Die Energie der Zukunft

Internationale Organisation zum Bau des Fusionstestreaktors ITER gegründet

24. Oktober 2007

Am 24. Oktober 2007 tritt der Vertrag zwischen den ITER-Partnern in Kraft. Die Organisation, die für den Bau und Betrieb des Fusionstestreaktors ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) in Cadarache in Südfrankreich verantwortlich zeichnet, ist ein gemeinsames Forschungsprojekt von sieben gleichberechtigten Partnern, der Europäischen Union (inklusive Schweiz), Japan, Russland, den USA sowie China, Indien und Südkorea. Die Ratifizierung beendet den Interimszustand, der seit der Unterzeichnung des Gründungsvertrages im November vergangenen Jahres bestand.

Der Experimentalreaktor ITER (lat.: 'der Weg'), der Südfrankreich entstehen soll, ist der nächste große Schritt der weltweiten Fusionsforschung. Er soll zeigen, dass ein Energie lieferndes Fusionsfeuer unter kraftwerksähnlichen Bedingungen möglich ist. Ein späteres Kraftwerk soll - ähnlich wie die Sonne - aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie erzeugen. Dazu muss es gelingen, den Brennstoff - ein Wasserstoff-Plasma - in Magnetfeldern einzuschließen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufzuheizen.

"Das heutige Datum markiert einen historischen Meilenstein in der Geschichte unserer Organisation", so ITER-Generaldirektor Kaname Ikeda: "Damit erkennen die Nationen der Welt die Notwendigkeit neuer Energiequellen und haben verantwortungsbewusst und visionär reagiert. Mit unseren Partnern haben wir ein völlig neues Modell internationaler Zusammenarbeit geschaffen. Es ist nun unsere Aufgabe zu zeigen, dass herausragende Talente, die aus vielen verschiedenen Ländern kommen, zu einem dynamischen Team zusammenschmelzen können."

"Ohne die Beiträge der deutschen Fusionsforschung wäre die Planung nicht möglich gewesen", sagte Alexander Bradshaw, der wissenschaftliche Direktor des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching und Greifswald: "So wurden die plasmaphysikalischen Grundlagen für den Testreaktor in wesentlichen Teilen im IPP entwickelt. Technologische Beiträge kamen aus dem Forschungszentrum Karlsruhe. In den nächsten zehn Jahren wird Deutschland zudem über den EU-Haushalt etwa 500 bis 600 Millionen Euro zu den Baukosten des Reaktors beitragen. Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass sich die großen deutschen Beiträge in genügend vielen Aufträgen - sowohl für die Bauteilfertigung als auch für Forschungs- und Entwicklungsaufgaben - für die deutsche Industrie und Fusionsforschung niederschlagen."

Das IPP, eines der größten Fusionszentren in Europa, arbeitet mit seiner Experimentieranlage ASDEX Upgrade seit Jahren an ITER-relevanten Fragen. Mit seiner ITER-ähnlichen Geometrie wird die Experimentieranlage auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel bei der Suche nach optimierten Betriebsweisen für den Testreaktor. Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik entwickelt darüber hinaus wichtige Teile der Plasmaheizung von ITER sowie Analyseverfahren für das Plasma.

Hintergrund ITER

Die Experimentieranlage ITER wurde seit 1988 in weltweiter Zusammenarbeit von europäischen, japanischen, russischen und bis 1997 auch US-amerikanischen Fusionsforschern vorbereitet. 2003 schlossen sich dem Projekt China und Südkorea an; auch die USA kehrten in die Zusammenarbeit zurück. 2005 kam als siebter Partner Indien hinzu.

Mit einer Fusionsleistung von 500 Megawatt soll der Fusionstestreaktor erstmals brennendes und Energie lieferndes Plasma erzeugen. Angestrebt wird ein Energiegewinnungsfaktor von mindestens 10: Das Zehnfache der zur Plasmaheizung aufgewandten Energie soll als Fusionsenergie gewonnen werden. Der Bau der Anlage wird 2009 beginnen. Nach etwa zehn Jahren Bauzeit werden rund 600 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker rund zwanzig Jahre an der Anlage arbeiten. Die Baukosten wurden auf rund 5 Milliarden Euro, die Betriebskosten - einschließlich Rücklagen für den späteren Abbau - auf jährlich 265 Millionen Euro veranschlagt. Europa übernimmt knapp die Hälfte der Baukosten. Die verbleibende Summe teilen sich die anderen sechs Partner.

Die Beiträge werden im Wesentlichen in Form fertiger Bauteile geliefert, die in den Partnerländern hergestellt, dann nach Cadarache transportiert und dort zusammengebaut werden. Für die Beiträge der einzelnen Partner ist jeweils eine "Domestic Agency" verantwortlich. Die europäische Agentur "Fusion for Energy", die die europäischen Zulieferungen an die ITER-Organisation koordinieren wird, wurde im März 2007 mit Sitz in Barcelona/Spanien eingerichtet.

Energiequelle Fusion

Ziel der Fusionsforschung ist es, ein Kraftwerk zu entwickeln, das - ähnlich wie die Sonne - aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie erzeugt. Um das Fusionsfeuer zu zünden, muss der Brennstoff - ein Plasma aus den Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium - in Magnetfeldern eingeschlossen und auf hohe Temperaturen aufgeheizt werden. Ein Gramm Brennstoff könnte 90 000 Kilowattstunden Energie freisetzen, die Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle.

Die Rohstoffe der Fusion sind in nahezu unerschöpflichen Mengen überall vorhanden. Weil ein Kraftwerk zudem günstige Umwelt- und Sicherheitseigenschaften erwarten lässt, könnte die Fusion einen nachhaltigen Beitrag zur Energieversorgung der Zukunft leisten: Fusion ist nach heutigem Wissen eine katastrophenfreie Technik. Ein Kraftwerk kann so konstruiert werden, dass es keine Energiequellen enthält, die - wenn sie außer Kontrolle geraten - eine Sicherheitshülle von innen zerstören könnten. Es kann also nicht "durchgehen". Als radioaktiver Abfall bleiben die Wände des Plasmagefäßes zurück, die nach Betriebsende zwischengelagert werden müssen. Die Aktivität des Abfalls nimmt rasch ab: nach etwa 100 Jahren auf ein zehntausendstel des Anfangswerts. Werden spezielle Materialien mit niedrigem Aktivierungspotential sowie effiziente Rezyklierungsverfahren entwickelt, so wäre nach 100 Jahren Abklingzeit kein Abfall mehr zu isolieren. Das gesamte Material wäre dann freizugegeben bzw. in neuen Kraftwerken wieder zu verwenden.

Auf dem Weg zu einem Kraftwerk soll ITER zeigen, dass ein Energie lieferndes Fusionsfeuer möglich ist. Das Experiment soll damit die Voraussetzungen für eine Demonstrationsanlage (DEMO) schaffen, die alle Funktionen eines Kraftwerks erfüllt. Angesichts von je 30 Jahren Planungs-, Bau- und Betriebszeit für ITER und seinem Nachfolger DEMO könnte ein Fusionskraftwerk etwa in 50 Jahren wirtschaftlich nutzbare Energie liefern.

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