Ein genetisches Krebsregister

Das internationale Krebsgenomkonsortium, an dem auch Berliner Max-Planck-Wissenschaftler beteiligt sind, veröffentlicht erstmals seine gemeinsamen Ziele

15. April 2010

Neuere amerikanische Studien an Dickdarm- und Brustkrebs haben gezeigt, dass wesentlich mehr Veränderungen im genetischen Material, wie z. B. im Laufe des Lebens auftretende Mutationen, die Krebsentstehung beeinflussen als bislang vermutet. Außerdem unterscheiden sich die individuellen Tumoren ein- und derselben Krebsart erheblich in ihrem Mutationsprofil. Deshalb wurde 2008 das Internationale Krebsgenomkonsortium (ICGC) gegründet, um einen umfassenden Katalog der genetischen Veränderungen in Tumoren zu erstellen. Gegenwärtig sind weltweit 22 Länder, unter ihnen auch Deutschland, unter dem Dach der Organisation vereint. Ihr gemeinsames Ziel ist es, häufig vorkommende Tumore in unterschiedlichen Organen und Organsystemen zu untersuchen. Jetzt haben die beteiligten Wissenschaftler erstmals ihre Ziele, sowie Details zu bioethischen Rahmenbedingungen, dem Studiendesign, der Datenanalyse, der Veröffentlichungspraxis und den Eigentumsrechten an den Ergebnissen des Konsortiums publiziert. Aus den Ergebnissen des Projektes erhoffen sich Mediziner neue Ansätze für die Krebstherapie. (Nature, 15. April 2010)

Möglicherweise werden in Zukunft Wissenschaftler und Ärzte für jeden einzelnen Tumortyp beziehungsweise Patienten molekulare prognostische Marker für Vorhersagen zur Verfügung haben, um eine möglichst individuelle, risikoadaptierte Therapieentscheidung treffen und nicht wirksame Behandlungen - wie bei Chemotherapien häufig der Fall - vermeiden zu können. In manchen Fällen könnte auch eine Kombination aus mehreren zielgerichteten Medikamenten die Heilungschancen verbessern. Zum anderen wollen sie neue Zielmoleküle finden, um die Basis für zielgerichtete Therapien zu legen. Mit der Zeit sollen bei 50 oder mehr Tumorarten und Subtypen von je 500 Patienten das genetische Material komplett analysiert und mit dem Erbgut aus Normalgewebe des jeweiligen Patienten verglichen werden, um Veränderungen als krebsspezifisch erkennen zu können.

Die deutschen Wissenschaftler, unter ihnen die Gruppe von Hans Lehrach am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik Berlin, starteten deshalb Anfang 2010 das Verbundprojekt "Pädiatrische Hirntumoren", das vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg unter der Leitung von Peter Lichter koordiniert wird. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Deutsche Krebshilfe e. V. fördern die deutsche ICGC-Beteiligung über fünf Jahre mit 15 Millionen Euro. Hirntumoren sind die Hauptursache der Krebssterblichkeit im Kindesalter, die jährlich mehr als 300-mal in Deutschland diagnostiziert werden. Die Berliner Wissenschaftler werden in diesem Teilprojekt die Sequenz der proteinkodierenden DNA-Abschnitte analysieren. "Unsere Beteiligung am ICGC ordnet sich in mehrere beantragte und bereits geförderte Projekte am MPI-MG ein, die zu einem Paradigmenwechsel in der Tumortherapie beitragen werden", ist Hans Lehrach überzeugt.

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