„Europäische Justiz schlechthin“

7. Mai 2013

Burkhard Hess ist Gründungsdirektor des Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law. Ein Gespräch mit ihm über den Standort Luxemburg, die Faszination, ein neues Institut aufzubauen, und die Schwerpunkte seiner Forschung

Herr Hess, als sie das Angebot für den Posten des Direktors am MPI erhalten haben – was hat Sie da besonders gereizt?

Das waren zwei Dinge: zum einen die exzellenten Rahmenbedingungen, die die Max-Planck-Gesellschaft einem eröffnet, also hervorragende Ressourcen für eigenverantwortliches Forschen, und zum andern der interessante Standort.

Warum ist Luxemburg als Standort denn so interessant? Es wird doch –  auch wenn das Land derzeit einen Kurswechsel anstrebt – in der Öffentlichkeit eher mit einer Steueroase vor allem auch für Großkonzerne assoziiert?

Der Blick trügt. In Luxemburg sitzt der Europäische Gerichtshof; zusammen mit dem Gericht der Europäischen Union sowie dem Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union bildet er die Judikative im politischen System der EU.  Die Stadt ist also aktiver Mitgestalter der EU-Politik; sie steht für europäische Justiz schlechthin. Und das leben wir auch im Institut. Richter, Rechtsanwälte und Parteienvertreter kommen ins Max-Planck-Institut und diskutieren ihre Fälle mit uns. Es sind einfach die kurzen Wege, die die Juristen zu uns locken.

Natürlich ist Luxemburg auch ein wichtiger Finanzplatz, und so mag im Augenblick die Sicht der deutschen Öffentlichkeit zutreffen. Aber das ändert sich gerade. Und was man leicht vergisst: Luxemburg ist auch ein erfolgreicher Hochschulstandort. Das Land investiert in die Forschung wie kein zweites in der EU, baut die Universität strategisch und zielstrebig aus und macht sie zu einem leistungsstarken Partner für das Institut. Damit hat man durchaus ein Alleinstellungsmerkmal.

„Procedural Law matters“ heißt es leitmotivisch in der Institutsbroschüre und man denkt unwillkürlich an den Metallica-Song  „Nothing else matters“. Warum ist das Verfahrensrecht so bedeutungsvoll? Was genau muss man sich darunter vorstellen?

Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge, wie man weiß. Menschen machen also Rechte geltend, sie haben Anspruch auf ein Verfahren, dazu brauchen sie ein Gericht, das den Prozess durchführt – schnell, effektiv und gerecht. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es scheint, und jedes Land ist anders. Wie ticken Richter oder Rechtsanwälte, wie sprechen sie miteinander, wie ist die Rechtskultur eines Staates? Am MPI Luxemburg arbeiten Wissenschaftler aus zehn europäischen Ländern; da kann man untereinander leicht erfragen „Wie macht Ihr es eigentlich?“.

Das alles spiegelt sich auch in unserer Forschung wieder. So nehmen wir unterschiedliche Gerichtsverfahren, aber auch andere Formen der modernen Streitbeilegung in den Blick, etwa Sammelklagen oder die Mediation. Und aus prozessualer Sicht sind im Bereich der Kapital- und Finanzmärkte ausgehandelte Vergleiche, etwa amerikanischer Gerichte von Interesse, die fehlende Rechtsetzung ersetzen.

Sie wollen im Endausbau des Instituts mit drei Abteilungen und rund 65 Mitarbeitern arbeiten. Wie weit ist denn die erste Anlaufphase gediehen?

Mittlerweile gehören rund 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Institutsteam, dessen großartige Aufbruchsstimmung und Elan ansteckend wirken. Wir haben interimsweise ein wunderschönes Gebäude des Architekten Richard Meier auf dem Kirchberg bezogen, das 20 Jahre jung ist und einer Bank gehörte.

Ach, das strahlendweiße, moderne Gebäude auf dem Broschürentitel ist kein Neubau?

Nein. Die Fassade wird jedes Jahr von einer Putzkolonne „abgewaschen“. Sie hangelt sich wie Bergsteiger an Seilen an der Fassade entlang. Jetzt sieht alles aus wie neu. In ein paar Jahren folgt dann der Szenewechsel: Wir werden in einen alten Konvent auf dem Limpertsberg ziehen, ein früheres Klostergebäude, das nach dem Umbau wie ein englisches College aussehen wird.

66 Prozent der Einwohner Luxemburgs sind Ausländer ohne luxemburgischen Pass, gehören Sie jetzt auch dazu?

(Lacht). Ja! Ich habe nach wie vor meinen deutschen Pass und dazu eine dauernde Aufenthaltserlaubnis. Und ich habe eine kleine Wohnung in der Stadt, fahre aber momentan noch regelmäßig am Wochenende nach Heidelberg, wo meine Familie lebt.

Das Gespräch führte Susanne Beer

 

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