden drei Szenarien konzipiert und Simulationen von PM2.5 mit dem WRF-CMAQ-Modell (Weather Research and Forecasting - Community Multiscale Air Quality) durchgeführt. Das Basis-Szenario (a) ist darauf ausgelegt, die tatsächliche Situation zu simulieren, d. h. sowohl das Emissionsverzeichnis als auch die aktuellen Wetterbedingungen im Januar 2013 wurden berücksichtigt. In den Szenarien (b) und (c) wurden entweder Daten für die Wetterbedingungen oder für das Emissionsverzeichnis aus dem Jahr 2012 verwendet. Abbildung 2(a) zeigt, dass der Einfluss des Emissionsanstiegs vernachlässigbar ist. Für die gesamte Simulationsdomäne der Nordchinesischen Tiefebene führt die Anpassung der Emissionsstärke zu ähnlichen Konzentrationen und räumlicher und zeitlicher Verbreitung von PM2.5. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der sich nur wenig veränderten Emissionssituation im Jahr 2013 im Vergleich zu 2012 (2,1% primäres PM2.5, 1,5% SO2 und 2,5% NOx) [1].

2013 führte der schwache ostasiatische Wintermonsun zu abgeschwächten Bodenwinden und ungewöhnlichen Südwinden [2]. Ein außergewöhnliches Hochdruckgebiet auf Höhe von 500 hPa unterdrückte vertikale Luftbewegungen (Konvektion). Südwinde transportierten mehr Wasserdampf vom Meer und erhöhten die relative Luftfeuchtigkeit. Die hohe Luftfeuchtigkeit führte durch eine höhere Wasseraufnahme zu einer Vergrößerung der Aerosolpartikel. Dies wiederum resultierte in einer weiteren Trübung und Reduzierung der Grenzschichthöhe [3–5]. Somit fand im Januar kaum Luftaustausch statt, sodass luftverunreinigende Stoffe in der bodennahen Luftschicht gefangen gehalten wurden. Wie aus Abbildung 2(b) hervorgeht, führten die veränderten Wetterbedingungen von 2013 zum Jahr davor zu einem durchschnittlichen Anstieg von PM2.5 um 10–40 μgm-3 in Peking und 120 μgm-3 in der Nordchinesischen Tiefebene. Der Vergleich zwischen Abbildung 2(a) und 2(b) zeigt deutlich, dass die heftige Smogperiode im Januar 2013 eher auf die ungünstigen Wetterbedingungen zurückzuführen ist, als auf einen abrupten Anstieg der Emissionen [6].

Geografische Besonderheiten von Peking

Ein besonderes Merkmal des Wintersmogs in Peking ist der schnelle Konzentrationsanstieg der Aerosolpartikel. Die Daten vom 12. Januar zeigen solch einen typischen Fall. Innerhalb weniger Stunden stieg die PM2.5-Konzentration auf fast 900 μgm-3 mit einer Änderungsrate von über 300 μgm-3 pro Stunde (Abb. 3). Die aktuellen Ergebnisse der Forschungsgruppen am Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC) belegen, dass die Hauptursache für eine solch schnelle Änderung vielmehr im regionalen Luftmassentransport anstatt in der Veränderung der Atmosphärenchemie zu finden ist.

Geografisch gesehen liegt Peking zwischen den sauberen nördlichen Städten (Chengde und Zhangjiakou) und den verschmutzten Industriegebieten im Süden (Shijiazhuang, Baoding, Tianjin, Langfang und Tangshan). Mithilfe der Nordwinde gelangt saubere Luft nach Peking, wodurch die Luftverschmutzung verringert wird. Die Südwinde bringen jedoch verschmutzte Luft mit sich und erhöhen das Dunstaufkommen. Dadurch bilden die Konzentrationen der Aerosolpartikel in Peking eine Art Grenzlinie zwischen den nördlichen und südlichen Städten. Die Messdaten in Abbildung 3 verdeutlichen dies. Diese geographische Besonderheit wird durch die Modellsimulationen gut erfasst, indem der Übergang zwischen sauberen und verunreinigten Luftmassen immer zu abrupten Änderungen der Konzentration der Aerosolpartikel führt [6].

Im Hinblick auf den Einfluss der Atmosphärenchemie auf das Phänomen der starken Smogbildung ist zu beachten, dass nicht nur ein schneller Anstieg, sondern auch eine schneller Rückgang beobachtet wurde. Letzteres lässt sich nicht mit atmosphärenchemischen Reaktionen erklären, während besondere atmosphärische Transportbedingungen die Ursache für beide Änderungen – die schnelle Bildung sowie den schnellen Rückgang – sein können. Ebenso müssen die gleichzeitige Veränderung von Wasserdampf und PM2.5 in die Untersuchungen miteinbezogen werden. Da es keine atmosphärische Reaktion gibt, die den Wasserdampfhaushalt kurzfristig signifikant verändern kann, ist eine Veränderung des physikalischen Luftmassentransports die einzige Erklärung für eine Veränderung der Wasserdampfkonzentrationen. Wie Abbildung 3 zeigt, wird die schnelle Änderung der Feinstaubpartikelkonzentration von einer entsprechenden Änderung der Wasserdampfkonzentration begleitet. Die starke Korrelation zwischen der Veränderung von Wasserdampf und von PM2.5 lässt darauf schließen, dass beide demselben Prozess unterliegen: einem veränderten physikalischen Luftmassentransport.

Auf der Spur eines noch unbekannten Oxidationswegs

In Peking und in der Nordchinesischen Tiefebene sind die meisten Feinstaubpartikel sekundärer Abstammung. Das heißt, sie werden durch chemische Reaktionen gasförmiger Vorläuferverbindungen produziert [7]. Sekundäre Aerosolpartikel werden durch Oxidationsprozesse produziert, bei denen gasförmige Vorläuferverbindungen mit niedrigerer Oxidationsstufe umgewandelt werden in Feststoffe höherer Oxidationsstufe. Fotochemisch gebildete atmosphärische Hydroxyl-Radikale (OH) und Ozon (O3) werden derzeit als Haupt-Oxidantien bei der Aerosolbildung betrachtet. Da es sich um fotochemische Produkte handelt, hängt die Konzentration dieser Oxidantien von der Sonneneinstrahlung ab. Bei starker Luftverschmutzung verringert die atmosphärische Eintrübung durch die Aerosole die Sonneneinstrahlung und somit die Häufigkeit fotochemischer Reaktionen. Dies führt zu einem Abfall der Konzentration von Hydroxyl-Radikalen und Ozon. So wurde zum Beispiel während der starken Smogperioden in Peking im Jahr 2013 eine äußerst niedrige Ozonkonzentration (weniger als 1 ppb) beobachtet (Abb. 4(a)). Auch die Modellsimulationen zeigen eine Verringerung der Konzentrationen von Ozon und OH auf regionaler Ebene (Abb. 4(b)). Unter diesen Bedingungen wird üblicherweise von einer verringerten Produktionsrate sekundärer Aerosolpartikel ausgegangen. Die Messungen der MPIC-Forscher ergaben jedoch das Gegenteil. Anhand der Konzentrationsverhältnisse von sekundären Aerosolen zu ihrem Ausgangsstoff als Näherungswert für die Aerosol-Produktionsrate, zeigte sich, dass die Produktionsrate zusammen mit der Partikelkonzentration steigt (Abb. 4(c), (d)).

Die höhere Aerosol-Produktionsrate von Feinstaubpartikeln während einer Smogperiode deutet auf einen noch unbekannten Oxidationsweg hin. Zudem lässt die Tatsache, dass die Aerosol-Produktionsrate mit der Aerosol-Partikelkonzentration ansteigt, auf mögliche heterogene Reaktionen an der Partikeloberfläche als Ursache schließen. Auch die Modellsimulation untermauert die große Bedeutung heterogener Chemie (zum Beispiel an Partikeloberflächen) bei der Sulfat- und Nitratproduktion. Die Modellergebnisse stimmen im Hinblick auf Sulfat und Nitrat während Smogperioden mit realen Messergebnissen deutlich besser überein, wenn bekannte heterogene Reaktionen (d. h. chemische Reaktionen, bei denen die Reaktanten in verschiedenen Phasen vorliegen) berücksichtigt werden. Die relative Abweichung zwischen Modellberechnung und den tatsächlichen Beobachtungen liegt dann bei weniger als 10 Prozent im Vergleich zu 40–50 Prozent bei Simulationen ohne Einbeziehung heterogener Reaktionen [8].

Wissenschaftliche Bedeutung und Aussichten

Die Ergebnisse zeigen, wie komplex die Ursachen für das Auftreten der Luftverschmutzung in Peking sind. Die heftigen Smogphasen im Januar 2013 sind in erster Linie auf ungünstige meteorologische Bedingungen zurückzuführen, während die Zunahme der Emissionen eine untergeordnete Rolle spielte. Deutliche Auswirkungen auf die lokale Luftverschmutzung hat hingegen die regionale Luftzirkulation. In Peking wird die Schwankung der Feinstaubkonzentration während der Smogperioden durch die atmosphärischen Transportprozesse bestimmt. Da augenscheinlich die regionale Luftverschmutzung, beispielsweise in den südlichen Industriegebieten, einen großen Einfluss auf das Auftreten von Smog in Peking hat, wird deutlich, dass regionale Maßnahmen zur Emissionskontrolle wichtig sind.

Die aktuellen Untersuchungen verdeutlichen auch, dass die Bildung sekundärer anorganischer Aerosolpartikel während der Smogperioden nicht durch herkömmliche Fotochemie erklärt werden kann. Die Untersuchungen legen nahe, dass heterogene Reaktionen hier möglicherweise eine Rolle spielen.

Literaturhinweise

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Heterogeneous chemistry: a mechanism missing in current models to explain secondary inorganic aerosol formation during the January 2013 haze episode in North China
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