Erstmals Katalysator bei der Arbeit zugeschaut
Berliner Max-Planck-Forschern gelingen fundamentale Einblicke in die Wirkungsweise von Katalysatoren
In der theoretischen Materialwissenschaft ist ein seit Jahren angestrebter Brückenschlag gelungen: Eine katalytische Reaktion lässt sich erstmals unter realistischen Temperatur- und Druckbedingungen verfolgen, beginnend bei den elektronischen Bindungen über die atomaren Prozesse bis hin zur mesoskopischen Beschreibung der letztlich messbaren katalytischen Aktivität. Forscher des Berliner Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft sowie des FOM-Instituts AMOLF in Amsterdam/Niederlande haben dazu die Theorien und Computerprogramme entwickelt. Mit Hilfe eines Hochleistungsrechners am Rechenzentrum Garching der Max-Planck-Gesellschaft (RZG) konnten sie an einem Modellkatalysator erstmals die gesamte chemische Reaktion simulieren und die Ergebnisse visuell darstellen. Überraschend war dabei, wie stark die atomaren Prozesse auf der Oberfläche voneinander abhängen, was von ausschlaggebender Bedeutung für die daraus resultierende Wirkung des Katalysators ist (Physical Review Letters, 10. September 2004).
Katalysatoren sind von herausragender Bedeutung für viele technische Prozesse in der chemischen Industrie und der Abgasreinigung. Dennoch kennt man ihre Wirkungsweise noch nicht bis ins Detail. Das liegt vor allem daran, dass experimentelle Untersuchungen auf atomarer Ebene unter realen Temperatur- und Druckbedingungen bei der Katalyse nicht möglich sind, sondern bestenfalls unter den künstlichen Bedingungen des Ultrahochvakuums.
Ein Katalysator ist ein Zusatzstoff, der eine chemische Reaktion beschleunigt, ohne selbst dabei verbraucht zu werden. Was aber an seiner Oberfläche im Detail vor sich geht, also wie es letztendlich zu der erwünschten chemischen Reaktion kommt, war bislang weitgehend unbekannt. Um die Oberflächenreaktionen zu verstehen, ist daher zunächst eine genaue Kenntnis der einzelnen atomaren Prozesse notwendig. Die erwirbt man neben experimentellen Untersuchungen mit quantenmechanischen Rechenverfahren wie der Dichtefunktionaltheorie (Walter Kohn erhielt dafür 1998 den Nobelpreis für Chemie).
Doch trotz des Einsatzes von Hochleistungsrechnern kann man die relevanten molekularen Prozesse nur über extrem kurze Zeiträume von weniger als einer Hundertmillionstel Sekunde verfolgen. Das reicht bei weitem nicht aus, um einen - wie sich jetzt herausstellte - wesentlichen Aspekt - der Katalysatorwirkung zu simulieren, nämlich das kollektiv-chaotische Zusammenspiel der vielen verschiedenen Prozesse. Die Herausforderung bestand darin, die Rechenverfahren, die sich bei der Untersuchung einzelner molekularer Prozesse als zuverlässig erwiesen haben, mit statistischen Methoden zu verbinden. Letztere sind weniger genau, machen es aber möglich, größere Oberflächenbereiche und Zeiträume bis in den Sekundenbereich zu überblicken.
Die Wissenschaftler am Fritz-Haber-Institut haben diese Verknüpfung der Methoden auf die Oxidation von Kohlenmonoxid, eine der Hauptreaktionen in Autoabgaskatalysatoren, auf einer Rutheniumoberfläche angewandt. Ihnen gelang eine statistische Simulation der verschiedenen atomaren Prozesse über Zeiträume von Pikosekunden (ein Millionstel einer Millionstel Sekunde) bis Sekunden, also über 12 Größenordnungen. Als Grundlage diente eine genaue dichtefunktionaltheoretische Beschreibung der Bildung und des Aufbrechens der unterschiedlichen chemischen Bindungen.
Hierbei kamen die Forscher zu einem überraschenden Befund: Der aus Experimenten bekannte hohe Wirkungsgrad des Modellkatalysators ließ sich nur dann theoretisch wiederholen, wenn das enge Zusammenspiel der Elementarprozesse zu einer bestimmten Zusammensetzung der Atome auf der Oberfläche führte (vgl. Abb.), die sich entscheidend von experimentellen Befunden unter Ultrahochvakuumsbedingungen bzw. von früheren theoretischen Ergebnissen, die das Wechselspiel der Prozesse nicht berücksichtigten, unterscheidet.
Die jetzt erstmals gelungene explizite Behandlung des Zusammenspiels aller Prozesse stellt somit einen entscheidenden Aspekt in der theoretischen Modellierung dar. Denn, wie sich herausstellte, kann nur in der nun gefundenen speziellen Konstellation der Atome ein bestimmter Reaktionsprozess ablaufen, der für sich allein, also ohne das Zusammenspiel aller Prozesse, gar nicht bedeutsam erscheint und keineswegs einen optimalen katalytischen Effekt hätte. Der errechnete hohe Wirkungsgrad des Katalysators stimmt bemerkenswert gut mit den experimentell gewonnenen Daten überein.