Rote Haare, Sommersprossen ...
Genetische Studien zeigen, dass einige Neandertaler möglicherweise rote bzw. helle Haare und eine hellere Haut hatten
Fossile Überreste des Neandertalers liefern nur ein unvollständiges Bild, Aussagen über ihre kognitiven Fähigkeiten oder Details über ihr Äußeres lassen sich daraus nicht ableiten. Seit sich Wissenschaftler um Svante Pääbo am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig mit der DNA des Neandertalers befassen, machen sie ganz neue, erstaunliche Entdeckungen. So veröffentlichten die Leipziger Wissenschaftler erst vor einer Woche die Entdeckung der menschlichen Variante des FOXP2-Gens bei unserem nächsten Verwandten. Und jetzt kommt ein weiteres interessantes Detail ans Tageslicht: Mindestens ein Prozent der Neandertaler in Europa hatte möglicherweise rote Haare, berichten Forscher um Carles Lalueza-Fox von der Universität Barcelona, Holger Römpler von der Universität Leipzig und Michael Hofreiter vom Leipziger Max-Planck-Institut in der online-Ausgabe von Science (Science Express, 25. Oktober 2007).
Welche Haarfarben sind in diesem Jahr in, fragte unlängst ein Modemagazin und wähnte neuerdings außergewöhnlich viele rothaarige Frauen und Männer auf den Straßen. Spätestens nach "Germany's next Topmodel"-Barbara, so das Magazin, sei klar: Rot ist das neue Blond! Dabei haben eigentlich nur zwei Prozent der Weltbevölkerung (und auch der Deutschen) naturrote Haare - und zwar aufgrund einer Mutation in dem Gen mc1r. Die daraus resultierende Veränderung des entsprechenden Proteins führt dazu, dass die Betroffenen Phäomelanin anstatt des dunklen Melanins in Haut, Haaren und Augen tragen. Dadurch haben sie auch eine wesentlich empfindlichere helle Haut und häufig viele Sommersprossen.
Nun haben Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen von den Universitäten Barcelona und Leipzig herausgefunden, dass möglicherweise auch ein Prozent der Neandertaler in Europa rote Haare besaß - und die waren mit Sicherheit nicht gefärbt. Denn die Forscher kamen der Haarfarbe der Neandertaler mittels Genanalyse auf die Spur: Sie versuchten zunächst, ein Stück des mc1r-Gens aus einem Neandertaler-DNA-Extrakt zu vervielfachen. Dabei fanden sie eine Variante, die beim modernen Menschen bisher nicht beobachtet wurde.
Auf der Basis aufwändiger Tests konnten die Molekularbiologen ausschließen, dass diese Variante eine Verunreinigung der experimentellen Proben mit moderner menschlicher DNA darstellt oder möglicherweise ein zufälliges Ergebnis aufgrund von DNA-Schäden oder PCR-Fehlern ist (die PCR = Polymerase Chain Reaction ist ein Verfahren zur Vervielfältigung von DNA). Funktionelle Tests zeigten dann, dass die Aktivität dieser Variante im Vergleich zu der normalen menschlichen Variante deutlich reduziert ist. "Genvarianten mit einer ähnlich verringerten Aktivität sind auch beim modernen Menschen bekannt - allerdings aufgrund anderer Mutationen", sagt Michael Hofreiter. "Diese führen beim Menschen zu roter Haarfarbe. Wir können deshalb annehmen, dass auch ein Teil der Neandertaler möglicherweise rote oder hellere Haare und eventuell auch hellere Haut hatten", so der Paläoanthropologe.
Ob rote Haare auch bei Neandertalern als besonders erotisch galten oder eher verabscheut wurden, können die Forscher natürlich nicht sagen.