Gesteuerte Abwehrreaktion
Molekularer Schalter schützt Zellen vor oxidativem Stress
Oxidativer Stress, der durch freie Radikale ausgelöst wird, schädigt viele biologische Prozesse. Möglicherweise haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik jetzt einen Weg gefunden, wie Zellen ihm gezielt entgegenwirken. Gemeinsam mit Kollegen aus Amsterdam, Bochum und Salzburg identifizierten sie einen molekularen Schalter, mit dem Zellen unter Stressbedingungen ihren Stoffwechsel umstellen können. In Zukunft könnten diese Beobachtungen zu einem besseren Verständnis menschlicher Krankheiten und des Alterungsprozesses führen. (Journal of Biology, 20. Dezember 2007).
Freie Radikale richten in Zellen viel Unheil an. Die Teilchen besitzen ein ungepaartes Elektron und reagieren daher extrem leicht mit anderen Molekülen. In biologischem Gewebe lösen sie so gefährliche Kettenreaktionen aus. Dabei verbindet sich ein freies Radikal mit einem Teil eines körpereigenen Proteins, Lipids oder Zuckers und schädigt dadurch dieses Molekül. In manchen Fällen wird dieses wieder als Radikal freigesetzt und kann eine analoge Reaktion verursachen, die sich unter Umständen weiter fortsetzt. Dadurch werden für den Körper wichtige Prozesse gestört und es kann zu Erbgutveränderungen durch Schädigung der DNA kommen.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern des Berliner Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik hat jetzt in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Amsterdam, Bochum und Salzburg einen molekularen Schalter nachgewiesen, der eine Schutzreaktion steuert. Im Laufe der Evolution mussten alle Lebewesen Mechanismen zum Schutz gegen oxidativen Stress entwickeln. Jede Zelle besitzt einen Pool von Redox-Kofaktoren, welcher von den zelleigenen Abwehrmechanismen benötigt wird, um freie Radikale zu neutralisieren und oxidativem Stress entgegenzuwirken. Diese Kofaktoren werden allerdings unter den schädigenden Bedingungen schnell verbraucht, was zu einem Ungleichgewicht in der Zelle führt. Der von den Wissenschaftlern nachgewiesene Schutzmechanismus wirkt genau diesem Prozess entgegen. Einmal aktiviert, leitet er den Zuckerstoffwechsel dahingehend um, dass der lebenswichtige Pool an Redox-Kofaktoren schnell wieder hergestellt wird.
Der Fund könnte in Zukunft in der Medizin von Nutzen sein. Unter bestimmten Umständen verbrauchen auch menschliche Zellen in kurzer Zeit eine große Anzahl von Redox-Kofaktoren. Das passiert zum Beispiel, wenn sie in Kontakt mit Substanzen kommen, die große Mengen an freien Radikalen erzeugen. Solche Substanzen sind Pestizide, einige Nahrungsmittelzusätze wie etwa Pökelsalz oder Bleichmittel wie Wasserstoffperoxid. Als Folge verändert sich in den menschlichen Zellen das Verhältnis von reduzierten und oxidierten Redox-Kofaktoren. Die Zelle leidet unter oxidativem Stress. Weitere freie Radikale werden nicht mehr abgefangen und schädigen das Gewebe. Und das stört viele biologische Vorgänge.
Eine Schlüsselrolle spielt der oxidative Stress beispielsweise beim Alterungsprozess. Durch freie Radikale erzeugte Zellschäden akkumulieren sich im Alter und führen zu Veränderungen im Gewebe. Aber auch an Krankheiten wie Malaria, Down-Syndrom, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer, Parkinson und Krebs ist oxidativer Stress beteiligt. Die Wissenschaftler hoffen, ihre Erkenntnisse in Zukunft für neue Therapien nutzen zu können. Zudem wollen sie besser verstehen, welche Mechanismen das Altern steuern.